Ulrich Schödlbauer

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Er hätte es doch wissen müssen.

Hände auf dem Rücken, gefesselt, Klebstreifen über dem Mund wie im billigsten Kinofilm, in ein Loch verfrachtet, gegen das gehalten die väterliche Hütte einer gehobenen Hotelsuite glich, analysierte Fac ten Chek seine Lage. Keiner der ihm bekannten Dienste wäre so vorgegangen. Der Gedanke, in die Hände von Stümpern gefallen zu sein, beschäftigte ihn stärker als das ungewisse Schicksal, das ihm bevorstand. Was war passiert? Wo blieb die Organisation? Warum hatte sie ihn nicht abgeschirmt?Was tat sie jetzt? Arbeitete sie an seinem Fall? Wusste sie, wo er sich befand? Wo befand er sich eigentlich? Betrachte die Lage von außen: Regel Nummer eins. Nummer zwei und drei, die er sich für den Ernstfall zurechtgelegt hatte, mussten erst einmal warten.

»Sie liegen falsch. Ganz falsch.« Unerwartet riss ihm der – beinahe – Unsichtbare, der sich in seinem Rücken zu schaffen machte, das Pflaster vom Mund. Eine schwache Spiegelung im Mobiliar klärte Fac ten Chek auf: Er hatte es mit einem ziemlich harten Burschen zu tun.

»Hätten Sie die Güte, mir auseinanderzusetzen, was ich falsch sehe, damit ich meine Sicht auf das Geschehene berichtigen kann?« fragte Fac ten Chek höflich.

»Das Geschehene ist geschehen.«

»Zweifellos. Das Wirkliche ist wirklich und das Mögliche ist möglich. Hören Sie, ich habe nicht unbegrenzt Zeit und Sie verschwenden die Ihre mit Kinkerlitzchen.«

»Sie haben mich nicht verstanden. Das Geschehene ist geschehen. Niemand kann es ausradieren und durch etwas anderes ersetzen. Verstehen Sie jetzt?«

»Wer sollte so etwas unternehmen?«

»Das fragen wir uns auch.«

»Sie stellen Fragen?«

»Unter anderem, unter anderem. Eigentlich möchten wir, dass Sie sich Fragen stellen. Sie und Ihre Organisation.«

»Was wissen Sie über meine Organisation?«

»Nichts, was Sie interessierte. Nichts, was uns interessierte. Uns interessieren Sie.«

Fac ten Chek schüttelte mühsam den Kopf.

»Wenn Sie das Gewesene interessiert – studieren Sie Geschichte. Wenn Sie wissen wollen, was gerade geschieht – lesen Sie die Nachrichten. Wenn Sie wissen wollen, was ich denke – ich weiß nicht, ob Sie das etwas angeht, aber bitte –, dann fragen Sie. Fragen Sie ruhig. Ich befinde mich in Ihrer Gewalt. Nur für den Fall...«

»Warum?«

»Weil Sie sonst nichts von mir erfahren.«

»Wer sagt Ihnen, dass wir etwas von Ihnen erfahren wollen?«

In Fac ten Cheks Kopf glomm ein Lichtlein auf und erlosch.

»Sie wollen etwas über mich erfahren?«

»Ach, kommen Sie. Wir wollen wissen, wer Sie sind.« Offenbar hatte der beinahe Unsichtbare eine bequeme Sitzposition eingenommen und wippte ein wenig vor und zurück. Fac ten Chek grunzte.

»Wenn Sie zu einer religiösen Sekte gehören: Nur zu! Sie dürfen auch foltern.«

»Soso. Jaja. Sie sind ein Gehärteter. Das ist bekannt.«

»Was dann?«

»Was meinen Sie?«

»Lassen Sie mich gehen.«

»Angenommen, wir lassen Sie gehen…?«

»Sie können mich anrufen.«

»Dem steht nichts im Weg?«

»Nichts.«

»Also gut. Bringen wir’s hinter uns. Sie liefern Menschen allen Gefahren aus, die sich auf diesem Erdball auftreiben lassen, das alles, um, wie Sie sich ausdrücken, ihnen dabei behilflich zu sein, ihr Glück zu finden. Hätten Sie die Güte, uns eine einzige Frage zu beantworten? Die Frage … ja natürlich. Wären Sie bereit, eine einzige dieser Gefahren mit einem Ihrer Kunden teilen zu wollen? Genau das haben wir uns gefragt, als Ihre Frau uns auf Ihre Spur brachte. Übrigens war sie nicht illoyal, sie war nur … sagen wir … verwirrt.«

»Um mich das zu fragen, schleppen Sie mich hierher?«

»Wir fragen Sie nicht. Sie fragen und wir erfahren, was immer wir wollen.«

 

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