Dieter Henrich
im Gespräch mit Renate Solbach
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Zukunft im Enden
Die
These vom Ende der Kunst: Lesarten und Korrekturen
Solbach:
Hegels These vom Ende der Kunst genießt über die
philosophischen Fachgrenzen hinaus einen gewissen Ruf. Nicht jedem ist
klar, was diese These bedeutet. Es war ja nicht Hegels Ansicht, die
Kunst werde irgendwann absterben, so wie Marx dies dem Staat prophezeit
hat. Aber dass sie in der Moderne nicht mehr die angemessenste Form
sei, in der sich der Geist Geltung verschafft – mit dieser
Ansicht steht Hegel nicht allein. Welchen ›guten‹
Sinn besitzt in ihren Augen die These vom Ende der Kunst?
Henrich:
Man muss von zumindest zwei Thesen Hegels sprechen, denen zufolge die
Kunst an ihr Ende gekommen ist. Zum einen kann im Kunstwerk nicht mehr
das Wissen von dem konzentriert und inkorporiert sein, aus dem alles
Wirkliche, die Subjekte und ihr Weltverhältnis eingeschlossen,
begründet ist und sich ausformt. Vor keinem Kunstwerk beugen
sich die Knie, und keine Aufführung ist zugleich das Fest
eines Gottes. Dies Ende war nun aber schon mit dem Niedergang der
griechischen Klassik eingeleitet. Jedoch ist nach Hegel auch das, was
bis ins 18. Jahrhundert die Form von Kunst ausmachte, in einen Zerfall
übergegangen, der zudem nicht mehr umzuwenden ist: Die
Bewegtheit des Lebens der menschlichen Subjektivität und die
Wirklichkeit der äußeren Gegenstände sind
auseinander getreten. Zwischen der Erhebung des Subjekts über
die Welt im Spiel seiner Einfälle auf der einen Seite und
einer naturalistischen Abschilderung der Welt auf der anderen kann es
keine Vermittlung, also keine wechselseitige Integration mehr geben.
Darum ist aus dem Kunstwerk das, was in Hegels Sinn dessen Wahrheit
definiert, die gediegene Einheit von innerem Form- und Lebensprinzip
mit äußerem Dasein, notwendig entschwunden. Das
schließt nicht aus, dass eine Kunstproduktion weitergeht und
sich auch noch weiter perfektioniert, die aus historischer Bildung, aus
ästhetischem Sinn, aus dem Sinn für ein von Reflexion
durchzogenes Spiel und aus gesellschaftlichen Bedürfnissen
aller Art hervorgeht. Sie kann zudem von einem Wissen und
Selbstverstehen umgriffen sein, das selbst nicht die Form von
Kunstproduktion anzunehmen vermag.
Diese Diagnose
ist eindrucksvoll – auch weil sie sich allem entgegenstellt,
was in Hegels Zeit en vogue war: darunter sein Freund Schelling, der
(als Präsident der Münchener Akademie der bildenden
Künste) eine letzte große Synthesis im Epos der
Moderne voraussagte, und all den zahlreichen Programmen zum
Wiedergewinn monumentaler oder religiöser Kunstformen.
Aber
Hegel hat seine Diagnose selbst nicht in aller Konsequenz
durchgehalten. So hat er, um Goethes West-Östlichem
Diwan und Rückerts Poesie, die er
hochschätzte, gerecht werden zu können,
schließlich noch den Begriff eines ›objektiven
Humors‹ als einer Synthesis von subjektivem, aber nicht auf
Destruktion zielendem Spiel und in sich belebter
Gegenständlichkeit eingeführt. Er ist jedoch
innerhalb der Gesamtarchitektur seines Systems nicht konsequent und
stabil zu definieren. Vor allem aber hat Hegel kein Verhältnis
zu den bedeutendsten Kunstleistungen seiner Zeit gewonnen oder
begründen können: Zur Musik der Wiener Klassik,
insbesondere Beethovens, und zur späteren Dichtung seines
eigenen Freundes Hölderlin.
Man muss
folglich das, was in seiner Diagnose augenöffnend ist, auf
eine andere systematische Grundlage stellen und in sie
einfügen. Festhalten sollte man daran, dass moderne Kunst
reflexionsentsprungen und -durchzogen ist und dass auch historisches
Bewusstsein für sie unabdingbar ist. Des weiteren sollte man
insoweit an Hegels Definition von Kunst festhalten, als auch moderne
Kunst, wo sie unbeschnitten als Kunst gelten kann, darauf aus ist, in
ihrer Werkform die Wirklichkeit von Subjektivität zu erreichen
und etwas von ihr und ihrer Grundverfassung verstehen zu lassen. Doch
die Proklamation von Kunstprogrammen, die Kunst und Leben in
einen universalen, direkten und also nicht reflektierten Bezug setzen
wollen, und die Erwartung von allbefassenden Aufschlüssen
durch Kunstwerke müssen preisgegeben bleiben.
Solbach:
Sie haben in Schriften und Vorträgen für die Moderne
nach Hegel eine Kunst reklamiert, in Bezug auf die sein Verdikt nicht
gilt, die also als genuiner Zugang zur Wirklichkeit gelten muss, der
nicht in der Sprache der Theorie und des Begriffs aufgehoben und durch
sie eines Besseren belehrt wird. Wäre das in Ihren Augen eine
zweite, von der ersten, historischen, so grundlegend unterschiedene
Kunst, dass die Begriffe, in denen man sich über die erste
Kunst verständigt, für sie nicht gelten et vice
versa?
Henrich: Man
muss, um Hegels Sprache zu variieren, das Wissen vom Absoluten von
einem absolutem Wissen unterscheiden. Ist das Verstehen des Menschen,
das ihn selbst und seine Wirklichkeit betrifft, wie Luther nach Paulus
sagt, ›Stückwerk‹, dann kann ihm in der
Form der Kunst ein Aufschluss über ihn zukommen, der sich in
die Weisen seines Wissens von sich einfügt, ohne zur
Gänze in eine andere Sprachform übersetzbar zu sein.
Verharrt man dennoch weiter auf der Grundlage von Hegels System, dann
müsste man nun allerdings sagen, dass dies eine
gegenüber der historischen völlig neue Gestalt von
Kunst zur Folge hat. Aber Hegels ganze Emphase geht ja doch gerade
dahin, die Unterscheidung zwischen Wissen vom Absoluten
und absolutem Wissen für illegitim und
widersprüchlich erklären zu können. Wer sie
dennoch macht und ausarbeitet, wird sich nicht nur von Hegels
Grundlegung entfernen, sondern auch die Geschichte der Kunst insgesamt
anders als Hegel erklären müssen.
