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Die weibliche Selbstbehauptung ist die kleine Schwester der Kopflosigkeit. Die Kopflosigkeit lebt von Attributen, die von bizarr bis pittoresk reichen und der Selbstbehauptung mitunter Befremden entlocken, was nicht selten zu Akten intensiver Raserei führt. Über die Welt, die Verhältnisse und last not least den Mann an sich. Schließlich liegt die Schuld an allem Elend bei ihm. Sein sei die Kopflosigkeit, in Ewigkeit Amen. Wer behauptet hat, die Selbstbehauptung sei ein angemessenes Mittel gegen die Kopflosigkeit, kann kein großer Denker gewesen sein. Die Kopflosigkeit geht der Selbstbehauptung voran. Sie ist das durchgestrichene Männliche und zwingt dazu, aus dem Bauch heraus zu leben. Eine Konstruktion, die so mancher nicht in den Kopf will. |
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Ich behaupte mich selbst. Ich habe mich immer selbst behauptet, so oder so. Durchdekliniert erscheint die Sache von ihrer selbstverständlichen Seite – welchen ich mir allerdings heute aufsetze, entscheide ich spontan. Kein noch so ausgeklügeltes Programm vermag das für mich zu erledigen. Immerhin erhalte ich meine Anregungen aus dem Netz. Es gibt da so ein Portal. Auch die Mode und die Bestenlisten (die hundert beliebtesten Köpfe beispielsweise) sind als Entscheidungshilfe willkommen. Jede neue Behauptung enthauptet eine andere. Die Kultur erwächst aus ihren Verlusten. Zu Zeiten ins Unermessliche. Das mag oft genug natürlich erscheinen, doch zeigt sich stets aufs Neue, dass ungehemmtes Wachstum zu Kopfe steigt. Sie betritt die Bühne maskiert und nicht selten mit dem zweiten Gesicht in der Hinterhand. Wie sie sie verlässt, hängt nicht nur von den Umständen ab. |
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Be- und Enthauptung – sind zwei Seiten ein und derselben Sache. Die Guillotine ist kein Gegenbeweis, sondern das Memento mori der Sache. Oft genug erlebt man und kann es täglich in der Zeitung lesen, dass Köpfe rollen zum Zwecke der Selbstbehauptung. In manchen Fällen heißt diese Behauptung Selbsterhalt. Danton, Stalin, Hitler, Pol Pot, Mao – einige weltgeschichtlich berüchtigte Köpferoller. Glauben Sie wirklich, die Französische Revolution – und also die zukünftige Demokratie – hätte nur den Hauch einer Chance gehabt, sich selbst zu behaupten, wenn sie die Köpfe des verhassten, da beneideten Adels nicht hätte rollen lassen. Einen Kopf kürzer war er handlicher und weniger mächtig. Außer in den Köpfen der Gegner. |
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Was sich da wie behauptet und erhält, bedürfte im Grunde einer eingehenden Untersuchung jenseits der ausgetretenen Pfade, die nicht selten in die Irre führen und die Menschen kopflos oder zumindest kopfscheu machen, da sie den Ernst und die Komplexität der Lage hinter Rollenmodellen oder Beobachtungsposten im soziologischen Nebel verschwinden lassen. Der Kopf als leitkulturfähiges Medium. Aber es ist nicht nötig, nach den Sternen zu greifen – die Stars tun es auch. Und die Regierenden sowieso, obwohl sie immer ein wenig in der Symbolik nachhinken. Gleichviel: Die Selbstbehauptung fährt Bahn oder fliegt in Begleitung einer Horde von embedded journalists von Gipfel zu Gipfel, um sich öffentlich bekränzen zu lassen, Damenprogramm für Herren inclusive. Auf die Kränzchenmetapher sei hier verzichtet. |
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Kopfgeld heißt der Friseur der Zukunft. Steckt man Geld hinein oder kommt es heraus? Im Zeichen der Finanzkrise eine interessante Frage. Böse Mäuler würden behaupten, es handle sich um die Schuldensumme pro Kopf, die zur Rettung der Welt und zu einer Zeit ins Unermessliche wächst, da die Großkopferten einmal wieder dem Keynesianismus huldigen. Sprich, in Zeiten der Selbstbehauptung aller gegen jeden die entsprechende Theorie zücken, die das Geld regnen und die Augen mit den Köpfen rollen lässt. Neueste Nachricht: die Kopfgeldjäger sind hinter dem Haupte der Medusa her. So erhält der Zusatz der Auftraggeber ›tot oder lebend‹ einen stark erweiterten Sinn. Andererseits – es gibt so viele wunderbare öffentliche Plätze, da wird sich sicher ein Plätzchen finden für den zu erwartenden Skulpturenpark. Zum Herzerweichen. Welches Haupt sie sich wohl aufsetzen werden, ehe es zum Äußersten kommt? Dies wäre einer der raren Fälle, in denen sich eine eindeutige Geschlechtszuweisung vornehmen lässt. Es kann nur das Haupt eines männlichen Würdenträgers sein. Jede weiß, auch wenn sie nie darüber spricht, dass die Blicke der Medusa noch keine Frau versteinern ließen. Wie auch? |
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Hübsch sieht sie aus am Ende, wenn das Köpfchen aus dem Hyänenkörper schaut und treuherzig in die Welt lugt. Blitzschnell fährt frau darüber, die starke Frau. Eine Gesellschaft von Freien und Gleichen setzt voraus, dass nicht das Geschlecht im Zentrum steht. Sie haben den Fehler gemacht, meine Herren, die Frauen qua Frausein mit dem Gang der Geschäfte zu betrauen, statt auf den langsameren Gang der menschlichen Dinge zu setzen. Berufsfrauen – das heißt, nebenbei oder vorneweg, Frausein als Beruf. Die Berufsfrau mit dem Hyänenköpfchen in der Tasche wölbt den Scheinpenis vor (ein untrügliches Hyänenmerkmal, das meist im Verborgenen bleibt) und ist es zufrieden. Die alltägliche Selbstbehauptung ist ein stets aufs Neue befreiender Akt: bei der Auswahl. Wer schaut schon auf den Kopf? Eine Rede hielte sie Ihnen über das Glück, eine Frau zu sein, und die Worte strömten. Schließlich ist man mehr zwischen anderen vorhanden als bei sich selbst, um mit einem nobelpreisgekrönten Haupt zu enden, einem weiblichen. |