1.
Einführung
Reiseprospekte von Touristikunternehmen und Reiseteile großer Zeitungen
leben von der vielfältigen Individualität und Buntheit von Kulturen.
Als Reiseziele angeboten und in Reiseberichten vorgestellt werden
weniger Länder und Staaten als vielmehr Kulturen, deren staatliche
Zuordnung in diesem Zusammenhang oft von untergeordneter Bedeutung zu
sein scheint. Ob eine kultisch genutzte Naturformation, eine
spektakuläre Schloss- oder Industrieanlage, eine bedeutende
Kunstsammlung, Kulttänze oder Rituale indigener Ethnien, was zählt und
touristische (ökonomische) sowie mediale Aufmerksamkeit erhält, sind
Exotik und kulturelle Andersheit, Originalität und Ursprünglichkeit als
Ergebnisse eigenkultureller Deutungsmuster. Als unverzichtbar für die
Formung oder Bildung der eigenen Identität gilt etwa die Erfahrung,
dass ›dort‹ die Zeit stehen geblieben sei oder dass sich ›dort‹
Geschichte vollzogen habe. Kulturgüter sind durch ihre Geschichte
definiert, die als Narrativik (Erzählung der Besuchsepisode aufgebaut
in Anfang – Vorbereitung, Anfahrt –, Haupt- bzw. Zwischenphase –
Aufenthalt am Objekt –, Abschluss – Rückkehr) kulturellem Handeln Sinn
verleihen. Indem man die kulturelle Differenz der besuchten Kulturen
durch die Erzählung bezeugt, bezeugt man im eigenen kulturellen Kontext
sein kulturelles Interesse, seine Offenheit gegenüber dem Anderen,
wofür man ›hier‹ Anerkennung erwartet. Man verändert sich, indem man
durch seinen Besuch die Zielkulturen verändert (Aufbau touristischer
Infrastruktur, Alltag wie in der Herkunftskultur, kulturelle
Überlieferung gesichert als Konsumgegenstand Folklore). Wenn diese
Erfahrungen dazu führen, von einer Vielzahl gleichberechtigter Kulturen
anstatt von der einen, in der Regel der eigenen Kultur als Maßstab zu
sprechen, dann bedeutet dies eine Veränderung des bis in die zweite
Hälfte des 20. Jahrhunderts geltenden eurozentrischen Kulturdiskurses
in Richtung auf Anerkennung der aktuellen Verhältnisse.
Aber nicht nur im touristischen Bereich erfreut sich der Themenkomplex
›Kultur‹ seit einigen Jahren einer dauerhaften öffentlichen
Aufmerksamkeit in Deutschland; das anhaltende Interesse an Kultur
manifestiert sich in vielfältigen feuilletonistischen, kultur- und
finanzpolitischen Verlautbarungen in Massenmedien sowie in
wissenschaftlichen Studien, ein Befund über den gesellschaftlichen
Kulturdiskurs, der einen Funktionswandel von Kultur zu markieren
scheint. Obwohl sich diese Aktualität auch in konventionellen Formaten
wie Rezensionen literarischer Neuerscheinungen, Kritiken von
Theaterinszenierungen, Ausstellungen und spektakulären
architektonischen Ereignissen (z.B. Wiederaufbauprojekt Berliner
Stadtschloss, Einweihung des wieder errichteten Neuen Museums in
Berlin) zeigt, stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
politisch-intellektuelle, ereignisbezogene Auseinandersetzungen über
kulturelle Handlungskomplexe wie ›Deutsche Leitkultur‹ (2000, 2005),
Schlussbericht der
Enquête-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ (2007),
die Erinnerung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther
Oettinger an seinen Vorgänger Hans Filbinger als ›Widerstandskämpfer‹
im ›Dritten Reich‹ (2007), Aberkennung des UNESCO-Titels
›Weltkulturerbe‹ für das Dresdener Elbtal (2009), ›Staatsziel Kultur‹
(2009), die Verleihung des Hessischen Staatspreises für Kultur (2009),
das Schweizer Referendum gegen die Errichtung von Minaretten (2009),
eine Bundestagsdebatte zum Thema kulturelle Bildung (2009), die
Konstruktion kultureller Wirklichkeit am Beispiel des Erfolgs als
Medienpräsenz der Autorin Helene Hegemann (2010), Nachrichten über
massive Einsparungen in den Kulturhaushalten von Kommunen und Ländern
(2009/10) sowie rituelle Anlässe wie das 50. Jubiläum der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz (2008), die Wiedereröffnung der
Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar (2007) und des Schiller
Nationalmuseums in Marbach (2009).
In den Medien ist der Begriff Kultur in Bezug auf alle
gesellschaftlichen Felder gegenwärtig. Im Zusammenhang des Ankaufs von
CDs mit Daten von Steuerstraftätern durch staatliche Stellen ist von
der Notwendigkeit »einer neuen Kultur des Anstands« die Rede, davon,
»dass der Staat neue Regeln aufstellt«, die einen »Kulturwechsel«
(Beise in SZ 08.02.2010) im Finanzsektor einleiten. ›Kultur‹ meint
einen im Finanzbereich gültigen, von allen Akteuren anerkannten und
umgesetzten Verhaltenscodex (Anstand, Moral, Verlässlichkeit), der dann
auf andere Bereiche entsprechend ausstrahlen soll.
Insgesamt geht es immer wieder um Differenzierungen wie anständig und
verwerflich oder – ähnlich fundamental – Sonn- bzw. Festtag und Alltag,
Fest- und Gebrauchsformen, ablesbar am Beispiel der Essenshandlungen
und Tischkultur.
»Früher war das Leben noch in Ordnung. In der Woche wurde gearbeitet
und
am Sonntag geruht. An dieser Achse richtete sich das Wesen der
Gesellschaft aus. Es gab die Alltagskleidung und den Sonntagsstaat.
Unter der Woche war Schmalhans Küchenmeister, und am Tag des Herrn
wurde der Braten aufgetischt. Alltags gab es Gebrauchskeramik, am
Wochenende dafür das Porzellanservice mit Goldrand. So war das mal. So
ist es lang nicht mehr. Die alte Welt liegt in Scherben, die
Porzellanindustrie jammert. Die Tischkultur verfalle, keiner tafele
mehr geordnet.« (Fromme in SZ 29.01.2010)
Diagnostiziert werden Statik und Dynamik kultureller Ordnung, eine seit
langem eingespielte Tischkultur verliert an Akzeptanz, die Anerkennung
einer neuen Ordnung wird sichtbar, deren Schlüsselwörter »Stilmix,
Materialmix, Präsentation des eigenen Lebensstils« und »Pluralität«
(Fromme in SZ 29.01.2010) sind. Auf der Basis westlicher
Kulturtraditionen wird die Möglichkeit der kulturellen
Selbstbestimmung, der Zusammenstellung verschiedenkultureller Elemente
und Segmente zu einem individuellen kulturellen Patchwork-Lebensstil
privilegiert. Wenn die Pluralität kultureller Selbst- und Weltformung
die Vorstellung einer tendenziell einheitlichen nationalen Kultur
zurückdrängt, dann sind Szenarien kultureller Fortschrittskonzepte
nicht mehr möglich. Da nicht alle Kulturen die Fragmentierungen und
Subjektivierungen zulassen, sieht Huntington in dieser
›Ungleichzeitigkeit‹ eine Begründung seiner These vom Clash of
civilisations (1996). Keinesfalls aber bedeutet Kulturwandel den
Verzicht auf Ordnung und Formung. Auch eine neue Tischkultur zielt
durch ihre Gestaltungsregeln auf das befristete harmonische und
gesellige Zusammensein mehrerer Personen, auf die temporäre
Gleichgerichtetheit einer Gemeinschaftserfahrung, die wechselseitig
anerkannte Gleichheit von Gast bzw. Gästen und Gastgeber voraussetzt.
Obwohl demnach alle, die kulturelle Regeln und Ordnungen einhalten,
kulturell handeln, gelten als ›Kulturschaffende‹ vor allem jene, die
Kunstwerke hervorbringen oder deren Aufführung ermöglichen. In jedem
Jahr werden mehrere Städte als ›Kulturhauptstädte Europas‹ anerkannt,
eine Beilage »Kultursaison« (Die Zeit 17.09.2009) informiert über die
als besonders innovativ oder repräsentativ anerkannten Veranstaltungen
und Ereignisse im Bereich von Film, Musik, Theater, Literatur und
Ausstellungen. Für und wider die Verhaftung Roman Polanskis wegen
»Verführung einer Minderjährigen« vor 32 Jahren tobt in Polen ein
»Kulturkampf« (Urban in SZ 30.09.2009), die juristische Dimension wird
überlagert von den kulturellen Kontrahenten: einer programmatisch
nationalen und einer liberalen kulturellen Orientierung. Ebenfalls als
»Kulturkampf« wird die Auseinandersetzung über die Eignung des
ägyptischen Kulturministers Faruk Hosni als Chef der UNESCO vorgestellt
(Willms in SZ 26.05.2009). In der Finanzkrise Dubais wird »ein Ende des
Kulturkolonialismus« und »eine Chance« gesehen, »endlich die eigene
Kultur« (Weissmüller in SZ 28./29.11.2009) zu stärken.
Schon aufgrund dieser Beispiele können folgende Merkmale als
Gemeinsamkeiten kultureller Handlungen oder Ereignisse in westlichen
Traditionen gelten:
- Einbettung in Situations- bzw.
Kontextbezug
- Kulturpolitischer Rahmen, Finanzierung
- Performativität / Aufführungscharakter
und Sprache
- Interessenbasis
- Dreiphasenschema von Angebot,
Aushandlung, Anerkennung
- Handlungs- und Ereignischarakter häufig
in der Ausprägung als Kontroverse (Statik/Dynamik)
- Konstruktivität und Kritik
- Narrativität der Handlung / des
Ereignissses durch Markierung von Anfang und Ende
- ereignisbezogene zeitliche Begrenztheit
der Aktualität
- Akteure – Referenzpartner, je
unterschiedliche Referenzgruppen
- Aufnahme in ein Erinnerungssystem
- Kombinationsform, die Anteile des
politischen, religiösen, sportbezogenen, künstlerischen,
wissenschaftlichen und ökonomischen Feldes verbindet.
Vollzogen wird kulturelles Handeln unter dem Dach symbolischen
Handelns. Danach kann durch einen bestimmten, zumeist festgelegten
rituellen Handlungsablauf im ›Hier‹ und ›Jetzt‹ ein ›Dort‹ oder
›Damals‹ als anwesend erfahrbar gemacht werden. Die Dimension des
Symbolischen öffnet die jeweils konkrete Handlungssituation für die
›Präsenz‹ situationstranszendenter Werte. So erhält ein Preisträger bei
der Verleihung lediglich die Insignien (Urkunde, Dotation); symbolisch
verweisen sie auf den mit dem neuen Status als Preisträger verbundenen
Anspruch auf Anerkennung, Einfluss und Ehrung, der sich erst bei
weiteren kulturellen Handlungen oder im Alltag verwirklicht. Wer fair
gehandelten Tee kauft, glaubt, nicht nur ein Genussmittel zu erstehen,
sondern durch seinen Kauf ›hier‹ die Situation der Teepflücker ›dort‹
zu verbessern. So erhält eine alltägliche Handlung wie das Einkaufen
durch die symbolische Dimension den Rang einer programmatischen
kulturellen Handlung.