Und
in der Tat: Hegels eigene Analysen der
›orientalischen‹ Kunst und der Kunst nach dem
Zerfall der antiken Welt lassen sich vergleichsweise leicht
in einen anderen Rahmen transponieren. Hegel blieb Klassizist in dem
Sinne, dass er einzig der griechischen Kunst, und deren
höchster Manifestation, der Plastik des Phidias, die
vollendete Realisierung des Kunstbegriffes zuerkannte. Dafür
hatte er freilich eine höchst subtile Erklärung, die
noch kaum verstanden ist. Er konnte nämlich das scheinbare
Paradoxon verständlich machen, wieso denn die
aufgeklärten Athener, die genau wussten, dass Phidias die
Athene im Parthenon-Tempel geschaffen hatte und die auch ihn deshalb
verehrten, in der Skulptur, und zwar buchstäblich, nicht nur
vermittelt durch deren Bild, ihre Göttin anbeten konnten und
sogar mussten. Er erklärt dies, kurz gefasst, daraus, dass das
Absolute seinem Wesen nach ein Sich-Manifestieren ist, dass es in der
Epoche der Kunstreligion in der schönen Gestalt des Werkes zur
Manifestation kam und dass der Künstler nur ein Medium ist,
vermittels dessen sich diese Manifestation realisiert.
Wir
unsererseits können die Kunst der entfalteten Moderne durchaus
in die Gesamtgeschichte der Künste integrieren –
wenn wir nur dabei über eine differenzierte Theorie der
Dimensionen der Kunstproduktion verfügen und wenn wir dann die
Voraussetzungen der Modernität, die Hegel wenigstens zu einem
wichtigen Teil als erster formuliert hat, konsequent in sie einbringen.
Wir können es zumal dann, wenn wir, wie wir doch sollten, den
Horizont erweitern und Lascaux, die Venus von Möllendorf und
Stonehenge in die Geschichte der Kunst einbeziehen.
Solbach:
Die Postmoderne wurde rasch wieder abgeblasen, nachdem man sich
darüber verständigt hatte, dass der Schlichtheit
ihrer begrifflichen Grundlagen in den Künsten eine naive
Inszenierung entsprach, mit der nicht viel anzufangen war. Dennoch
bleibt der Ausgangsbefund bestehen: dass die sogenannte
›klassische Moderne‹ zwischen Baudelaire und dem
Surrealismus inzwischen in eine historische Distanz gerückt
ist, die von den Menschen empfunden wird und beschrieben werden kann.
Bietet die Philosophie Mittel, diese Distanz zu beschreiben?
Henrich:
Ich habe mich immer über die Einfalt gewundert, mit der ein
Begriff, der in der Architekturtheorie Sinn machte, auf den
Geschichtsprozess übertragen worden ist. Es machte Sinn, gegen
die Fortschreibung des Bauhausprogramms anzugehen. Darüber
sind für eine kurze Zeit sehr akzeptable Bauten entstanden.
Das hat aber mit dem angeblichen Auslaufen einer
Grundströmung, die schon im 17. Jahrhundert dominant geworden
war, schlechtweg gar nichts zu tun.
Das
Bauhausprogramm lässt sich den vielen Kunstprogrammen
zuordnen, die für die klassische Moderne charakteristisch
gewesen sind. Sie waren allerdings zumeist kurzatmiger und weniger
durch Evidenzen der gelebten und also auch gebauten Umwelten
gesättigt als das Bauhausprogramm es war. In ihm haben sich
die Impulse, die schon den Impressionismus in der Malerei beherrschten,
gegen die monumentalisierenden und zugleich historisierenden Tendenzen
der Architektur der Zeit seit dem mittleren 19. Jahrhunderts
durchgesetzt. Insofern ist dies Programm noch heute maßgebend
und letztlich auch noch für die fundierend gewesen, die, wie
etwa Stirling, ihm entgegen angetreten sind. Es ist aber eine
für die moderne Kunst konstituierende Grundbedingung, dass sie
sich von universalistischen Ansprüchen fernhalten muss.
So
war die dichte Folge von proklamierten Kunstprogrammen, die auch mit so
bedeutender Kunst wie der des Kubismus zusammenging, eine Folge einer
bestimmten Situation in der Entfaltung der Moderne: Kunst ist immer
erkundend. Dies ist ein wichtiges Prinzip zur Erklärung ihrer
Dynamik, das ich in dem Versuch über Kunst und Leben
des näheren begründet habe. Nach einer Phase, in der
die Erkundung unter der Dominanz nicht nur der Reflektiertheit, sondern
auch der Beherrschung der historischen Stilformen in Kombination mit
den neuen technischen Möglichkeiten und Materialien stand,
trat um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Phase ein, in der ganz neue
Möglichkeiten der Gestaltung im Ausgang von letztlich
derselben Bedingungslage aufgeschlossen und erkundet wurden. Daraus
ergab sich – etwa bei Kandinsky - das
Missverständnis, dies Neue in revolutionären
Proklamationen als das Gründende eines Ganzen von Verstehen
unter hypertrophe Ansprüche zu stellen. Man hat zu Recht
darauf hingewiesen, dass dies dieselbe Zeit war, in der sich Programme
zur politischen Revolution, die auf eine grundstürzende
Veränderung der Lebensverhältnisse ausgingen, in
ähnlichen Proklamationen zur Darstellung brachten. Sie waren
nicht nur in sich Versuche, die sozialen Verhältnisse wie das
Material eines Ingenieurs zu behandeln oder ihnen eine Kunstgestalt
aufzuzwingen. In Russland und in Italien waren sie zunächst
mit Kunstprogrammen ganz direkt und explizit assoziiert.
Die
Reflektiertheit moderner Kunst ist aber etwas ganz anderes und viel
Subtileres als die praktische und die politisch-projektierende
Intelligenz, die in Proklamationen eingeht. Wir können also
den Programmieraspekt in der klassischen Moderne an seinem historischen
Ort begreifen und als vergangen erfahren. Dadurch werden aber Werke wie
die von Cézanne oder von Picasso nicht in jene historische
Distanz weggerückt, die es ausschließt, dass
Betrachter in ihrer Subjektivität von ihnen noch betroffen
werden können.
