VII Neuer Wahltermin 18. März 1990

Insgesamt wurde dem gesamten Gebilde DDR die Zeit knapp. Die Montagsdemonstrationen als Gradmesser der rasant kleiner werdenden Geduld mit den politischen Prozessen in Ostberlin vor dem Hintergrund der wieder anwachsenden Übersiedelungszahlen in die Bundesrepublik ließen den Wahltermin 6. Mai immer stärker als utopisch und nicht erlebbar erscheinen. Bis Mai würde das Chaos herrschen. In dieser Einschätzung beschloss der Runde Tisch am 28. Januar 1990 die Vorziehung des Wahltermins zur Volkskammer auf den 18. März 1990 und die Festlegung der Kommunalwahlen auf den 6. Mai 1990.

Aus heutiger Sicht scheint mir das Vorziehen noch immer sehr richtig gewesen zu sein. Für die Masse der Bevölkerung besaß die DDR ohnehin nur noch Statistenrolle. Niemand wusste, wie lange Gorbatschow und die Sowjetunion alles laufen lassen würden, wie viele Menschen noch Richtung Westdeutschland ziehen würden und was aus dem allein gelassenen Rest werden würde. Die angespannte Stimmung des Runden Tisches war am 28. Januar 1990 zusammengefasst etwa so: »Entweder vorgezogene Wahlen jetzt oder wir erleben überhaupt keine Neuwahlen mehr, entweder wir gehen alle in die Regierung oder wir gehen gemeinsam unter« (aus Uwe Thaysen, Der Runde Tisch oder wo blieb das Volk?, Westdeutscher Verlag 1990, S. 93).

Der SPD fiel die Zusage zum Wahltermin besonders leicht. Ihr wurden zu diesem Zeitpunkt 54 Prozent prognostiziert. Da gerade einmal die Hälfte der Befragten angab, welche Partei sie bevorzugen würden und die Telefonumfragen erst recht nichts wert waren – wer besaß in der DDR überhaupt privat ein Telefon – konnten die 54 Prozent bei Licht nur als trügerisches Eis betrachtet werden. So kam es dann ja auch am 18. März 1990: 22 Prozent für die SPD als die Partei, die zuerst zögerlich Ja zur Einheit und diese dann auch noch verkompliziert über die Diskussion Artikel 23 oder Artikel 146 führte. Für den DDR-Normalbewohner war dies schlicht und einfach zu umständlich. SPD, durchgefallen.

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