Insofern das Kulturelle als gesellschaftlicher – also gemachter – Raum
symbolischen Handelns zu definieren ist, kann grundsätzlich jeder
Vorgang Auslöser und Faktor kulturellen Handelns werden. Vor allem das
Merkmal der Kombinationsform macht deutlich, dass die Erfahrungs- und
Handlungsbereiche des Ästhetischen das kulturelle Handeln keineswegs
dominieren. Weiterhin erschließen sich aus Kombinations- und
Kontroversform kulturellen Handelns die Vielfalt, prinzipielle
Unabgeschlossenheit und Offenheit des Kulturellen wie auch die
Pluralität der Kulturen, was wiederum Auswirkungen auf Kanon und
Kanonisierung hat. Auch belegt die Kontroversform kulturellen Handelns
nicht nur grundsätzlich die Konstitution des Kulturellen aus
unterschiedlichen Interessen, sondern erschließt darüber hinaus deren
programmatische Ausrichtung, mögliche Spielräume, nicht hintergehbare
Positionen, Grenzen und Emotionen der Akteure.
Vor diesem Hintergrund geht es im vorliegenden Beitrag um vorbereitende
Bemerkungen zu einer Theorie kulturellen Handelns als Referenzpunkt
einer Wissenschaft vom Kulturellen. Schon dieser Begriff, der als
substantiviertes Adjektiv das weite gesellschaftliche Feld kultureller
Dynamik, Diskurse und Bewegungen einschließt, verweist auf ein
grundlegend anders ausgerichtetes Erkenntnisinteresse, als es sich in
der Regel mit dem Begriff der Kultur verbindet, der vor allem den
Bereich »meritorischer Güter« (Richard A. Musgrave)wie Museen, Theater,
Bibliotheken, Archive, Baudenkmäler, Parks, Festlichkeiten sowie
entsprechende Forschungen zur ›hohen‹ Kultur bezeichnet. Obwohl diese
Kulturgüter für die allgemeinen Lebensbedingungen unverzichtbar sind,
werden sie in ihrer Bedeutung von der Bevölkerung häufig nicht
angemessen anerkannt und aus diesem Grund von staatlichen oder privaten
Einrichtungen angeboten (vgl. Dücker 2007, 3). Um von kulturellem
Handeln zu sprechen, muss der Begriff Kultur oder ein Kompositum nicht
notwendig in der Quelle erscheinen. So geht es weniger um den
juristisch geführten Nachweis des »Menschenrecht[s] auf Teilnahme am
kulturellen Leben« (Groni 2008), womit im wesentlichen der Zugang zu
den »meritorischen Gütern« gemeint ist, als vielmehr um Möglichkeiten,
wie jeder einzelne das Kulturelle zur Formung seines Lebensstils
einsetzen oder davon profitieren kann. Kulturelles Handeln ist sowohl
Gegenstand als auch Methode der Untersuchungen. Stellt kulturelles als
sozial legitimiertes Handeln eine notwendige Bedingung von Leben
schlechthin dar? Anders gefragt: Schließt die Definition von Leben
kulturelles Handeln immer schon ein?
Während im Rahmen der ›cultural turns‹ (Bachmann-Medick 2006)
kulturelle Kontexte für die Praxis der Auslegungswissenschaften –
Priorität Werke und Autoren, Künstler usw. – herangezogen werden,
verfährt die Wissenschaft des Kulturellen in umgekehrter Richtung: Den
Ausgang bilden Ereignisse und Handlungsabläufe, die
Bezugswissenschaften zugeordnet und dann mit deren Fachwissen daraufhin
untersucht werden, welche Selbst- und Weltformung das Subjekt
beabsichtigt und womöglich auch erreicht hat. Daher gehört die
Wissenschaft des Kulturellen zu den Lebenswissenschaften. Sie verfährt
theoretisch und empirisch, deskriptiv und analytisch; ihre Gegenstände
findet sie in den Lebensvollzügen der Vielen, in deren
Gestaltungsangeboten und -möglichkeiten.
Unter dem Begriff des Kulturellen wird jener gesellschaftliche Bereich
verstanden, in dem kulturelles Handeln als formativer Typus sozialen
Handelns vollzogen wird. Formativ bezieht sich auf die Reziprozität
zwischen einem Individual- oder Kollektivsubjekt (Akteur) kulturellen
Handelns und dessen jeweiligem Adressaten. So ist das Kulturelle durch
die Genese des Sozialen aus der Interdependenz von Subjekt und
Referenzgruppe definiert. Im kulturellen als symbolischem
Handlungsprozess präsentieren sich die Akteure, indem sie der
Öffentlichkeit oder bestimmten Adressaten Deutungs- oder
Auslegungsangebote von Begriffen, Werten, Konzeptionen,
Wahrnehmungsformen, Handlungsfeldern, Traditionen, Geltungen und
Projekten machen, die die Adressaten anerkennen und akzeptieren sollen
(Reziprozität). So ›macht sich‹ der Akteur (Selbstformung, reflexiver
Akt), indem er den Adressaten zu Aufmerksamkeit und Anerkennung für
sein Deutungsangebot bewegen möchte (transitiver Akt der Gestaltung des
Sozialen). Ob dieser das Angebot des Akteurs unverändert oder
modifiziert anerkennen kann, will oder muss, inwieweit er damit selbst
zum Akteur wird, dieser interaktive Bezug zwischen den am kulturellen
Prozess Beteiligten wird mit dem ritualtheoretischen Begriff der
Aushandlung (vgl. Dücker 2007) bezeichnet. Während des kulturellen
Aushandlungsprozesses sind die Positionen der Beteiligten durch den
Gestus der Modalität bestimmt. Kulturelles Handeln ist intentionales
Handeln oder sozial vermitteltes Routinehandeln. Fuchs (2008, 29) geht
von einem »tätigkeitsorientierte[n] Ansatz« aus, »der Subjekt –
Tätigkeit – Objekt unterscheidet«.
Wenn im Folgenden kulturelles Handeln als komplexe Handlungsform
verstanden wird, geht es um dessen Handlungssequenzen und
Koordinationsprozesse, dessen Möglichkeit, Notwendigkeit und
Wirksamkeit. Ist jeder einzelne – mit oder ohne Kompetenznachweis – zu
kulturellem Handeln befähigt und berechtigt? Hat Martin Mosebach recht,
wenn er schreibt: »Was ein Volk kulturell im Alltag tut, ist das, was
es wirklich glaubt.« (Mosebach in FAZ 15.02.2006). Wenn es zutrifft,
dass die Lebenssituation immer schon kulturell geformt ist, dann
scheint die intentional fundierte Aushandlung eines Lebensstils eine
Situation des Außeralltäglichen zu markieren (vgl. Dücker 2007, 51f.,
122-127) Wie kann sich kulturelles Handeln in diesem weiten Sinn als
Selbst- und Weltformung geschichtsbildend auswirken?
Dieser Beitrag basiert auf der Auseinandersetzung mit aktuellen
Prozessen kultureller Dynamik wie der Kontroverse zwischen der
behaupteten Dominanz von Virtualität und der Programmatik von
Authentizität und Original, wie der Abhängigkeit der Teilnahme am
digital angebotenen Kulturellen von der Verfügung über entsprechende
Geräte, wie der Unbegrenztheit von Teilnahme und Selbstgestaltung in
digitalen Prozessen bei gleichzeitigem Verlust von Selbstreflexivität
zugunsten distanzloser Anerkennung oder Ablehnung kultureller
Formungsangebote. Daher finden Medienformate besondere Berücksichtigung
als Quellentexte, allerdings solche der Printmedien.
Zunächst werden funktionale Dimensionen der Rede vom Kulturellen bzw.
der Kultur anhand von Medienbelegen und Forschungspositionen sichtbar
gemacht (Kap. 2). Daran schließen sich Überlegungen zu einer Theorie
des Kulturellen an (Kap. 3).
2. Das Kulturelle – die
Kultur
Am 19. Juni 2009 findet im Deutschen Bundestag die Beratung des
Gesetzentwurfs (16 / 387) zum Thema ›Staatsziel Kultur‹ statt. Als
vorbereitende Information heißt es in der Wochenzeitung
Das
Parlament:
»Wenn definiert wird, was den Menschen charakterisiert, wird die Kultur
als erstes genannt. Wenn allerdings darüber gestritten wird, wo
Kommunen einsparen können, werden Ausgaben für Theater, Museen und
Festivals meist ebenfalls als erstes erwähnt. Seit vielen Jahren schon
streiten sich Politiker darüber, ob die Kultur mit der Erwähnung als
schützenswertes Gut im Grundgesetz nachhaltiger gefördert werden kann.«
(Ketterer in Das Parlament 15.06. 2009)
Diese Orientierung an einem eher ›engen‹ Kultur- als Sammelbegriff für
kulturelle Einrichtungen und deren Produktionen (»meritorische Güter«)
scheint dem Wortlaut zu entsprechen, der als Erweiterung des Artikels
20 des Grundgesetzes vorgesehen ist. Als Artikel 20b soll der Satz
hinzukommen: »Der Staat schützt und fördert die Kultur«. Der
Verfassungsrechtler Dieter Grimm hält einen solchen Zusatz für unnötig:
»Da der oberste verfassungsrechtliche Zielwert der Menschenwürde und
die auf ihn bezogene demokratische Herrschaft nur unter bestimmten
kulturellen Voraussetzungen realisierbar sind, erteilt das Grundgesetz
dem Staat auch ohne ausdrückliche Kulturstaatsklausel einen
Kulturauftrag« (Grimm 1984, 81). Allerdings soll dieses ›Staatsziel
Kultur‹ offenbar keine definierten und damit einklagbaren finanziellen
Verbindlichkeiten des Staates begründen. Aber gerade wenn der geplante
Grundgesetzzusatz nicht finanz-, sondern ›nur‹ kulturpolitisch gemeint
sein soll, erscheint die Frage umso dringlicher, was denn in diesem
Zusammenhang unter Kultur verstanden wird. Wenn die Kultur ein Ziel
sein soll, das erst erreicht werden muss, wie ist dann die gegenwärtige
Situation zu beschreiben? Hier kann von Beckers Feststellung helfen:
»Kultur ist [...] kein Ziel, sondern ein (dynamischer) Zustand« (Das
Parlament 22.02.2010).
Zunächst fällt auf, dass ›die Kultur‹, um deren gesetzlich verankerten
Schutz und Förderung es gehen soll, offenbar keine Urheber oder
Subjekte hat und damit auch nicht die Merkmale des ›Gemachtwerdens‹ und
›Gemachtseins‹, also des Entstehungsprozesses kennt, sondern ein
Konglomerat von Institutionen und vorhandenen materiellen Objekten
darstellt. Wird ein normativer Kulturbegriff – ›die Kultur‹ – zugrunde
gelegt? Sind die Dimension der Weltkultur(en) und das Phänomen der –
laut UNESCO 2005 – »kulturellen Vielfalt« als Globalisierungsfolge
berücksichtigt? Aufgrund welcher Parameter und von wem soll ›die
Kultur‹ definiert werden. Wird hier etwas vorausgesetzt, auf dessen
explizite Bestimmung verzichtet wird? Wird es Bereiche geben, die ›die
Kultur‹ ausschließt? Hat ›die Kultur‹, die staatlich geschützt und
gefördert wird, bestimmte Gegenleistungen zu erbringen? Was ist
überhaupt unter diesen Verpflichtungen des Staates zu verstehen und wie
soll deren Praxis aus- und eingelöst werden? Wer kann sich auf diese
Garantien berufen?