Solbach:
Sie halten also nichts von einer Vermengung der ›Mythen der
Moderne‹, ihren ›großen
Erzählungen‹, wie Lyotard das ausdrückte,
mit dem, was Sie die »Grundströmung« der
Moderne seit dem 17. Jahrhundert nennen. Doch woran drückt
sich diese Grundströmung aus, wenn nicht in mehr oder minder
›radikalen‹ Programmen, die ja nicht nur in der
Kunst nachweisbar sind? Vor allem: Worin läge die Logik ihrer
Abfolge?
Henrich: Die
Grundströmung der Moderne beruht darauf, dass eine Distanz des
Menschen aufkommt und sich etabliert – eine Distanz zu den
Weltinterpretationen, die zu generieren und in die sich
einzufügen ihm naheliegt, was ihm durch die
überkommenen Institutionen und Religionen noch weiter zwingend
gemacht ist – damit auch eine Distanz zu den Selbstbildern,
die in diese Weltinterpretationen eingefügt sind. Es ist dies
dieselbe Distanz, welche die Reflektiertheit seines Lebens ausmacht,
die als konstituierender Teil einer neuen Lebensform zu verstehen ist.
Mit ihr zusammen geht notwendig eine Aufmerksamkeit auf verdeckte
Tendenzen und Dynamiken in diesem seinem Leben und die
Bemühung, sich über sie zu verständigen und
sie sich entfalten zu lassen, ohne dabei aber jene Reflektiertheit etwa
wieder preiszugeben, der sich die Aufmerksamkeit auf sie doch verdankt.
Daraus ergeben sich sehr viele Folgen. Ich nenne
nur die Betonung der Individualität des Einzelnen, die
Fähigkeit zum Heraustreten aus Institutionen, aufgrund derer
dann umgekehrt andere, moderne Institutionen konzipiert werden
können, die Spontaneität des Prozesses der Bildung
statt der Erziehung auf Vorgaben hin als Grundlage einer neuen
Pädagogik, die Zuspitzung von Spannungen wie der zwischen
Absturzgedanken und Selbstvertrauen.
Was die Kunst
betrifft, so folgt daraus eine Lockerung von Stilprogrammen und eine
Verstärkung der Bereitschaft zur Erkundung von
veränderten Gestaltungsweisen, wobei diese Tendenz, wie
gesagt, ohnedies aller Kunst innewohnt. Das allein kann, sind die
Voraussetzungen in der inneren Entwicklung eines Kunstmediums
dafür einmal erreicht und bewusst geworden, die Bereitschaft
zu radikalen Umstellungen und ganz neuen Konzeptionen von Kunst
begünstigen – so wie in der Frühromantik
und dann um den Beginn des 20. Jahrhunderts.
Diese
Bereitschaft kann des weiteren aber auch durch neu gewonnene Einsichten
in die Dynamik der Subjektivität selbst begünstigt
werden, ebenso durch die (und sei es vermeintliche) Entdeckung von
Möglichkeiten, die innerhalb eines Kunstmediums die
Freisetzung von anderen Dimensionen der Subjektivität
begünstigen – etwa Mitte des 19. Jahrhunderts in dem
Versuch, die Musik poetisch werden zu lassen.
Aber
dem voraus liegt das Zusammengehen von Reflektiertheit mit der
Aufmerksamkeit auf die Dynamik und die Bedingungen von freigesetzter
Subjektivität. Die Rapidität der in allen
Umbrüchen dennoch konsistenten Entwicklung der Wiener Klassik
vom späteren Mozart über Haydn zu Beethoven und zu
dem Kontrast in Kontinuität Schubert ist dafür ein
Beispiel – samt der außerordentlichen Bewusstheit
der Architektur von subtil komponierten Formverläufen und
ihrer Resonanz im bewussten Leben, die für sie
maßgebend gewesen sind.
Hegel hat die
grundlegende Bedeutung der Reflexionsdistanz aufgewiesen. Die
grundlegende Bedeutung von Subjektivität als Thema und als
Explikationsmittel der Kunsttheorie hat er wohl gesehen, aber nicht
zutreffend lokalisieren können. Sein letztlich
klassizistischer Kunstbegriff und sein Grundgedanke der Manifestation
des Absoluten in äußerer Wirklichkeit haben ihm das
unmöglich gemacht.
Von
der Notwendigkeit und Hinfälligkeit der Kunst
Solbach:
In Ihrem Versuch über Kunst und Leben
schreiben Sie: »Nur in Kunstwerken kann die gesamte Dynamik
der Subjektivität auf andere Weise als innerhalb von deren
eigener Bewegung vergegenwärtigt werden.« (S. 226)
Das heißt doch auch: Besäßen wir nicht die
Kunst, so gäbe es zwar weiterhin Subjektivität, aber
es wäre nicht möglich, sie anders als im
unmittelbaren Vollzug zu
›vergegenwärtigen‹, also auch zu
erfahren. Aber wozu bedarf es dann des zweiten Mediums? Genügt
es nicht vollauf, philosophierend um sie zu wissen und zu begreifen,
dass sie in den Formen rationaler Verständigung nicht
völlig präsent sein kann?
Henrich:
Menschen würden ihr bewusstes Leben führen, auch wenn
es keine Kunst gäbe, ebenso wie ohne die Philosophie
als Wissensdisziplin. Sie führen es in ihrem Wissen von sich,
im Bewusstsein der Spannungen und im Vollzug der Tendenzen, die in ihm
aufkommen, in einer Antizipation dessen, worauf es hinaus will und in
Gedanken oder Ahnungen von dem Grund, in den es als ganzes eingelassen
ist. Weder Kunst noch professionelle Philosophie sind für dies
Leben also schlechthin unentbehrlich. Aber die Philosophie ist dennoch
fast zur Gänze und die Kunst zu einem gewichtigen Teil in
dieser Lebensdynamik begründet. Zudem sind Kunst und Leben auf
eine für beide wesentliche Weise aufeinander bezogen.
Auf
der einen Seite wird die Kunstproduktion durch die Aufgabe der
Selbstverständigung herausgefordert, die sich für das
Leben mit Notwendigkeit stellt. Ihre ästhetischen Grundlagen
entfalten sich zwar ganz in Zusammenhang mit Gesetzen des Wahrnehmens.
