von Steffen Dietzsch

Er stammte von der Somme (aus Corbie, in der Region Hauts-de-France im Arrondissement Amiens), hier wurde er am 23. Juli 1921 geboren. – Mit siebzehn Jahren tritt er in die Societas Jesu ein, er studiert Philosophie (1944-1947), wird Dozent für Philosophie in Paris und Rom.

Tilliette hat seit vierzig Jahren führend dazu beigetragen, für unser Verstehen des Deutschen Idealismus ganz neue historische, editorische wie systematische Perspektiven zu eröffnen, namentlich sind hier seine Werke Schelling. Une philosophie en devenir [seine Thèse 1970], L’Absolu et la Philosophie [1987], L’intuition intellectuelle de Kant à Hegel [1995, dt. 2015] und seine Schelling-Biographie [1999, dt. 2004] zu nennen.

Darüber hinaus hat er für das große europäische Thema Philosophie und Religion als in beiden Disziplinen kompetenter Gelehrter einen entschlossenen geistigen Aufbruch in die Ungewissheiten einer sich zunehmend nicht mehr sicheren Moderne unternommen, die ihn – Père Tilliette – als einen souveränen Sohn des hl. Ignatius ausweisen. Tilliette hatte immer den Mut des Selberdenkens gegen Autoritäten der Kanzel wie des Katheders, um namentlich der Philosophie von heute erneut, wie einst Hegel, einen spekulativen Karfreitag so zumuten zu dürfen. So finden wir in Tilliettes La Semaine Sainte des Philosophes [1991], Le Christ de la philosophie [1990, dt. 1998] und Les philosophes lisent la Bible [2001] Denkeinsätze, die uns Heutige mit philosophisch-christologischen Konstellationen vertraut werden lassen, um in den kommenden geistigen und geistlichen Konfrontationen über den Zusammenhang von Vernunft und Glauben, Philosophie und Religion neue Horizonte zu erblicken. Dabei analysiert Tilliette, was es für unsere Kultur bedeutet, Gott – als verbum Dei – wieder, wie es schon Hegel einforderte, absolut vornhin an die Spitze der Philosophie als den alleinigen Grund von allem zu stellen.

Am 10 Dezember ist Xavier Tillette, seit 1996 emeritiert, seit 2005 Legion d’honneur, Chevalier, in Paris gestorben.

Steffen Dietzsch (Berlin) und Gian Franco Frigo (Padua)