In seiner Rede zur Wiedereröffnung des Schiller Nationalmuseums an
Schillers Geburtstag (10. Nov. 2009) führt Bundespräsident Horst Köhler
in Marbach aus: »Kulturelle Bildung: das meint vor allen Dingen,
Menschen die Chance zur Teilhabe zu geben, zur Teilhabe an der Welt der
Kultur« (Tepasse in Das Parlament 16.11.2009). Was aber heißt »Chance
zur Teilhabe« und welche ›Welt welcher Kultur‹ ist gemeint? Wenn es
darum gehen soll, in der modernen Welt selbst kulturell handeln zu
können, können als »Chancen« Schuldbildung, Wertevermittlung,
berufliche Perspektive, Rechtssicherheit, Sicherung der Ernährung, der
medizinischen Versorgung, der Unversehrtheit des Lebens, angemessene
Wohnverhältnisse usw. gelten. Allerdings müssen diese Chancen auch
ergriffen werden können, damit dann ›kulturelle Teilhabe‹ möglich ist,
vor allem, wenn mit Kultur die ›hohe‹ Kultur gemeint ist. Groni
resümiert mehrere Untersuchungen: »Neben wirtschaftlichen und sozialen
Rechten haben kulturelle Rechte in den Augen vieler lediglich eine
Bedeutung als ›dekoratives Element‹. Kulturelle Rechte wurden
als›vernachlässigt, unterschätzt, fehlend oder vergessen‹ beschrieben«
(Groni 2008, 74).
Am selben Tag widmet der Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann,
seine Rede in der Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestags zur neuen
Legislaturperiode ebenfalls dem Thema Teilhabe an der Kultur, wobei er
deutlich macht, dass dieses Ziel vor allem über das Mittel kultureller
Bildung zu erreichen ist. Zugleich hebt Neumann den politischen und
gesellschaftlichen Rang der Kultur für eine »Kulturnation« hervor,
indem er seinen Ausführungen ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag
voranstellt: »Kunst und Kultur sind der Zukunftsmotor einer
Gesellschaft«. Damit begründet er, dass Kultur »im Rahmen der
Generaldebatte vor allen anderen Ressortbereichen« behandelt wird.
»Gerade in Zeiten der Globalisierung, gekennzeichnet durch zunehmende
Verunsicherung und Orientierungslosigkeit des Einzelnen, bedarf unsere
Gesellschaft eines tragfähigen, gemeinsamen geistigen Fundaments, und
dieses Fundament ist die Kultur. Die Kultur stiftet das Bewusstsein für
die eigene Geschichte. Sie schafft Zusammenhalt. Sie stiftet Werte und
Traditionen, die unser Land und unsere Gesellschaft für ein
menschliches Miteinander brauchen. Durch die Kultur entsteht gerade für
unsere Kinder und Jugendlichen jene Orientierung und Kreativität, die
uns lebenslang begleitet. [...] Ganz oben steht für mich die kulturelle
Bildung« (Neumann in Das Parlament 16.11.2009).
Neumann geht es um ›die eigene Kultur‹ und deren ausschließlich
konstruktive Funktionen (›gemeinsames geistiges Fundament, stiftet
Bewusstsein für eigene Geschichte, schafft Zusammenhalt, stiftet Werte
und Traditionen für ein menschliches Miteinander, lebenslang wirksame
Orientierung und Kreativität‹) als Gegengewicht gegen die
»Globalisierung« und deren ausschließlich destruktive Wirkungen
(»zunehmende Verunsicherung und Orientierungslosigkeit des Einzelnen«).
Als »geistiges Fundament« übernimmt ›die Kultur‹ – so Neumann – eine
Kompensationsfunktion für die Wirkungen der Globalisierung. Falls der
Prozess kultureller Bildung und sein Ergebnis, die Teilhabe an ›unserer
Kultur‹, prekäre Auswirkungen haben sollte, sind diese der
Globalisierung zuzuschreiben. Weil ›die Kultur‹ in der Globalisierung
schon einen ›äußeren‹ Gegenpol zu haben scheint, müssen konstitutive
Merkmale wie Reflexivität und Kritik an geltenden kulturellen
Orientierungen (Kulturkritik) nicht thematisiert werden. Entgegen dem
Augenschein ausdifferenzierter sozialer und kultureller Formationen
scheint ›die Kultur‹ – nach Neumann – inhaltlich und funktional
definiert zu sein, man weiß, was man von der Kultur erwarten kann und
was nicht; was dazu gehört und was nicht, gilt ein für alle Mal als
entschieden. Ziel kultureller Bildung kann demnach nur Akzeptanz und
Anerkennung dieses »tragfähigen Fundaments« sein. Das Reservoir an
Kulturgütern ist strukturell unhistorisch, Neues sichert die
Kontinuität der geltenden institutionellen Formen. Eindeutig wird ›die
Kultur‹ durch ihre repräsentative Funktion für das Eigene definiert,
obwohl es gerade Interessensegmente der eigenen Kultur sind, die für
die Öffnung zur Welt, die Perspektiven von Weltkultur, -gesellschaft,
-markt, -politik, -literatur oder eben der Globalisierung
verantwortlich sind. In seiner Studie über das »deutsche
Deutungsmuster« ›Bildung und Kultur‹ kommt Bollenbeck (1994) zu dem
Ergebnis, dass die »Geschichte des Deutungsmusters erledigt« sei, nicht
aber »die Idee der ›Bildung‹ und ›Kultur‹«. »Ob aber die Idee der
›Selbstbildung aller‹ und einer geglückten Identität obsolet ist, das
darf bezweifelt werden. Denn die Menschen machen nicht nur Erfahrungen,
sondern sie haben auch Erwartungen« (Bollenbeck 1994, 312). In der Tat
scheint die offenbar konstitutive Bedeutung der ›kulturellen Bildung‹
im aktuellen Kulturdiskurs Bollenbecks Perspektive Recht zu geben.
Vor allem seit dem 16. Jahrhundert setzt die interessenbedingte Öffnung
der Kulturen für Entdeckungen, die Produktion neuen Wissens, neue
Nahrungsmittel, Rohstoffe, technische Produktionsverfahren, Jagd- und
Kriegsformen, religiöse und kulturelle Praktiken usw. ein; damit machen
sich diese Kulturen zu osmotischen Systemen, die ständig gezielt
Anderes ins Eigene aufnehmen, dafür Eigenes abgeben und so zu je
besonderen Misch- oder Hybridformen mit hohem Unsicherheitsfaktor in
der Regelung kultureller und sozialer Geltungsansprüche diverser
Partialgruppen werden. Zugleich zeigt sich damit das Phänomen des
Kulturtransfers als konstitutiv für die Ausprägung des Kulturellen. »In
Wirklichkeit also begann die Globalisierung vor der Bildung von
Nationalstaaten« (Streeck 2004, 15). Diese erscheinen als
Reaktionen auf »Koordinierungs- und Integrationsprobleme« (Streeck
2004, 16) der frühen Globalisierung. So wie ökonomische Strukturen
können auch kulturelle Formationen darauf abzielen, sich zu
Monopolisten zu machen, d.h. anderes zu bieten als andere, sich zu
spezialisieren, indem sie neue Bedürfnisse in neuen Feldern
produzieren, während andere Formationen in konventionellen Bereichen
miteinander konkurrieren.
Der Sozialphilosoph Panajotis Kondylis spricht von »planetarischer
Politik«: »Das weltgeschichtliche Novum seit dem 16. Jh. bestand im
Aufkommen von Mächten, deren praktisch relevante Ökumene den ganzen
Planeten umfasste, deren Interessen sich also auf jeden Ort des
Planeten ausdehnten oder wenigstens ausdehnen konnten, falls die
Konkurrenz oder die Eigendynamik der Expansion dies erforderten.
Politik wird in dem Maße planetarisch, wie Entwicklungen an jedem
beliebigen Ort des Planeten die Kräfte und die Handlungsbereitschaft
von interessierten Mächten mobilisieren können – wie keine Entwicklung
und kein Ort von vornherein und auf immer als uninteressant für
bestimmte Mächte gelten können« (Kondylis 1992, 3). Als Folge dieser
Entwicklung entsteht im 20. Jahrhundert erstmals in der Geschichte eine
»Weltgesellschaft«, die sich »zur prinzipiellen Gleichheit ihrer
Mitglieder bekennt und ihnen die gleichen Rechte zuerkennt« (10). Die
aktuelle Bedeutung des Planetarischen sieht Kondylis in der Frage,
»welche Triebkräfte ausgerechnet heute Traditionen mobilisieren und
gegeneinander ins Feld führen« (19). Begründet sieht er diese
»Triebkräfte« in den planetarisch geltenden »massendemokratischen
Zielsetzungen« (19).
Angesichts der Globalisierung ist von einer fundamentalen Bedeutung der
Universalien auszugehen; da diese sich aber immer ›nur‹
kulturspezifisch ausprägen, besteht die kulturelle Alternative,
Universalien eher unter der Priorität des globalen oder des
eigenkulturellen Anspruchs zu behandeln. Überhaupt ist zu fragen, ob
noch angemessen von nationalen Kulturen zu sprechen ist oder ob
angesichts einer Vielzahl nationaler Ereignisse mit globalen oder
planetarischen Auswirkungen (Filmpreise, Nobelpreise, Streiks
nationaler Luftfahrtgesellschaften, Banken- und Unternehmenspleiten,
Staatsbankrotte) nur noch von Kulturen mit nationalem Schwerpunkt
gesprochen werden kann. Ungeachtet dieser Bedenken gilt als
Ausgangspunkt einer Theorie des Kulturellen noch immer, »dass das
Wirkliche Bedingung für das Mögliche ist« (Engelen 1999, 37). Am Anfang
stehen jeweils die eigenkulturellen Interessen.
Aufgrund von Globalisierungsprozessen und Veränderungen im Bereich
aktueller Kommunikationstechniken scheint sich die Möglichkeit
abzuzeichnen, dass ›universale Ereignisse‹ als Ergebnisse öffentlicher
Aushandlungsprozesse, als medial erzeugte Komplexe globaler
Aufmerksamkeit in Einzelkulturen sozial produktiv und geschichtsbildend
werden. Ob Banken- und Finanzkrise, Klimawandel und Pandemien,
Terrorismus und Piraterie, die Auswirkungen dieser empirischen
Phänomene betreffen in je kulturspezifischer Ausprägung die meisten
Gesellschaften. Hier könnte ein grundsätzlicher Wandel des bisher
geltenden Kausalverhältnisses von kulturspezifischer Ausgangshandlung
und universalem Ereignis ausgemacht werden: Priorität hat das
universale Ereignis, das dann seinen Platz in den Einzelgesellschaften
findet. Dadurch sind diese miteinander vernetzt, was als Zeichen
globaler kultureller Dynamik gelten und zum Abbau kultureller Differenz
führen kann. Für das Kulturelle jener Gesellschaften, die von dieser
Dynamik ausgeschlossen sind, weil sie von universalen Ereignissen nicht
betroffen sind, liegt die Vermutung einer fundamentalen Distanz zur
Moderne nahe.
Damit gehören auch Verfahren des›Kulturenvergleichs‹ (Schweizer 1978,
Srubar/Renn/Wenzel 2005, Lutz/Missfelder/Renz 2006) zur Theorie
kulturellen Handelns; einzubeziehen in die Komparatistik des
Kulturellen sind Formen kulturellen Handelns von Einheimischen und
Personen mit Migrationshintergrund, wobei die Gegebenheiten in den
Herkunftsländern ebenso zu berücksichtigen sind wie – unter
methodischem Aspekt – das Phänomen der kulturellen Diaspora.