Es ist also wichtig, sie von dieser Aufgabe strikt zu unterscheiden,
und eine Elementarästhetik diesseits der Kunsttheorie zu
entwickeln. Aber die Kunstproduktion kann in den ästhetischen
Rahmen Entwürfe von Welten stellen und den Verlauf von Leben
in solchen Welten in ihren Gestaltungen hervortreten lassen, die wie
Wirklichkeiten auf den Menschen zukommen. Damit erweitert sich die
Komplexion des ästhetischen Rahmens ebenso wie der Spielraum
der Kunstproduktion. Das Lebensgewicht der Kunst erhöht sich
und in einem mit diesem Gewicht die Herausforderung, unter der sie
steht, sowie die Erkundungskraft, die sie in Anspruch nimmt.
Auf der anderen Seite werden dem Leben in Kunstwerken
Perspektiven zu seiner Verständigung erschlossen. Selbst dem
Schein nach ganz Einfaches wie Teetassen und Volkslieder
können Anmutungen freisetzen, mit denen sich ein Horizont
gegliederten und verstandenen Lebens entfaltet.
Große Kunstwerke lassen aber als solche aufgehen, was es
heißt, ein Ganzes des Lebens erschlossen zu haben. In
vormodernen Gesellschaften können sie darum die Bedeutung von
wirklichen Maßstäben des Lebens haben, so noch heute
das Ramayana in der Praxis des Wayang kulit, des indonesischen
Schattenspiels. Aber auch für die freigesetzte
Subjektivität sind sie ein Muster für das, worauf
dies Leben aus sich selbst heraus ausgreift. Solche Werke
können das Leben also zu sich selbst ermutigen, in dem, was es
als ihm wesentlich erfährt, ergreifen, und es aus Aporien oder
aus dem Versanden im Gleichgültigen befreien, wenn vielleicht
zunächst auch nur für die Zeit der aktuellen
Erfahrung des Werkes.
Die rationale
Verständigung bleibt nichts desto weniger wesentlich. Sie ist
mit der Reflektiertheit des Lebens im Bunde, und nur in ihr kann
über die Beziehungen von Kunst und Leben und über
dies Leben selbst eine stabile Rechenschaft gegeben werden. Allerdings
kann gerade sie auch in die Irre gehen. Dann kann sie wie nichts sonst
dazu beitragen, dass Kunst und Leben in eine Einheit hinein
hochgesteigert werden. Das Leben der Individuen ist aber deformiert,
wenn es als Kunstwerk geführt wird. Und sogar die schlimmsten
Staatsverbrechen sind mit der Vorstellung verbunden gewesen, man
könne das Zusammenleben der Menschen zum Kunstwerk oder wie
ein Kunstwerk ausgestalten.
Solbach:
Dieser Gedanke, Kunst und Leben könnten ineinander aufgehen,
ist von Künstlern oft als Lüge bezeichnet worden und
sie haben nicht selten versucht, ihm mit Mitteln der Deformation
innerhalb des Kunst zu begegnen. Wäre in Ihren Augen die
ästhetische Deformation ein probates Mittel, die unaufhebbare
Differenz von Kunst und Leben in der Kunst zu markieren? Wo sehen Sie
den Punkt, an dem die ästhetische Überformung das
Leben zu deformieren beginnt?
Henrich:
Künstler haben wirklich dem ästhetischen Idealismus
des Lebens durch kalkulierte Formbrüche entgegengewirkt. Schon
die Frühromantik hat dafür die Stichworte gegeben. So
lassen sich Versuche suspendieren, in das eigene Leben eine harmonische
Form zusammen mit einer möglichst großen
Mannigfaltigkeit einbringen zu wollen und sich einzubilden, man habe
damit dem ästhetisch ausgewogenen Kunstwerk als einem
gültigen Muster für das Ziel der
Lebensführung entsprochen. Es ist legitim und wichtig, sich
auch auf diesem Wege einer Fehldeutung des Menschenlebens zu entziehen,
die in den klassischen Epochen allerdings oft nahegelegen hat.
Die
Problemlage in dieser Sache ist aber doch noch komplizierter.
Zunächst muss man erwägen, dass es ja durchaus
möglich ist, Formbrüche in Kompositionen als ein
für sie konstitutives Moment einzubeziehen. Über
Formbrüche lassen sich dann sogar vertiefte Weisen der
Einheitsbildung erreichen. Man könnte sagen, dass sich das
Leben eben nach solchen Mustern als Kunstwerk ausgestalten
lässt und ausgestalten sollte – und zwar dann unter
Einbeziehung und eingliedernder Überwindung von
Einbrüchen.
Künstler haben aber
eine vergleichbare Einebnung von Kunst und Leben auch unter
völligem, zumindest angeblichem Verzicht auf
ästhetische Einheitsbildung erreichen wollen. In dieser
Linienführung lässt sich, von Beuys' Theoretisieren
herkommend, behaupten, dass die Bewusstheit einer, auch unter
Einbeziehung und Betonung des Zufalls, gestalteten Alltags-Umgebung und
die Bewusstheit des Lebens in der gegenwärtigen Welt zu ein
und demselben Lebensprozess zusammentreten können und sollten,
dass das Leben so zur Kunst wird, und somit jeder Mensch zum
Künstler werden kann.
Ich sehe
auch in solchen modernen Kunstideologien eine Verdeckung dessen, was
für die Wirklichkeit des Lebens grundlegend ist: Das Leben
kann niemals in eine Einheitsform von Distanz zu sich und Engagement
hineingesteuert werden, die für künstlerische Arbeit
(und deren Vollendung in einer für die Kunst
charakteristischen Qualität) konstitutiv und unabdingbar ist.
Deshalb habe ich die Dynamik des Lebens als Verlauf durch verschiedene
Formen von Distanz beschrieben, die einzig in der Erinnerung
zusammengeführt werden können. Kunst kann Leben wohl
vergegenwärtigen, aber eben auch nur
vergegenwärtigen, nicht selbst zu Leben werden. Gerade darin
ist jedoch dann aber eben auch ihre Bedeutung für das Leben
gelegen.
Zu ergänzen ist noch, dass es
wirklich ein Ziel des Menschenlebens ist, sich in eine Vielfalt von
Herausforderungen zu begeben, sowie diese Herausforderungen und viele
Weisen der Erfahrung in einem Lebensfaden zusammenzuführen.