Saskia Sassen hat es unternommen, »das Nationale als einen
entscheidenden Schauplatz für die Erforschung und das Verständnis des
Globalen zu erschließen. [...] Die epochale Transformation, die wir
Globalisierung nennen, findet in einem weit größeren Maße, als
gewöhnlich anerkannt wird, innerhalb des Nationalen statt« (Sassen
2008, 9, 17). Zu nennen sind z.B. übernationale Institutionen,
Phänomene der digitalen Kultur, wirtschaftliche, finanz- und
klimapolitische sowie militärische Verflechtungen. Aus Sassens Analyse
folgt, dass die moderne Kultur, die die Globalisierung ermöglicht hat,
nun als Remedium gegen deren Wirkungen eingesetzt werden soll.
Gegen die Eingrenzung der Vielfalt des Kulturellen im programmatischen
Rahmen einer nationalen Kultur und ihrer Institutionen stehen
allerdings jene Möglichkeiten kultureller Selbstbestimmung, die durch
moderne Kommunikationstechniken erstmals angeboten werden. Dieses
festzustellen ist daher keineswegs eine »Banalität«, wie Kondylis noch
1992 in Bezug auf Diagnosen einer kleiner werdenden Welt durch
»Telekommunikation« (Kondylis 1992, 5) behauptete. Denn angesichts von
Echtzeit-Internet, täglich 24stündiger kommunikativer Begleitung oder
Kontrolle eines ›Freundes‹ und des Aufbaus eines unübersehbaren Netzes
virtueller Freundschaftsbeziehungen mittels Facebook verändern sich
jene traditionellen Lebensformen grundlegend, die auf direkter
Kommunikation und produktiver Muße in Einsamkeit beruhen (vgl. Kuhn in
SZ 18.02.2010). Auch ist ein Bedeutungswandel der Begriffe Freund /
Freundschaft festzustellen: Persönliche Beziehungen werden durch
öffentliche Kommunikationsformen zwischen Partnern ersetzt, die nur je
virtuelle Identitäten mitbringen. Außerdem wird die Qualität von
Freundschaft durch die Quantität der ›Freunde‹ ersetzt, von deren
möglichst hoher Zahl der einzelne ›Freund‹ einen Gewinn an symbolischem
Kapital für sich erwartet. Grundsätzlich ist die Integration des
kommunikativen Handlungsprozesses aus digitaler Selbstdarstellung und
der Anerkennung je anderer digitaler Selbstpräsentationen in ›die
Kultur‹ nicht möglich. Auf diese Weise kann eine große Zahl voneinander
getrennter ›Freundschaftsnetze‹ entstehen, über deren kulturellen
Anspruch nur schwer zu urteilen sein wird. Auch entwertet eine so
weitgehende Fragmentierung Begriffe politischer (konservativ, liberal,
sozial, reformorentiert usw.) und kultureller (progressiv,
revolutionär, avantgardistisch usw.) Zuordnung; Kondylis (1992, 91)
spricht in diesem Zusammenhang von der »Antiquiertheit der politischen
Begriffe«. Um ökonomischen Interessen am Urheberrecht angesichts kaum
begrenzter Möglichkeiten des ›Herunterladens‹ und neuen Mischens zu
genügen, schlägt Gerd Hansen im Interview eine »offene Kultur« vor.
»In einer offenen Kultur findet eine breitest mögliche Partizipation
Aller am Prozess und an den Resultaten kreativen Schaffens statt.
Voraussetzung dafür ist, dass Urheber vergütet werden und zugleich aber
der Schutz nicht so weit ausgedehnt wird, dass dadurch kreatives
Schaffen Dritter verhindert wird. Es geht daher um eine Kultur, in der
möglichst viele Werknutzungen zustimmungsfrei, aber vergütungspflichtig
sind. Leitbild einer solchen offenen Kultur ist für mich neben dem
Urheber der aktive und selbstbestimmte Nutzer, der die im Zuge der
digitalen Revolution freigesetzten Möglichkeiten kreativ ausschöpft.«
(von Gehlen in SZ 03.09.2009)
Es geht um den Gewinn der ›ersten Urheber‹ aus ihren Hervorbringungen
gegenüber den digitalen Profiteuren, die »Remixing, Sampling oder Mash
Ups« (von Gehlen in SZ 03.11.2009) als Neuschöpfungen ausgeben. Mit
diesen Formen ändert sich auch der Begriff des Urhebers, was am ›Fall‹
der ›Plagiatorin‹ Helene Hegemann abzulesen ist.
Auch die digitalen Formen der Weltwahrnehmung, -speicherung und
–veränderung sind aus authentischen Kulturen hervorgegangen, die sie
nun zu bedrohen scheinen. Unter dem Titel »Unsere Kultur ist in Gefahr«
plädiert Roland Reuß für die Publikation in materialer Form gegen
digitale (online-) Veröffentlichungen. »Worum es geht, ist der Respekt
vor der unverwechselbaren Arbeit des Einzelnen, die durch geltendes
Recht geschützt wird. Auf diesem Respekt vor selbstbestimmter kreativer
Leistung beruht die Vielfalt des kulturellen Lebens« (Reuß in FAZ
25.04.2009). Digitale Veröffentlichungen nehmen – so Reuß – dem
Kulturellen seine Gegenständlichkeit und direkte sinnliche
Zugänglichkeit durch Berühren, Riechen und Schmecken.
Gegen »Prestigekultur« in der Form »repräsentative[r]
Leuchtturmprojekte« wendet sich die Abgeordnete Agnes Krumwiede
(Bündnis 90/Die Grünen). Dagegen fordert sie die Förderung von
»Subkultur, freie[n] künstlerische[n] Entfaltungsmöglichkeiten«, aber
auch des »hochsubventionierten Opernbetrieb[s]«. »Wir brauchen ein
neues Denken, neue Denkansätze, die von Fantasie und Individualität
geprägt sind. Dabei kann uns die Kultur helfen. Über Kultur
identifiziert sich der Mensch mit sich und seiner Umwelt. [...]
Kulturelle Bildung kann ein Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe
sein«. Allerdings bekennt sie als Abschluss dieser anspruchsvollen
Programmatik: »Es fehlt nur (!) an der Umsetzung« (Krumwiede in Das
Parlament 16.11.2009). Schuldig bleibt Krumwiede die Erläuterung
dessen, was sie unter ›neuem Denken‹ und ›neuen Denkansätzen‹ versteht.
Die Abgeordnete Lukrezia Jochimsen (Die Linke) vermisst das im Sommer
2009 im Bundestag diskutierte Thema ›Staatsziel Kultur‹ im
Koalitionsvertrag der neuen Regierung (Das Parlament 16.11.2009). Im
kulturpolitischen Teil der Bundestagsdebatte vom 20. 01. 2010 werden
diese Positionen bekräftigt, Redner aller Parteien plädieren für den
Verzicht auf Kürzungen im Kulturbereich. Die Beilage ›Aus Politik und
Zeitgeschichte‹ vom 02.11. 2009 ist dem Thema ›Bildungspolitik‹
gewidmet. Auch in der Beilage vom 16.11. 2009 zum Thema ›Soziale
Gerechtigkeit‹ hat kulturelle Bildung ihren Platz, ein Beitrag trägt
den programmatischen Titel ›Sozialer Zusammenhalt und kulturelle
Bildung‹. Die Ausgabe von ›Das Parlament‹ vom 22.02. 2010 ist dem
Schwerpunkt ›Kulturpolitik‹ gewidmet und dokumentiert noch einmal die
bekannten kulturpolitischen Positionen der Bundestagsparteien sowie
zentrale Aspekte, die die Kultur im Sinne eines »meritorischen Gutes«
betreffen (Objektkultur): Kürzungen in kommunalen Kulturetats,
Bundeskulturstiftung, Förderung kultureller Projekte Gedenkstätten,
Kulturflatrate, Kultur- und Kreativwirtschaft, Sponsoring und
Mäzenatentum, Urheberrecht. In folgenden Aspekten stimmen diese
Verlautbarungen überein und repräsentieren damit eine politische
Mehrheit im kulturellen Diskurs.
- Kultur umfasst sozial legitimierte
Bildungsgegenstände, an denen der Einzelne durch seine kulturelle
Bildung teilhaben oder teilnehmen kann und soll.
- Kultur zeichnet sich durch weitgehende
Homogenität ihrer Angebote, Institutionen und Handlungsmöglichkeiten
aus.
- Kultur bezeichnet einen ausschließlich
positiv konnotierten sozialen Handlungsbereich, der dem Einzelnen
soziale Orientierung und Identität vermitteln soll, wenn dieser durch
Akzeptanz daran teilhat.
- Prioritär für die Kommunikation von
Kultur im politischen Feld ist das Merkmal der Bewahrung; Aspekte wie
Dynamik, Kulturwandel, Alternativik, Anti-, Gegen- und Patchworkkultur
spielen allenfalls eine untergeordnete Rolle.
- Zugrunde gelegt wird ein eher
normativer Begriff von Kultur.
Immer wieder wird in kulturpolitischen Kommentaren der am 11.12. 2007
vorgelegte
Schlussbericht
der Enquete-Kommission ›Kultur in
Deutschland‹ erwähnt, der von der »Infrastruktur der
kulturellen
Bildung« (Theater, Museen, Bibliotheken, Archive,
Bildungseinrichtungen, Konzerthäuser, Parks, Kirchen, Musikschulen
usw.), also den »meritorischen Gütern«, spricht:
»Kultur ist als ›öffentliches Gut‹ anzusehen, für das eine öffentliche
Verantwortung besteht. Dies gilt in besonderer Weise für die
Infrastruktur der kulturellen Bildung. Der öffentliche Auftrag zum
Aufbau und Erhalt einer Infrastruktur der kulturellen Bildung bedarf
aktiven staatlichen und kommunalen Handelns. Förderleistungen in diesem
Bereich liegen im ›öffentlichen Interesse‹« (Schlussbericht 2007, 381).
Damit bestätigt der
Schlussbericht
Kultur als Verfahren und Ergebnis,
aber er gibt kein Subjekt dieses Verfahrens an: »Kulturelle Bildung ist
immer auch politisch-historische Bildung im Sinne eines Verständnisses
von Kultur als Interpretation gesellschaftlicher Entwicklung mit
Mitteln der Kunst und Kultur« (Schlussbericht 2007, 391). Zu ergänzen
ist, dass kulturelles Handeln in seiner Struktur von Angebot und
Anerkennung (Nachfrage) deshalb politisch ist, weil es auf Zustimmung
durch eine Mehrheit, zumindest eine qualifizierte Minderheit angelegt
ist. Welche Mittel und Richtungen der Kunst sind im
Schlussbericht
gemeint, welche darüber hinaus gehenden Bereiche der Kultur sollen
berücksichtigt werden? Wie soll kulturelle Bildung angeeignet werden?
Ist die »Infrastruktur der kulturellen Bildung« an jene konventionellen
Räume gebunden, die üblicherweise als kulturelle definiert sind und von
den Räumen des Alltags funktional abgegrenzt werden? Was die meisten
tun, um die Anerkennung ihrer Referenzpartner zu erhalten, nämlich
Angebote der Selbstgestaltung im privaten Bereich, in Vereinen,
Kirchengemeinden und sozialen Einrichtungen vorzulegen, findet im
kulturellen Diskurs zumeist keine Aufmerksamkeit. Haben diese Angebote
allerdings eine Weltformung zur Folge, die sich gegen die einer
kulturellen Institution richtet, ist ihnen mediale Aufmerksamkeit
sicher.
Letztlich gilt in allen diesen Verlautbarungen politischer
Funktionsträger nicht das Kulturelle als aktuell, notwendig und
unverzichtbar, sondern die Kultur als geschlossener Bereich
kanonisierter Kunstwerke, deren Kenntnis vermittelt werden soll. An
diesen Produkten können alle teilhaben, indem sie ins Theater oder
Konzert gehen, ein Buch lesen oder ein Bild im Museum betrachten. Die
zitierten Politiker beziehen Kultur auf eine Vielzahl durch Tradition
gesicherter – vor allem künstlerischer – Gestaltungs- und
Ausdrucksformen, für die bestimmte Institutionen zuständig sind. Für
diesen objekt- und situationsgebundenen Kulturbegriff ist es offenbar
unerheblich, dass die Dimension der Produzenten, Mäzene und Akteure
zumindest nicht ausdrücklich berücksichtigt wird. Kultur und
Kulturgüter – so sagen es die Belege – sind immer schon, sie sind das,
was in den Institutionen angeboten wird; dass Geltungs- und
Gültigkeitsansprüche von Kulturbeständen zuvor rituell ausgehandelt
werden müssen, ist für die Instrumentalisierung der Kultur zur
tendenziell homogenen Sinnstiftung und Orientierung offenbar ohne
Belang. Wenn aber dieser Begriff von Kultur die Dimension der
Aushandlung oder des Agons zwischen Auslegungsangeboten nicht umfasst,
dann können die Adressaten der Kultur mangels Wahlmöglichkeit zwischen
mehreren Angeboten keine Akteure der Selbstformung werden. Weder ist
reziprokes kulturelles Handeln vorgesehen, noch gilt ›die Kultur‹ als
sozialer Gestaltungs-, Ausdrucks- und Verständigungsraum für kulturelle
Handlungsangebote Einzelner. So scheint Objektkultur auch dann zu
existieren, wenn niemand Notiz von ihr nimmt.
Als Schwierigkeiten beim Gebrauch des Kulturbegriffs werden immer
wieder dessen semantische Vagheit und Unschärfe sowie dessen
inflationäre Verwendung erwähnt. So sei »dieser Begriff schwer greifbar
und damit konfliktträchtig. [...] Andererseits kommt man offensichtlich
bei der Erklärung politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und
anderer Gegebenheiten ohne den Begriff ›Kultur‹ nicht aus« (von
Laer/Scheer 2004, 7). Eagleton gibt dem Bedeutungszuwachs von ›Kultur‹
im 20. Jahrhundert den Rang eines Jahrhundertphänomens.
»Einer der bemerkenswertesten Aspekte des vergangenen Jahrhunderts war
eine ungeheure Inflation der Bedeutung von Kultur. Solange Kultur sich
auf Bach und Balzac beschränkte, vermochte sie die Gesellschaft
insgesamt nur wenig zu prägen. Zu eindeutig war ein Betätigungsfeld für
Spezialisten, die eine zu kleine Minderheit ausmachten. Statt
nennenswerten sozialen Einfluss auszuüben, bot sie all jenen eine
Zufluchtsstätte vor der modernen Gesellschaft, für die diese geistig
abgewirtschaftet hatte. Die Kultur stand für eine Welt des absoluten
Werts.« (Eagleton in Die Zeit, 20. 08. 2009)
Vor allem durch die Erfindung der »Kulturindustrie« (Th.W. Adorno) habe
sich – so Eagleton – Kultur aus ihrer Bindung an zumeist öffentlich
geförderte kulturelle Einrichtungen (»meritorische Güter«) und
Bildungsinstitutionen befreit und diene zur Bezeichnung von
»Lebensform[en]« und – so ist hinzuzufügen – von individuell
zusammengestellten Lebensstilen und Milieus. Wenn Eagleton darauf
hinweist, dass ›Kultur‹ in nichtwestlichen Kulturen zur Begründung
»politischer Forderungen« gebraucht und »zum Kampfbegriff verkommen«
sei, so scheint er in dieser Funktionalisierung die Differenzmarkierung
zur westlichen Kultur zu sehen. Obwohl damit verhindert werden soll,
dass die westlichen kulturellen Werte des Projekts Aufklärung in ihrer
Ausprägung als Menschenrechte als Universalien durchgesetzt werden,
zeigt gerade diese Konfliktkonstellation dennoch die offenbar nicht
hintergehbare Geltung des westlichen Konzepts ›Kultur‹ als Rahmen auch
jener kulturellen oder ethnischen Identitäten, die gegen die westlichen
Werte gerichtet sind.
In rezenten wissenschaftlichen Arbeiten wird Kultur nicht selten als
Gesamtheit von Einzelphänomenen, seien dies Hervorbringungen, Objekte
oder Äußerungen, definiert (zum Forschungsbereich Kulturtheorie vgl.
Fuchs 2008). So heißt es bei Schnell (2000, 267), Kultur sei »die
Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen und Artikulationen, also
seiner historischen, individuellen und gemeinschaftlichen, praktischen,
ästhetischen und theoretischen sowie mythischen und religiösen
Äußerungen«. Zur Kultur gehören demnach abgeschlossene Werke, Objekte,
Denkbilder, Mythen und Verlautbarungen. In eine ähnliche Richtung
scheint die Definition von Schildt/Siegfried (2009, 13) zu weisen, die
Kultur als »Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen,
intellektuellen und emotionalen Eigenschaften, die eine Gesellschaft
kennzeichnen«, vorstellt. Wegen der Unschärfe des Begriffs
›Eigenschaften einer Gesellschaft‹ scheint diese Definition allerdings
kaum operationalisierbar zu sein. Insgesamt bleibt bei diesen
Definitionen offen, ob die »Gesamtheit« als Addition von
Einzelphänomenen oder als qualitative Einheit gemeint ist, die
voraussetzt, dass wertbezogene Parameter als Zuordnungskriterien
definiert und wirksam werden, was grundsätzlich auch einen Bereich
nicht zugehöriger Phänomene konstituiert. Ebenso wird der
Vollständigkeitsgrad der gemeinten Gesamtheit nicht festgelegt. Auch
machen jene Studien, die einen weiten Kulturbegriff zugrunde legen, in
der Regel nicht wirklich Ernst mit den damit implizierten
Möglichkeiten; denn auch sie beschränken sich zumeist auf die
fächergebundene Geschichte von Konzeptionen des Kulturbegriffs oder auf
entsprechende Verlautbarungen von Schriftstellern und Intellektuellen.
Dagegen findet der kulturell organisierte Alltag kaum Beachtung.
Gemeint sind die Bereiche von Fest, Aktualität, Bildungschancen als
integrale Bestandteile von Kultur. Auch ist es nicht möglich, eine
›Gesamtheit‹ des Kulturellen zu bilanzieren; vielmehr gilt für Studien
zum Kulturellen die Feststellung Burkards (2004, 11): »Die Frage ist
nicht, was Kultur ist, sondern was sie ist, wenn wir sie untersuchen,
beschreiben, verstehen, also Aussagen über sie machen. Was immer Kultur
sein mag, sie ist gegeben in jenem Bedeutungsgewebe, das der
Kulturwissenschaftler, -philosoph, Ethnologe oder jeder andere
Interpret erzeugt.«
Noch weiter als Schildt/Siegfried legt Groni (2008, 176) seine
Bestimmung des Kulturbegriffs an: »Kultur im Sinne dieser Arbeit wird
[...] als der Inbegriff aller Lebensweisen und ihrer Manifestationen
verstanden, die nicht eindeutig und offensichtlich gegen die Rechte der
universellen Menschenrechtsübereinkommen verstoßen«. Zu einem ähnlich
umfassenden Ergebnis des Umfangs von Kultur kommt Eagleton (2007, 182):
»Kultur ist nicht nur das, wovon wir leben. In erheblichem Maße ist es
auch das, wofür wir leben. Liebe, Beziehung, Erinnerung,
Verwandtschaft, Heimat, Gemeinschaft, emotionale Erfüllung, geistiges
Vergnügen, das Gefühl einer letzten Sinnhaftigkeit« gehören demnach zur
Kultur. Ausdrücklich begründet Groni seinen »umfassenden Kulturbegriff«
mit der anthropologischen Dimension seiner Untersuchung von »Kultur als
Menschenrecht«; daher könne »Kultur als eurozentrisches Konstrukt nicht
allein Inhalt eines Rechts
mit universellem Geltungsanspruch sein. Auch eine Betrachtung im Lichte
der kulturellen Identität verweist deutlich auf einen umfassenden
Kulturbegriff. Es zeigt sich, dass das Recht auf Teilnahme am
kulturellen Leben nicht als ein Instrument der Kulturpolitik
missverstanden werden darf, sondern ihr als Menschenrecht voraus
liegt.«
(Groni 2008, 166/67)
Weil die vorgestellten Definitionen und situativen Äußerungen
übersehen, dass ›Zugehörigkeit‹ – hier zur Kultur bzw. zum Kulturellen
– grundsätzlich das Ergebnis eines Anerkennungsprozesses ist, verkürzen
sie das Kulturelle um eine Ereignis-, Handlungs- oder
Interaktivitätsdimension.
3. Kulturelles Handeln
Wer sich forschungstheoretisch und –praktisch mit dem
gesellschaftlichen Bereich der Kultur beschäftigt, hat von vornherein
deren Alleinstellungsmerkmal in der westlichen Tradition zu
berücksichtigen. So ist ausschließlich dem Konzept der Kultur bzw. dem
Komplex des Kulturellen, nicht aber den Begriffen Religion und Arbeit,
die Funktion einer umfassenden Synthese-, Koordinierungs- oder
Rahmenkategorie zur Integration und Differenzmarkierung politischer,
nationaler, ethnischer, generationen-, produktions- und
kommunikationsspezifischer Einheiten zugeschrieben worden.
Religion konnte in der westlichen Tradition nicht als
Integrationsbegriff durchgesetzt werden, weil im antiken Griechenland
eine Vielzahl lokaler und regionaler selbständiger Kulte überliefert
ist, die als orale Religionen über kein heiliges Buch verfügen und von
denen daher kein nachhaltiger Integrationseffekt etwa im Sinne des
Missionsgedankens ausgeht. Dagegen ist eine entwickelte Religion auf
die Erhaltung ihres dogmatischen Glaubenssystems ausgerichtet, was
Offenheit, Akzeptanz und Toleranz gegenüber Andersgläubigen eher
ausschließt. Zur Religion gehört die disintegrative
entweder-oder-Struktur.
Einer synthetisierenden Funktion des Begriffs Arbeit steht im antiken
Griechenland die soziale Empirie entgegen: Während die Erledigung der
öffentlichen, d.h. politischen Aufgaben, Vorrecht der griechischen
Oberschicht ist, wird die körperliche Arbeit Sklaven und
Unterschichtangehörigen übertragen, die überdies miteinander
konkurrieren müssen. Ein Beitrag über die aktuelle Bedeutung von Arbeit
kommt dagegen z folgendem Ergebnis: »Arbeit scheint der wichtigste Wert
der Gegenwart zu sein – entweder man hat sie oder man hat sie nicht.