Das ergibt eine gewisse Nähe zum ästhetischen
Idealismus des Lebens. Schon Platon hat auf dieser Grundlage einem
solchen Idealismus wahrscheinlich einen zu großen
Wirkungskreis gelassen. Umso wichtiger ist es, neben der engen
Zuordnung auch die Grunddifferenz zwischen Kunst und Leben zu erkennen
und präzise zu erklären.
Die
›Lebenskunst‹ der Antike beruhte allerdings auf
einem Kunstbegriff, der ganz von der Vollkommenheit des technischen
Könnens her gedacht war. Auch wir kennen noch einen ihm
verwandten, wenn auch nicht mit ihm identischen Kunstsinn, wenn wir
etwa von Steuermannskunst oder von ›artistischen‹
Höchstleistungen in der Zirkuskuppel sprechen. Die Kunst des
Steuermanns ließe sich am ehesten als Modell eines modernen
Sinnes von Lebenskunst akzeptieren. Denn sie bewährt sich in
ganz verschiedenen Wettern und unter zufällig einbrechenden
Geschehen aller Art. Doch der Kunstbegriff, der unserem
Gespräch zugrunde liegt, ist von solchen Bedeutungen von
›Kunst‹ weit abzurücken. In seinem Kern
ist für ihn, trotz aller kalkulierten Abweichungen, die
einbezogen sein können, das Kunstwerk im weitesten Sinne und
in einem damit die ästhetische Distanz in seiner Betrachtung
und Beurteilung konstitutiv.
Solbach:
Ein Gedankenexperiment: Angenommen, der Kunstbetrieb käme
durch irgendeinen historischen Zufall oder eine ökonomische
Katastrophe zum Erliegen und es gäbe nur noch einen
schreibenden, malenden oder musizierenden Dilettantismus, der sich
weder um Kunst- noch um Reflexionsmaßstäbe scherte,
wie ihn vielleicht ein Andy Warhol erträumte, ohne ihn zu
realisieren – wäre das dann noch Kunst? An welcher
Schwelle beginnt Kunst, wo endet sie?
Henrich:
Unser ›Kunstbetrieb‹ ist durch eine Jahrhunderte
währende Entwicklung von einer hoch hinausgetriebenen
Programmierung und von formellen und informellen Institutionen
abhängig – für die Bildende Kunst von einem
Zusammenspiel zwischen Experten, Galerien, Kunstkritikern und Kuratoren
von Museen, in neuerer Zeit weniger als früher dazu noch von
den Kunstschulen. Arthur Danto hat sie, von Ferne nach Wittgenstein,
als die ›Art World‹ beschrieben. Er wollte auch
zeigen, dass sie es ist, über die entschieden wird, was
überhaupt als Kunst gilt. Und so kann Kunst von einem
Allerweltsding durch nichts unterschieden sein. Diese
›Welt‹ könnte leicht kollabieren. Unter
Stalin und Hitler war sie schon einmal unter ein ideologisches
Reglement gebracht. Bräche die westliche Kunstwelt weg, so
könnte man in fortdauernder Beziehung auf sie und in noch
andauernder Nachfolge zu ihr vielleicht sagen, dass nun nur noch
Dilettantismus zurückbleibt.
Doch zum
einen würde das eben nur als der Nachklang einer geschwundenen
Epoche anzusehen sein. Eine andere Kunstpraxis würde statt
dessen wohl bald aufkommen, die eigene Maßstäbe
hätte, und zwar durchaus solche von Kunst –
beziehungsweise sie würde diese Maßstäbe
wieder entstehen und platzgreifen lassen. Vielleicht lassen sich
Aspekte davon schon jetzt beobachten, so, um Beispiele zu nennen, im
Design und in dem, was man früher
›Volksmusik‹ nannte und was als Beat und Rock
eine erhebliche Selbständigkeit und zudem eine gewaltige
Resonanz hat.
Erweitert man den Horizont und
schaut auf die Geschichte der Menschheit, so sieht man, dass in ihr
immer ästhetische Maßstäbe der
Kunstproduktion in Geltung waren, ohne dass diese Produktion einen
eigenen Status als Kunst im Sinn der Moderne gehabt
hat. Kunst ganz separat vom Handwerk hat es sogar weder in der Antike
noch im sogenannten Mittelalter gegeben. Die ästhetischen
Maßstäbe, die übrigens in sich sehr
variabel sind, waren integriert in magische Praktiken, wie in den
Masken der ›Negerkunst‹, die Anfang des 20.
Jahrhunderts Aufmerksamkeit und Bewunderung fand, oder in die
Befriedigung von Alltagsbedürfnissen, wie die
Töpferei der Jungsteinzeit. Kunst war auch all dies, und zwar
insofern und so lange, als sich in ihr eine Aufmerksamkeit auf in sich
konsistente Prinzipien der Gestaltung auswirkte, also auf
gefällige Formgebung oder auf deren expressive Kraft, so dass
also auch die für Kunst charakteristische Erkundung,
Modulierung und Steigerung der ästhetischen Wirkungsweise
möglich und nahegelegt war. Letztere konnte allerdings durch
eine strenge rituelle Festlegung von Mustern abgebremst werden
– so wie etwa in der Ikonenmalerei der orthodoxen Kirche.
Zum
anderen haben wir doch seit den sechziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts und seit der Pop Art zu konstatieren, dass das, was man
auch frei heraus Dilettantismus nennen darf, zu einer Komponente der
Art World geworden ist. Der gut oder scheinbar gut motivierte Gegenzug
zum Erwarteten, die Transposition von dem, was aller Kunstproduktion
fremd zu sein schien (wie ein Schweinestall auf der Documenta), in den
von der Art World etablierten Rahmen wird zur Kunst deklariert. Die
Überraschung für den der Art World adaptierten Blick
und eine damit zusammengehende Sensibilisierung für Wirkliches
wird zu einem hinreichenden Kriterium für Kunst. Dabei kann
die Ausführung wirklich durch Dilettantismus im Sujet nach dem
herkömmlichen Sinn bestimmt sein, wie etwa beim
ärgerlich schlecht malenden Baselitz in seinen
Kopfstandbildern. Dies alles setzt aber den Fortbestand der Art World
voraus. Es würde mit deren Kollaps sehr schnell verschwinden
und einer formsensiblen, wenngleich bescheideneren Kunst Platz machen.
Bescheiden kann, um auch das noch zu erwähnen,
übrigens auch eine Kunst monumentalen Zuschnitts sein,
wofür Christo ein Beispiel gibt.