[...] Man fällt, wenn man nicht gewaltige Gegenkräfte zu mobilisieren
versteht, ohne Arbeit aus den Zusammenhängen der Welt heraus. Nur durch
Arbeit vermittelt sich der Mensch dem Menschen, nur durch Arbeit gehört
er der Gesellschaft an und findet seinen Platz darin. Ohne Arbeit geht
er nicht müßig, [...] sondern er leert sich aus und gerät in die
Isolation. Der Mensch ohne Arbeit ist der Mensch ohne Sinn« (Müller in
SZ 21./22.11.2009). Wie ist dagegen die ordnungskonstitutive Funktion
des Konzepts Kultur zu erklären?
Das lateinische Etymon
cultura
bezeichnet ursprünglich die körperliche,
im Jahreszeitenzyklus regelmäßig wiederholte Tätigkeit der ›Pflege‹
oder ›Bearbeitung‹ landwirtschaftlicher Nutzflächen, um so deren
Erträge zu steigern. Diese Steigerung der Produktivität nützt dem
einzelnen Landwirt ökonomisch und symbolisch (Zugewinn an Vermögen,
Ansehen, Einfluss und Geltung), aber auch seiner Bezugsgesellschaft,
indem deren Bedarfsdeckung gesichert wird. So umfasst
cultura die
semantischen Aspekte des regelmäßigen Handlungsprozesses und dessen
Ergebnis, das in der Wert steigernden Transformation des
Bearbeitungsobjekts sowie in der sozialen Anerkennung dessen besteht,
der diese Ertragssteigerung bewirkt. Die als
cultura bekannten
Tätigkeiten konnotieren positive Wertzuschreibungen.
»Das Verbum
colere,
von dem
cultura
abgeleitet ist, verweist auf den
Bereich des Ackerbaus und des Wohnens, also auf die Sesshaftigkeit des
Menschen, auf die Achtung und Einhaltung der Normen, die menschliches
Zusammenleben möglich machen, auf die Pflege der zwischenmenschlichen
Beziehungen und schließlich auf die Verehrung der Götter, also auf die
Religion: alles wesentliche Elemente dessen, was wir Kultur nennen oder
Grundlagen der Kultur.« (Dalfen 1984, 24)
Wenn Cicero den Begriff auf intellektuelle Handlungsprozesse und
Objekte
(cultura animi)
bezieht, ihn auf symbolische Handlungen
ausrichtet, so gelten auch hier die schon bekannten Bedeutungssegmente
wie regelmäßiger und kontinuierlicher Einsatz und dessen Ergebnis,
soziale Anerkennung und Reputationssteigerung dessen, der ›cultura‹
betreibt oder sich gemäß dem kulturellen Pflichtenkanon verhält. Als
entscheidend für die gesellschaftliche Durchsetzung des Konzepts Kultur
scheint die Möglichkeit zu gelten, dass sich ein Individual- oder
Kollektivsubjekt mittels kulturellem Handeln in Bezug auf Identität,
Selbstwert und soziale Geltung (Ansehen, Einfluss,
Kompetenzzuschreibung) machen kann, dass die ›Selbstmachung‹ des
Subjekts von vornherein als reziproke soziale Handlung und damit als
›Weltmachung‹ angelegt ist.
Das Subjekt macht einer bestimmten Adressatengruppe, die über
angemessenes ›symbolisches Kapital‹ (Bourdieu) verfügt
(Repräsentanzfunktion sozialer Werte) oder zu deren Erwerb geeignet
erscheint, öffentlich ein Angebot, etwa in Form einer Preisstiftung,
-verleihung oder der Subvention eines Bauvorhabens. Ein weiteres
Beispiel ist die Vorlage des Manuskripts eines unbekannten Verfassers
bei einem bekannten Verlag. Damit das Subjekt seine Selbstmachung
verwirklichen kann, sollte dieses Angebot von allen Referenzpartnern
angenommen, d.h. anerkannt und medial vermittelt werden. Kommt es zur
Preisverleihung, zur Eröffnung und Nutzung des Gebäudes oder zur
Annahme und Veröffentlichung des Manuskripts, kann dies dauerhaften
Imagegewinn für das Subjekt und den jeweiligen Preisträger, die Nutzer
des Gebäudes und den zum Autor gemachten Verfasser bedeuten. Damit
kulturelles Handeln in dieser Form ablaufen und ein kulturelles
Ereignis bewirken kann, müssen Aspekte wie Bearbeitung, Aushandlung,
Wiederholung, Erinnerung, Regelmäßigkeit, Wiedererkennen,
Zukunftsperspektive beteiligt sein. »Kultur hat etwas mit Pflege zu
tun, mit wiederholter Hinwendung zu Personen, Sachen und Ideen. Es sind
nicht die Ideen, Sachen und Personen, die Kultur ausmachen, sondern die
wiederholte Hinwendung zu ihnen« (Pross in SZ 29./30.04./01.05.1978).
Jeder Form von kultureller Anerkennung, die der Preis für eine
vorhergehende Leistung oder einen Einsatz ist, geht stets das Phänomen
der sozialen Aufmerksamkeit voraus; Anerkennung kann sowohl der
Einhaltung des kulturell Wünschenswerten, dessen Erweiterung durch neue
Themen, Konzepte, Personen als auch einem Verstoß dagegen zuteil
werden. Obwohl ein Tabubruch oder gar ein Skandal besonders viel
soziale Aufmerksamkeit einbringen, ist nicht davon auszugehen, dass
diese immer in die Währung der positiven Anerkennung (Integration)
transferierbar ist. Weil beide, positive und negative (Exklusion)
Anerkennung eine Beziehung zwischen Subjekt und Referenzpartner
darstellen, können sie beide die Aufnahme ins kollektive Gedächtnis
einer Formation oder auch in ein fachspezifisches Erinnerungssystem
bewirken.
Die Handlungssegmente Angebot (Subjekt), Aushandlung (Subjekt,
Referenzpartner), Anerkennung (Referenzpartner) des Angebots mit dessen
praktischer Umsetzung oder Aufführung können als Ergebnis die
Selbstmachung des Subjekts und die Machung des Referenzpartners
bewirken. Als deskriptiver und faktorieller Begriff stellt das
Kulturelle ein Verfahren zur Gewinnung sozialer Anerkennung für
individuelle und kollektive Lebensformen und institutionelle
Programmatiken dar, wobei zunächst kein bestimmter Inhalt verlangt
wird. Zur stereotypen Ineinssetzung von Verfahren und bestimmten
Inhalten in der normativ geprägten Begriffsbildung ›die Kultur‹ kommt
es erst, nachdem das Verfahren für immer die gleichen Inhalte
angewendet worden ist. Prioritär für die Rede vom Kulturellen bleibt
der soziale Handlungscharakter, d.h. die Dreigliedrigkeit von
subjektivem Handlungsangebot, sozialer Aufmerksamkeit und Aushandlung
sowie Anerkennung. Diese funktioniert nach der sozialen Grundform des
›Gabentauschs‹ (Marcel Mauss).
Wenn sich ein Subjekt (Einzelner, Kollektiv) durch kulturelles Handeln
seine Lebensform macht, indem es anderen etwas anbietet (Gabe), wofür
diese es durch ihre Aufmerksamkeit und Anerkennung belohnen
(Gegengabe), woraufhin das Subjekt mit besonderer Anstrengung die
Anerkennung durch die Anderen zu rechtfertigen versucht (Erwiderung),
dann stellt das Kulturelle den Ordnungsrahmen für Grundbedürfnisse
menschlichen Zusammenlebens dar. Weil Grundbedürfnisse korporal
angelegt, also nicht kulturell gemacht sind, weil sie jeden einzelnen
Menschen betreffen, wie z.B. Ernährung, Gesundheit, Sicherheit,
Reproduktion, Identität und kulturelle Orientierung, Wohnen,
Soziabilität, Kommunikation, Erinnerung, Gastlichkeit und Religiosität,
handelt es sich dabei um universale Gegebenheiten. Selbstverständlich
prägen sie sich ausschließlich kulturspezifisch aus und werden
kulturspezifisch befriedigt, häufig in rituellen oder ritualisierten
Formen, d.h. das Rituelle generiert seine Form des Sozialen. Hier liegt
ein Einfallstor des Kulturellen, denn dieses kann Formen von
Körperdesign und Speisemoden vorgeben, die dann das Körperbild prägen
(man ist, was man isst).
Demnach ist leben ohne kulturellen Rahmen nicht möglich, leben
bedeutet, kulturell zu handeln, d.h. sich und seine Situation zu
machen. Auszugehen ist nicht von »Kultur als Möglichkeit« (Badura 2004,
20), sondern vom Kulturellen als Raum der Möglichkeiten für
Selbstformung als Weltformung. Das Kulturelle steht also für den
unvermeidlichen Prozess des Machens oder Herstellens und dessen
Ergebnis, das Gemachte oder das Produkt. Diese Bedeutung teilt es mit
der des griechischen Wortes bios: »Leben ist, worauf wir Einfluss haben
– das wäre in etwa die Definition dessen, was im Griechischen
bios
heißt« (Konersmann 2007, 7). Zum einen folgt daraus, dass das
Kulturelle ein »soziales Totalphänomen« (Marcel Mauss) darstellt, das
allen gesellschaftlichen Feldern voraus liegt bzw. diese unterfüttert
und daher nicht vom Alltag als dem Anderen zu trennen ist. Adelung
(1774, 2) wertet die »Geschichte der Cultur als Fundament aller anderen
Arten der Geschichte«. Zum andern findet der Mensch immer schon eine
kulturelle Ordnung vor, kulturelles Handeln des Akteurs vollzieht sich
auf der Basis gültiger sozialer und kultureller Strukturen bzw. im
Rahmen des jeweiligen ›Habitus‹ (Bourdieu). Begründet in den sozialen
Voraussetzungen ist das Routine-Handeln, das als kulturelles Handeln
eher geltende Standards bestätigt als neue einzuführen versucht.
Exemplarisch hat Bourdieu Auswirkungen von intentionalem und sozialem
kulturellen Handeln zum Gegenstand seiner Untersuchung ›Die feinen
Unterschiede‹ gemacht.
Forschungspraktisch bedeutet das, dass die Untersuchung eines
Einzelphänomens nicht ohne Berücksichtigung seines Kontexts möglich
ist. So gehört etwa zur Literaturgeschichte auch die Geschichte der
Machung von Text und Autor, also die performative Dimension. Insofern
stellt das Kulturelle einen Deutungs- und
Vergemeinschaftungszusammenhang dar, in dem es zur wechselseitigen
Prägung von Einzelnem und seinem Bezugskollektiv kommt. Der Mensch
macht sich, indem er kulturell handelt, was zunächst bedeutet, zwischen
mindestens zwei Möglichkeiten wählen zu können. Insofern setzt
kulturelles Handeln die Wahrnehmung von Alternativen voraus, was stets
eine Kosten-Nutzen-Bilanzierung und eine selbstreflexive Phase
einschließt. Maßstab jeder Entscheidung ist der größtmögliche Gewinn an
– mit Bourdieu – ökonomischem, symbolischem, sozialem oder kulturellem
Kapital für die eigene Position. Da das Kulturelle sich durch die
Existenz von Alternativen definiert, kann es nur tendenziell einsinnig
sein, jedes explizite Gebot, jede Entscheidung ist zugleich Hinweis auf
die verworfene Alternative.
3.1 Der ›Sündenfall‹ als
›Machung‹ des Kulturellen
So markiert in der biblischen Paradiesgeschichte die realisierte
Möglichkeit, den Apfel zu verzehren, die Entstehung des Kulturellen aus
dem korporal angelegten Grundbedürfnis nach Selbstkenntnis als Folge
des erstmals möglich gewordenen reflexiven Handelns als sozialem
Handeln. Möglich wird dies durch die programmatischen Alternativen,
verkörpert durch die Schlange und Gott. Diese Konstellation kann als
schon bestehende kulturelle Situation gelten, die Eva und Adam
vorfinden und in der sie ihre Entscheidung aushandeln müssen. Bis dahin
lebten sie im kulturlosen Zustand des Paradieses. Im kulturellen
Handeln macht sich das Subjekt, indem es etwas oder jemanden macht,
d.h. diese ins eigene Kulturelle integriert oder davon ausschließt, in
jedem Fall an sich und seine Geschichte bindet.
Damit kulturelles Handeln möglich wird, ist das Subjekt auf eine
materiale oder personale Referenz als ›Mitspieler‹ angewiesen, die
dieses Handeln durch ihre Anerkennung legitimiert. Zu geschichtlichen
Wesen machen sich Eva und Adam dadurch, dass sie das Angebot der
Schlange annehmen und den Apfel verzehren; zugleich machen sie auf
diese Weise die programmatischen Gegenspieler Schlange und Gott zu
ständigen Alternativen im Kulturellen. Sie machen sich zu kulturellen
Wesen, indem sie die Hierarchie zwischen Gott und Schlange etablieren,
wofür sie die Aufmerksamkeit beider erhalten.
Mit dem Verzehr des Apfels inkorporieren sie sich das Selbstwissen, das
nichts anderes als Wissen über die eigene Position in der Welt, d.h.
Weltwissen bedeutet. Jede Veränderung der eigenen Position betrifft
daher auch immer die Gestalt der Welt, Selbstformung setzt Weltformung
in Gang. Sowohl die Menschen als auch ihre nichtmenschlichen
Interaktionspartner haben sich durch das formative kulturelle Ereignis
bis zur Kenntlichkeit verändert. Das Kulturelle entsteht aus der
Einverleibung von Welt, wodurch sich deren Zustand ändert. Weil der
Bissen, den »der einzelne isst, unter keinen Umständen ein anderer
essen« (Simmel 140) kann, ist die einmal gefundene Formung des
Kulturellen irreversibel. Akteure treffen eine Entscheidung aufgrund
vorgegebener kultureller Bedingungen und verändern damit sich selbst
und diese Bedingungen.
3.2 Kritik am
Kulturellen (Kulturkritik)
Mit der Konstruktion des Kulturellen wird zugleich die verworfene
Alternative bewusst, die im Medium der Kritik an der getroffenen
Entscheidung erinnert wird. Zur Erinnerung kulturellen Handelns gehören
also stets zwei Seiten. Die als ›Kulturkritik‹ bekannte komplementäre
Dimension hat die Funktion eines Kommentars oder Korrektivs und hält
die Möglichkeit einer Veränderung dauernd offen. Bollenbeck (2007, 10)
spricht definitorisch zutreffend von »Kulturkritik als Reflexionsmodus
der Moderne«; in Bezug auf die Struktur des Kulturellen als Angebot und
Anerkennung gehört die kritische Dimension von Anfang an zum
Kulturellen. Weil dieses als das Gemachte historisch ist, kann es auch
wieder verändert werden. »Leben ist, worauf wir Einfluss haben«
(Konersmann 2007, 7). Letztlich begründet Kulturkritik neue
Perspektiven, (rückwärtsgewandte) Utopien und Visionen anderer, – aus
Sicht des jeweiligen Kritikers – besserer Welten. Häufig erscheinen
diese kritischen Entwürfe in der Form von Kulturpessimismus und
Verfallsszenarien als Vorstufen der Rückkehr zu Ursprung und Anfang.
Aber auch diese Formen bieten mit der Ästhetik des Hässlichen oder der
Ruine eine konstruktive Seite, um sich damit einen Namen zu machen. Es
kommt stets darauf an, welche Erzählung ein Objekt oder eine Handlung
hergeben. Im Gespräch mit Mosebach weist A. von Buttlar darauf hin,
dass »Berlin [..] anderen Städten vielleicht voraus [hat,] dass es hier
noch Brachen und Risse gibt, die die Leute interessant finden« (SZ
13.01. 2010).
3.3 Begrifflichkeit
Als Grundmuster der Funktionslogik des Kulturellen ergibt sich das der
reziproken Anerkennung der beteiligten Interaktionspartner; ein Subjekt
macht sich, indem es in die Welt mit einem Gestaltungsangebot
eingreift, das es dem Anderen zur Anerkennung vorlegt, womit dieser das
Angebot umsetzen würde. Immer bezieht das Subjekt sein Angebot auf
einen Mitspieler, auch wenn es scheinbar um ein Objekt geht, sind doch
stets die Interessen eines Referenzpartners angesprochen. Syntaktisch
ist diese zweiteilige Handlungsstruktur als Satzgefüge aus Haupt- und
modalem Nebensatz darstellbar. Während die Handlung des Hauptsatzes
durch ein Reflexivverb (sich einen Namen machen) die
selbstreferentielle Handlungsmacht (Agency) hervorhebt, soll dieser
Anspruch der Selbstmachung durch die transitive Handlung im modalen
Nebensatz (Konjunktionen indem / dadurch, dass; jemandem einen Namen
machen) eingelöst werden.
Zur Theorie kulturellen als reziproken Handelns gehört eine eigene
Begrifflichkeit: Angebot, Aushandlung, Anerkennung, Modalität,
Reflexivität, Transitivität. Am Anfang einer kulturellen
Handlungssequenz steht das
Angebot,
mit dem sich das Subjekt exponiert,
mit dem es den Referenzpartner als Adressaten (Objekt) anerkennt, um
dann dessen Anerkennung zu erhalten. Daher muss das Angebot so geformt
sein, dass es für den Anderen zumutbar, angemessen und vorteilhaft ist,
das Subjekt hat mögliche Reaktionsvarianten des Adressaten zu
antizipieren, es versetzt sich in dessen Position und bemüht sich auf
diese Weise darum, anerkannt zu werden. Dieser interessenabhängige
Einsatz für die Anerkennung rechtfertigt es, von der Ökonomie des
Kulturellen zu sprechen, die aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse des
Subjekts die Nützlichkeit, Rentabilität und schließlich den Erfolg des
kulturellen Handelns legitimieren soll. Allgemein wird der Versuch, das
eigene Handeln am Handeln anderer zu orientieren, dieses also ins
eigene Kalkül einzubeziehen, als ›Theory of Mind‹ bezeichnet. »Über die
[diese Theorie] begreifen Menschen andere Menschen als Individuen mit
eigenen Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken und können sich danach
vorstellen, was im anderen vorgeht. Für Forscher gehört die
Theory of
Mind zu den Grundlagen des Lernens und Lehrens und somit
auch zur
Entstehung von Kultur« (Fenzel in MPF 4/2009, 18).
In einem umfangreichen Artikel in
Die
Zeit (24. 09. 2009) wirft der
Philosoph Axel Honneth dem Philosophen Peter Sloterdijk vor, dieser
wolle den Sozialstaat zugunsten der Wohlhabenden so verändern, dass
diese ihre steuerlichen Abgaben im Gestus »›schöner Handlungen‹ der
freiwilligen Beschenkung nach unten an die Bedürftigen verteilen«
könnten. Der Philosoph Christop Menke plädiert gegen Sloterdijks These
von der »freiwilligen Mildtätigkeit der Wohlhabenden« mit dem Hinweis
darauf, dass Sloterdijk die »Idee der [sozialen] Gleichheit zu Fall
bringen« wolle. Sloterdijk unterscheide zwischen denen, die sich um
»Tüchtigkeit, Leistung und Exzellenz« bemühen und jenen, »die faul,
blöde und unfähig im Gewöhnlichen verharren. Diese können nicht
anerkannt werden; das Band der Gleichheit mit ihnen ist zerrissen. Denn
nur durch Übung und Anstrengung macht man sich – selbst: macht man sich
selbst zu einem Selbst« (Menke in Die Zeit 15. 10. 2009). Menke
übersieht die Reziprozität kulturellen Handelns, wonach ein Akteur sich
nur macht (Selbstformung), indem er einen anderen macht (Weltformung).
Im Interview mit der SZ wiederholt Sloterdijk sein Plädoyer für die
Abschaffung des Steuerzwangs durch die Einführung des
Freiwilligkeitsprinzips der Zahlungen, von dem er sich »eine
demokratische Neubegründung der zivilen Großzügigkeit zugunsten des
Gemeinwesens« verspricht. »Es geht mir um den Grundzug unseres
Steuersystems, dass es den Gaben- oder Spendencharakter der zivilen
Steuer absichtlich ausblendet und stattdessen nur ihren Zwangs-,
Pflicht- und Schuldcharakter hervorhebt« (Beise in SZ 5./6. 01. 2010).
Durch sein Angebot möchte er die Welt insofern formen, als er die neue
Steuerordnung mit dem Anspruch eines programmatischen
kulturell-politischen Neuanfangs versieht.
Erreicht das Angebot den Adressaten, muss dieser sich dazu verhalten.
Die Phase der
Aushandlung
bietet mehrere Möglichkeiten: Erregt das
Angebot nur geringe Aufmerksamkeit, kann es unmittelbar nach Erhalt vom
Adressaten abgelehnt werden. Dass das Subjekt sein Angebot zu Beginn
dieser Phase zurückzieht, ist eher selten, weil diese Variante mit
Verlust an symbolischem Kapital verbunden ist. Zumeist gibt es eine
Aushandlung über die Aus- und Aufführungsbestimmungen des Angebots,
wobei die Interessen beider Seiten auf einen konstruktiven Prozess
ausgerichtet sind. Die Aushandlungsphase ist tendenziell zeitneutral,
unhistorisch und situativ begrenzt, es bleibt zunächst offen, welche
Seite dominiert. Der Adressat ist in dieser Phase in die Rolle eines
Subjekts geschlüpft. Beispiele sind mediale Debatten über Kontrovers-
und Kombinationsthemen wie z.B. den ›Fall Hegemann‹, die Nutzung des
Berliner Humboldt-Forums oder die Bedeutung des Schweizer Referendums
gegen den Bau von Minaretten. Dabei hat die Öffentlichkeit Gelegenheit,
sich per Leserbrief oder Internetstatement zu beteiligen. Zu
berücksichtigen ist stets, ob es Bestände gibt, die nicht aus- oder
verhandelbar sind wie ethische Grundsätze, Werte oder Menschenrechte.
Als Parameter des ›Wahren‹ oder der ›richtigen‹ Deutung gilt häufig die
eigene kulturelle Position.
Ist ein Konsens hergestellt, erkennt der Adressat – nun als Subjekt –
das Angebot an, d.h. beide Partner erkennen sich wechselseitig an. So
bietet jemand einem Galeristen oder Museum ein Objekt an. Akzeptiert
der Galerist das Objekt, bezahlt dafür, stellt es aus, so hat er es als
Kunstwerk und den Produzenten als Künstler anerkannt. ›Du bist
anerkannt‹ heißt ›du gehörst zu uns‹.