Nun kann
eine Kunst, die wesentlich auf Provokation hinausläuft, etwas
für die Dynamik der Subjektivität Wesentliches
treffen. Ich meine jedoch, dass sie nicht große Kunst werden
kann. Die muss sich auch auf die Dynamik der Subjektivität als
solche einlassen und das auch zu verstehen geben. Das Positioniertsein
im Rahmen der Art World, der nun nichts mehr ausgrenzt, genügt
dafür nicht. Diese Welt lebt derzeit noch weiter davon, dass
sie einmal aus der Zuwendung zu großer und
maßgebender Kunst entstand und dass sie in ihr stabil
geworden ist.
Nun weiß niemand mehr, was
als große Kunst wirklich zu überzeugen
vermöchte. Ich selbst meine, dass die Minimalbedingung
dafür die Erfüllung ästhetischer Kriterien
bleiben wird, und eine Erkundungsleistung unter deren Voraussetzung
– in welchem Medium und an welchen Grenzen von und zwischen
Medien auch immer. Wir können daran zweifeln, ob die Kunstwelt
noch weiterhin stabil genug sein wird, um eine Übersicht
darüber, oder gar über Weisen des Tiefgangs von
Erfahrung, zu ermöglichen. Derzeit jedenfalls dient der
Kunstbetrieb auch großer Museen eher dazu, die Ausweitung der
Kunstpraktiken und der regionalen Kunsttraditionen zu legitimieren, die
in den Wahrnehmungsrahmen der Art World einfach nur hineingeschoben
werden und die dort dann ein Durcheinander und auch unter den Experten
eine beträchtliche Verlegenheit zurücklassen.
Nun
aber zu dem Entscheidenden in Ihrer Frage! Kunst endet dort, wo der
ästhetischen Verfassung des Gebildes, das entsteht, keinerlei
eigene Aufmerksamkeit mehr gilt. Diese Aufmerksamkeit ist auch dann am
Werke, wenn das Bilden des Gebildes aus anderen Motiven als denen der
Kunstproduktion hervorgeht und wenn sie von diesen anderen Motiven
beherrscht bleibt. Ohne diese Aufmerksamkeit kann aber weder
große noch bescheidene Kunst entstehen.
Auf
andere Weise endet Kunst dann, wenn niemand mehr im Bilden wirklich zu
gelungener ästhetischer Verfassung gelangt – wenn
etwa nur noch Kitsch oder Programmkunst möglich ist. Von
diesem zweiten Ende ist aber das Gelingen bescheidener Kunst immer noch
weit abgelegen. Denn auch sie entspricht doch einem tief angelegten
Bedürfnis des Menschen als solchen – insofern er
nämlich wahrnehmendes Wesen und in dieser Wahrnehmung zugleich
seiner selbst bewusst ist und folglich auch seiner Wahrnehmungsart
bewusst sein kann.
Solbach: Wenn
es eine Sozialisation zur Philosophie gibt, dann gibt es auch eine zur
Kunst. Beide sind innerhalb unseres Bildungssystems prestigeerzeugende
und -fördernde Institutionen. Nun gibt es unterschiedliche
Weisen des Hineinkommens und Hineingeratens, Weisen der Selektion, die,
wenn sie nicht klug gesteuert und über ein intaktes
Fördersystem für ungewöhnliche Leistungen
vor Verirrungen geschützt werden, eine dauerhafte Dominanz des
Mittelmaßes zur Folge haben können. Sehen Sie da
Gefahren und Abhilfen?
Henrich:
Der Vergleich, den Sie aufbringen, hat etwas sehr Erhellendes. Die
Philosophie würde mit der Universität und den
Institutionen der Forschung so wenig verschwinden wie die Kunst mit der
Art World und den Kunstakademien. Denn die Philosophie geht, wie die
Kunst, aus einem dem Menschen wesentlichen Interesse hervor. So
würde sie aus denselben Motiven, die sie ins Dasein brachten,
außerhalb der Institutionen weitergeführt werden.
Aber sie würde dort wohl den Anschluss an Kriterien der
Exzellenz im Begründen, an die Prüfung ihrer
Profundität in ihrem Eröffnen von Perspektiven und an
die Herausforderung und Klärung durch professionelle Debatten
verlieren. In Deutschland riskiert man es derzeit durch eine sogenannte
Studienreform, die Philosophie in der Universität zu einer
Hilfseinrichtung, etwa in angewandter Ethik, herunterkommen zu lassen
und sie ansonsten in eine Winkelposition, am Ende gar in die Emigration
aus der Universität zu nötigen.
Aber
es lassen sich viele Institutionen denken, die sie aufnehmen
würden. Über Jahrtausende hat die platonische
Akademie Vorbildfunktion gehabt, in Florenz ist sie nach bald zwei
Jahrtausenden wieder auferstanden. Um die Philosophie braucht man sich
also weniger Sorgen zu machen als um die Zukunft dessen, was in
Deutschland Bildung hieß und was mit ihr die
Selbständigkeit des Geistes ausmacht.
Die
Kunst ist da wohl in größeren Schwierigkeiten,
insbesondere aber die freie und bildende Kunst. Es scheint in ihr
bislang keine Einrichtung zu geben, die mit ihren Urteilen und
Auszeichnungen ein Gegengewicht zum in Absurdität ausufernden
Kunstmarkt sein könnte – wie in der Literatur,
besonders aber in der Musik, wo verlässliche Kriterien
für bedeutende Leistung weiterhin in Kraft sind, unter anderem
auch durch allgemein angesehene Preise wie den Siemens-Musikpreis
instrumentiert. Ihm kommt der Nobelpreis für Literatur an
Professionalität und Neutralität nicht gleich. Gibt
es aber unstrittige Vorbilder, dann auch eine Orientierung für
die Jungen und Nachfolgenden – zum Erreichen derselben
Höhe, aber auch zur Gegenprofilierung aus dem Eigensten
heraus. Das sind dann die Lehrer, welche die Jungen suchen werden, wozu
man ihnen dann so viel als möglich helfen kann und sollte. Ein
Teil davon wäre wiederum, dass solche Lehrer auf lange zur
Lehre ermuntert und instandgesetzt bleiben.