Anerkennen bedeutet
Partei
ergreifen, Stellung beziehen, sich zu jemandem oder einer Position
bekennen. Dass damit ein Wandel im Verhältnis der kulturellen
Handlungspartner möglich ist, stellt Honneth unter Hinweis auf Hegel
fest: »Stets wird ein Subjekt in dem Maße, in dem es sich in bestimmten
seiner Fähigkeiten und Eigenschaften durch ein anderes Subjekt
anerkannt weiß und darin mit ihm versöhnt ist, zugleich auch Teile
seiner unverwechselbaren Identität kennen lernen und somit dem anderen
auch wieder als ein Besonderes entgegengesetzt sein« (Honneth 2003,
30f.). Mit der Anerkennung haben beide symbolisches Kapital gewonnen,
was wiederum – in Anlehnung an Alois Hahn – als ›Anerkennungsgenerator‹
weitere Prozesse kulturellen Handelns bewirken kann.
Die erste Sequenz kulturellen Handelns ist eine
reflexive Handlung,
das
Subjekt macht sich, – besser – will sich in bestimmter Weise machen. Es
handelt selbstbezogen, stellt sich im Gestus der Selbstreflexion zur
Disposition, weil es Handlungsalternativen wahrgenommen hat. Reflexiv
werden heißt demnach, den Ablauf des aktuellen Handlungsprozesses zu
suspendieren, innezuhalten, über sich und seine Möglichkeiten zu
reflektieren, um eine Entscheidung über eine geeignete Selbstformung zu
treffen, die dann als Angebot an einen Referenzpartner gerichtet wird,
um sozial wirksam zu werden (Weltformung). So ist die zweite Sequenz
eine
transitive
Handlung, das Subjekt gibt in einem mit den
Konjunktionen
indem
oder
dadurch dass
eingeleiteten Modalsatz die Art
und Weise an, in der die reflexive Handlung anerkannt werden und in der
sie die soziale Wirklichkeit formen kann. Weiterhin enthält der
Modalsatz den Hinweis auf den Adressaten, der als Subjekt der
Anerkennung die soziale Ausrichtung des Angebots legitimieren soll.
Modalität erscheint in der Ausprägung als Möglichkeit. In Bezug auf die
Bestimmung der Zieleinstellung und die Wahl der Referenz der
transitiven Handlung ist das Subjekt frei. Um Erfolg zu haben, hat es
allerdings den Spielraum und die Kompetenzen des Referenzpartners
angemessen einzuschätzen. Während die Begriffe Reflexivität,
Reziprozität und Modalität in linguistischen Studien (vgl. Abraham
/Leiss 2009, Dietrich 1992, Engelen 1999, Guéron/Lecarne 2009,
Gunkel/Müller/Zifonun 2003, König/Gast 2008, Lindemann/Letnes 2004,
Meixner 2008) zumeist an Einzelsätzen untersucht werden, bilden sie
hier neben Angebot, Aushandlung, Anerkennung und Transitivität Elemente
einer zu entwickelnden Grammatik des Kulturellen.
3.4 Beispiel Nobelpreis
Nehmen wir als Beispiel folgende Handlungskonstellation: ›Die
Schwedische Akademie macht sich einen Namen, indem sie der
Schriftstellerin Herta Müller am zweiten Donnerstag im Oktober 2009
durch die öffentliche Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur einen
Namen macht.‹ Weil die Akademie mit der Bekanntgabe der Preisträgerin
dieser zunächst ein Angebot unterbreitet, ist der Hauptsatz nicht als
Tatsachenmitteilung zu lesen, sondern als Konstruktion einer Modalität
in der Ausprägung als Möglichkeit: Die Schwedische Akademie will /
möchte / darf / kann sich einen Namen machen. Obwohl der modale
Nebensatz den Gegenstandsbezug (das Was: Preisverleihung) dieser
Möglichkeit und das Verfahren von deren Umwandlung in eine Tatsache
(das Wie: Herta Müller als Preisträgerin einen Namen machen) mitteilt,
bleibt der Wahrheitsgehalt des Satzgefüges weiterhin im Status der
Möglichkeit. Denn die Ausführung der transitiven Handlung ›jemanden
präsentieren, jemandem einen Namen machen‹ setzt voraus, dass die
Bezugsperson dieses Handlungsangebot anerkennt und akzeptiert. Obwohl
die Akademie vor der öffentlichen Verkündung des Preisträgers dessen
Einverständnis einholt (Aushandlung), bleibt bis zur Verleihung die
Möglichkeit einer Ablehnung des Preises bestehen (nach Erhalt ist die
Rückgabe jederzeit möglich). Mit der Preisverleihung ist die
Zugehörigkeit des Preisträgers zum Erinnerungssystem der Akademie
vollzogen.
Herta Müller soll, so die Erwartung der Schwedischen Akademie als
Subjekt von Haupt- und Nebensatz, das Angebot des Nobelpreises
akzeptieren, was sie handlungslogisch und damit auch grammatisch vom
Objekt zum Subjekt macht; diese Transformation (Statuswandel durch
Auszeichnung) entspricht der realen Situation, dass Müller die
Entscheidung der Akademie, ihr den Preis zu geben, durch dessen Annahme
anerkennt. Erst mit Müllers Akzeptanz, die das ursprüngliche Subjekt
(Akademie) zum Objekt macht, liegt die reziproke Anerkennung als
Voraussetzung des von der Akademie intendierten kulturellen Ereignisses
vor, das die Selbst- als Weltformung umsetzt. Weil das
Verleihungsritual den Regeln gemäß ausgeführt wird, ist die mögliche
Welt formal zu einer realen Welt geworden, inwieweit die
Nobelpreisverleihung das symbolische Kapital der Akademie und Herta
Müllers tatsächlich steigert, kann erst später entschieden werden.
Allerdings ist für die im Beispiel aufgerufene modale
Handlungskonstellation eine andere Ausführung zu bedenken. Herta Müller
hätte, wie Jean-Paul Sartre es im Jahr 1964 getan hat, das Angebot des
Nobelpreises ablehnen können (vgl. Dücker Failure 2007a). In diesem
Fall hätte es kein Verleihungsritual gegeben, gleichwohl hätte ein
kulturelles Ereignis vorgelegen, weil das Angebot der Akademie die
Aufmerksamkeit der Adressatin und – so darf gemutmaßt werden – der
Öffentlichkeit erregt hätte. Die Struktur von Selbst- als Weltformung
wäre insofern erfüllt worden, als die Akademie die Gelegenheit erhalten
hätte, ihre Prinzipien und Verfahrensnormen anlässlich des Misslingens
in der gewünschten, womöglich aktualisierten Form noch einmal
darzulegen. Für Sartre gilt, dass die Ablehnung des Nobelpreises ihm
mindestens ebenso viel symbolisches Kapital eingebracht hat, wie eine
Annahme es hätte generieren können. Sartre hat sich einen Namen
gemacht, indem er die ›Weltformungsfunktion‹ des Nobelpreises abgelehnt
hat, ohne dass dieser singuläre Fall aber der Ehre und dem Ansehen des
Nobelpreises geschadet hätte. Gleichwohl gehört Sartre ›als Autor, der
den Nobelpreis freiwillig abgelehnt hat‹, zu dessen Geschichte. Die
theoretisch mögliche Variante, dass das öffentlich vorgetragene Angebot
kulturellen Handelns ohne Reaktion bleibt, erscheint rein hypothetisch.
Denn durch die Veröffentlichung sind in aller Regel programmatische
Interessen berührt, so dass die Adressatenseite das Angebot
kommentieren
muss
(Modalität in der Ausprägung als Notwendigkeit).
Zahlreiche aktuelle Beispiele zeigen, dass die Struktur kulturellen als
symbolischen Handelns, Selbstformung als Weltformung auf der Basis
reziproker Anerkennung zu praktizieren, zu den üblichen Strategien
sozialen Handelns gehört. So will sich die Desertec-Gesellschaft einen
Namen im Energiesektor machen, indem sie Wüstenstrom aus Afrika
importiert. Ihrem Chef Paul van Son wird im Interview von Markus Balser
die Frage gestellt: »Sie müssen Kulturen an einen Tisch bringen, die
sich lange nicht grün waren: Die christliche und die islamische, die
afrikanische und die europäische, die entwickelte Welt und sich
entwickelnde Länder. Wie wollen Sie schaffen, woran die Uno regelmäßig
scheitert? Van Son: Wir werden über Jahre Überzeugungsarbeit leisten
müssen – auf beiden Seiten. Industrieländer müssen ihren nationalen
Energiemix überdenken, die Länder Nordafrikas darauf vertrauen, dass es
nicht um modernen Kolonialismus geht. Wir müssen allen klar machen, was
sie verpassen, wenn sie beider Gestaltung eines neuen Energiezeitalters
nicht mitmachen. Nur gemeinsam werden wir strenge Klimaziele erreichen.
Und in Afrika wird Desertec die lokalen Lebensverhältnisse verbessern
Mit den Kraftwerken kommen Jobs, Einnahmen – und Strom. Denn produziert
wird für Ursprungsländer und Europa« Balser in SZ 17.02.2010). Wenn ein
Artikel über die Initiative ›Teach First‹ die Überschrift trägt
»Einsatz für andere, Chancen für Dich« (Wiele in FAZ 16. 09. 2009), so
soll die Nachwuchskraft sich Chancen und Karrierevorteile ›machen‹,
indem sie vorübergehend Schülern neue Perspektiven eröffnet, was auf
der eigenen Profilliste als sozialer Einsatz erscheint. Von Schülern
und der Öffentlichkeit erwarten die ›Gelegenheitslehrer‹ Anerkennung
dafür, dass sie sich an die Basis begeben, wie auch die Schüler
Anerkennung dafür erwarten, dass sie sich sozial exponieren, indem sie
den Aushilfslehrkräften eine Chance einräumen.
Verlage versuchen, sich einen Namen zu machen, indem sie einem
Debütanten einen Namen zu machen versuchen (vgl. Uchatius in Die Zeit
08.10. 2009). Dieser kann die Chance der Erstveröffentlichung womöglich
dadurch kompensieren, dass er Erfolg hat. So versucht der Autor, sich
ein Image zu schaffen, indem er Image und Kontinuität des Verlags oder
der kulturellen Institution macht. Indem in früheren Jahrhunderten
reiche bürgerliche oder adelige Familien Altäre für Kirchen stifteten,
indem sie also die Gestaltung der heiligen Kirchenräume machten,
erhielten sie einen Eintrag ins Stifterbuch und erwarben sich das
Privileg der Grablege in der Kirche sowie Vergünstigungen für ›das
Leben nach dem Tode‹. Unter dem Titel »Egoismus schafft Gemeinsinn«
werden evolutionsbiologische Versuchsergebnisse vorgestellt, die
belegen, dass Menschen auch dann zu öffentlichen Unterstützungs- und
Hilfshandlungen bereit sind, wenn sie dafür keinen ökonomischen Gewinn,
wohl aber symbolisches Kapital erzielen. Was dieses Verfahren
»symbolrational« (Dücker 2007, 102-108) rechtfertigt, sind die
Freiwilligkeit und die Selbstbestimmtheit des auf den ersten Blick
unerwarteten Handelns, das allerdings in der Erwartung der Wirksamkeit
der »indirekten Reziprozität« (Anhäuser 2007, 38) ausgeführt wird.
Gemeint ist damit die Anerkennung, die eine freiwillig und
unentgeltlich erbrachte Leistung bei jenen erfährt, die nicht direkt
davon profitieren, diesen Einsatz aber für sozial und kulturell
wünschenswert halten und den ›selbstlos‹ Handelnden in anderer Form
Vorteile verschaffen (z.B. Stellenangebot, Aufträge). Für die
Aufführung kulturellen Handelns scheint vor allem die Anerkennung als
Zugewinn an Ansehen und als Berücksichtigung in der betreffenden
Institutionengeschichte zu zählen.
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