Für
die bildende Kunst scheint da institutionelle Phantasie in ganz anderem
Maße vonnöten. Die Art World scheint derzeit nicht
dazu imstande zu sein, diese Phantasie selbst freizusetzen und dann
auch etwas Wirkungsvolles aus ihr heraus wirklich werden zu lassen. Ich
weiß aber selbst keinen schlüssigen Rat. Auch von
einer Rundfrage bei den wichtigsten Kritikern und Leitern der Museen
für moderne Kunst kann man sich nicht allzu viel versprechen.
Da gibt es also ein unbebautes Feld für einen großen
Mäzen mit schlechtem Gewissen wie Alfred Nobel.
Über
den Zusammenhang von Kunst, Leben und Gegenwart
Solbach:
Kehren wir noch einmal zu Hegel zurück. Wir beugen nicht mehr
das Knie vor einer Statue oder einem gemalten Gott. Dennoch, sagen Sie,
ist die Kunst ein und dieselbe – von den uns bekannten
Anfängen in Lascaux und anderswo bis zu den
flüchtigen Erscheinungen, die in der aufs Heute gestellten
Kunstwelt den Ton angeben. Schließt das nicht ein, dass
Künstler nie ganz Heutige sein können, dass sie,
gegen die ältere Kunst gehalten, eine Art Stellvertreter- oder
Platzhalterrang beanspruchen und durch ihre Gegenwart daran erinnern,
dass es im Universum der Bedeutungen keine eindeutigen Sieger und
Verlierer gibt? Anders ausgedrückt: Residiert nicht auch in
der reflektierten Kunst der Moderne ein vorreflexives Moment, das sich
eher mit dem Spiel der Hände verbindet als mit dem
bloßen Gedanken, ohne deshalb aufzuhören, Gedanke zu
sein und, sagen wir, ein Denken zu konturieren? Was bedeutet vor diesem
Hintergrund das Sich-Historischwerden der Moderne sowie die Autonomie
der Kunst?
Henrich: Die ganze
Vergangenheit und jede Zukunft der Kunst haben, insofern sie Kunst
sind, Grundzüge miteinander gemeinsam. Das heißt
aber nicht, dass sich Epochen und Formen der Kunst etwa nur
unwesentlich voneinander unterschieden. Es heißt auch nicht,
dass irgendeiner Epoche eine Dominanz über die folgende
Geschichte der Kunst eignet, weil in ihr die Kunst etwa eine
schlechthin paradigmatische und letztlich verbindliche Gestalt
angenommen hat. Vielmehr ergibt sich die umgekehrte Folgerung: Was
Kunst als eine einzige und also in sich einige begreifen
lässt, lässt ihr in dieser ihrer Einheit zugleich
eine unendliche Variabilität zuwachsen. Diese
Variabilität macht auch Gipfelzeiten ganz verschiedener Anlage
begreifbar.
Die Gründe ihrer Einzigkeit
sind eigentlich nur zwei: Zum einen die ästhetischen
Grundtatsachen, zuerst also die Distanz des Menschen zur wahrgenommenen
Welt, welche ihn befähigt, in allem Wahrnehmbaren eine
höhere Dimension der Zuordnung von bewegter Gliederung und
Konzentration in eine Gegebenheit einzubringen und das Gelungensein
dieser Zuordnung selbst auch zu gewahren. Zum anderen das
Grundbedürfnis, das eigene Leben in einem Weltgehalt und
diesen Gehalt in Prägnanz vor sich zu bringen und dabei sein
Leben als eingefügt in eine Weltform zu gewahren.
Wahrnehmungsgesetze unter Bedingungen von Distanz zur unmittelbaren
Welt sowie ein Selbstverhältnis, das samt seiner Weltbeziehung
im Medium eines Gebildes auf den Menschen zurückkommt
– dies beides und nur dies beides eignet jeglicher Kunst von
irgendeinem Gewicht. Beide Gründe sind in sich modifikabel;
und eine noch größere Modifikabilität
ergibt sich daraus, dass beide zudem auf die unterschiedlichste Weise
zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Allein deshalb,
weil Kunst über diesen ihren Grund immer dieselbe ist, muss
man also nicht fürchten, die Kunst einer Gegenwart werde immer
gegenüber dieser ihrer Gegenwart selbst auch
abständig bleiben.
Zudem hat man noch
andere Quellen für den weiten Spielraum von Modifikationen in
der Kunstproduktion zu beachten. Denn Kunst ist nicht nur anderen
Weisen des Verstehens benachbart; sie kann auch von ihnen umgriffen,
also in sie eingegliedert und durch sie modifiziert sein. Das folgt
schon daraus, dass gerade große Kunst in dem
Selbstverhältnis des Menschen fundiert ist, das seinerseits
alle Weisen des Verstehens durchzieht und auf unterschiedliche Weise
auch konstituiert.
Damit kommen wir wirklich zu
Hegel zurück. Dessen These vom Ende der Kunst hat
nämlich nicht nur die ziemlich leicht verständliche
und zu akzeptierende Bedeutung, der zufolge im Medium der Kunst das
nicht mehr zur Darstellung kommen, also
repräsentiert werden kann, was bereits in Hegels Zeit als die
letzte Wirklichkeit zu denken war. Er dachte vielmehr ganz im Ernst,
dass ehedem, nämlich im klassischen Griechenland, im Kunstwerk
selbst das Absolute, also das als letzter und ganzer Grund zu Denkende
und zu Erfahrende, in die Wirklichkeit heraustrat, dass also jenes
Absolute im Kunstwerk ganz buchstäblich seine Wirklichkeit,
nämlich die des Manifestiertseins gewonnen hat. Die Knie
beugen sich vor einem solchen Kunstwerk – und zwar insofern
es Kunstwerk ist – nur unter solchen Bedingungen, dann aber
auch selbstverständlich. Dass im Kunstwerk eine Kunstreligion
sich hat realisieren können, macht im emphatischen Sinne das
aus, was für Hegel mit der Moderne nunmehr auch in seinen
fernsten Ausläufern definitiv zu Ende gegangen ist. Ich sagte
schon, dass dieser Gedanke Hegels in seiner ganzen Komplexion kaum
irgendwo klar herausgearbeitet ist. Er lässt sich auch nur
dann gut erklären, wenn man Hegels Begriff vom
›Absoluten‹ genau zu entwickeln versteht. In ihm
sind, um nur ein Minimum zu erwähnen, ein
letztgründender Gehalt und die Bezugnahme auf diesen Gehalt
zusammengeführt.
Es wäre
offenbar nicht angemessen zu sagen, dass Hegel die Wirklichkeit der
Kunst unter den Bedingungen der Epoche der Kunstreligion, also unter
der Dominanz einer Religion, etwa an einer Grenze ihres eigentlichen
Wesens angesiedelt sieht. Denn in dieser Epoche soll ja das Kunstwerk
gerade in Wahrung des ihm eigenen Wesens zur Zentralstellung in einer
Religion aufgestiegen sein. Dagegen ist die Kunst der Gegenwart
wirklich auch in eine solche Grenzposition gelangt, und zwar aus
mehreren Gründen.
Schon länger
herrschte Misstrauen gegenüber den Assoziationen, die mit
einer Kompositionsart verbunden sind, die über Kontraste auf
Geschlossenheit ausgeht und die so mit Hilfe einer
ästhetischen Gestaltungsart Versöhnung im wirklichen
Leben indizieren könnte. Man versucht deshalb immer wieder,
innerhalb der ästhetischen Formation des Wahrnehmens selbst
gegen diese Konnotation anzugehen. Das kann bis dahin führen,
dass sich ein Trend hin zur Anti-Kunst ausbildet, die alle
Gegenstände einer ›bloßen‹
Betrachtung durch Denkzeichen und Aktionssignale zu ersetzen sucht.
Eine andere Tendenz kann zu dieser parallel entstehen. Sie geht darauf,
die überkommenen Formen der Kunst der Aura zu entkleiden, die
ihnen während der Jahrhunderte seit der Renaissance und in der
Art World der bürgerlichen Kultur zugewachsen war. Von da aus
kann man dann dazu übergehen, Kunst auf ihren Alltagsgebrauch
auszurichten und in Alltagsumgebungen zu transponieren,
schließlich auch so, dass sie selbst zu solchen Umgebungen
wird und von ihnen nicht mehr zu unterscheiden sein soll. In einem
damit werden neue Medien, die auf technischen Entdeckungen und
Entwicklungen beruhen, als Medien der Kunstproduktion akzeptiert und
dabei in eine eigene Entwicklung von Kunstproduktionen versetzt.
All
das kann dahin zusammenwirken, dass die Grenzen dessen, was genuine
Kunstproduktion ist, gedehnt und oft auch überdehnt werden.
Das Wort ›Kunst‹ hat ja wirklich auch viele
andere Bedeutungen, die nicht an das gebunden sind, was die Produktion
von ›Kunstwerken‹ zu einem vielfältig
gegliederten, aber eben doch in sich Einigen macht. So genannte
›Kunststücke‹ aller Art gehören
in keine Art World. Die Verblüffung oder das Gruseln, auf die
Schausteller, Zauberkünstler oder Hungerkünstler
setzen, ist keine Reaktion auf Kunst in deren spezifischem Sinn. Auch
die Freude an artistischen Leistungen muss kein ästhetisches
Gefallen sein. Nicht der staunenmachende Effekt unter der Zirkuskuppel,
sondern allein das Gewahren der Art seines wohlgeordneten Eintretens
ist es, was auch die Leistung von Artisten und Sportlern zu einer
ästhetischen Tatsache werden lassen kann – wenn auch
noch immer zu keinem Kunstwerk.
Vieles von dem,
was für die Kunst der entfalteten Moderne charakteristisch
ist, lässt sich jedoch nicht auf ein Verwischen solcher
Grenzen zurückführen. Seit langem sind in ihr
Versuche im Gang, von etwas einen Aufschluss zu geben, das sich nicht
auf irgendeine Weise als Gegenstand repräsentieren
lässt. Zwar kann die Kunst durchaus vom expliziten
Gegenstandsbezug abstrahieren und dennoch Welten
repräsentieren, die eben nur in einer Abstraktion
zugängliche Welten sind, oder Zustände, die nur in
expressiven Akten erfahrbar werden. Die Darstellungsfunktion der Kunst
ist damit noch nicht aufgegeben.
Aber es gibt auch
Grundsachverhalte des Lebens, die sich jeder
Vergegenständlichung entziehen. Die moderne Literatur kann
sich auf sie konzentrieren und daraus ganz neue Textformen entstehen
lassen. Diese Tendenz hat etwas gemeinsam mit dem gerade eben schon
erwähnten Widerstand gegen die Besetzung der
ästhetisch-geschlossenen Form mit einer metaphysischen
Bedeutung. Mein Freund Wolfgang Iser hat gezeigt, wie in literarischen
Texten so etwas wie Endlosigkeit oder Nichtigkeit im sprachlichen
Prozess selbst hervorgehen kann. Solche Gedanken sind mit dem Tod und
mit dem gleichfalls jedenfalls als solches nicht
präsentierbaren Selbstsein des Menschen intern verbunden, und
so mit Themen der Philosophie und der modernen Literatur
gleichermaßen.
Man muss sich nun
allerdings fragen, von welcher Grenzlinie an Texte, in denen sich
solche Gedanken artikulieren, von einem Kunstwerk zu einem Experiment
philosophischer Erfahrung werden, das es nur womöglich nicht
vermeiden kann, in den Anschein zu geraten, ein Kunstwerk zu sein
– so wie andere philosophische Werke mit von Paradoxien
bedrohten und von ihnen inspirierten Themen auch. Ich selbst meine,
dass solche Werke nur dann Kunst sind, wenn sie auf die Rezeption auch
in ästhetischer Distanz angelegt sind und wenn sie die gerade
mit ihr verbundenen Kriterien von Gelingen in Rechnung stellen
– wenn sie sie also auch noch in der Art, wie sie sie etwa
verletzen, auf andere Weise auch erfüllen wollen.
Solche
Kunst kann, wie überhaupt alle große Kunst der
entwickelten Moderne, niemals ein großes Auditorium an sich
ziehen. Immerhin kann ihre Wirkung über vermittelnde
Zwischeninstanzen bedeutendes Gewicht gewinnen. Die
Lebensverhältnisse in der Zivilisation der Massenproduktionen
berührt sie direkt allerdings wohl gar nicht oder nur marginal
– sicher weniger als Christos Safran-Tore im Central Park
oder die vom eigentlichen Kunstprozess weitgehend abgekoppelte Rock-
und Gebrauchsmusik. Große Kunst der Moderne ist also auf
fernen Gipfeln und abseits des Prozesses der öffentlichen
Verständigungen angesiedelt Aber dennoch zielt sie
in die Mitte der Situation des bewussten Lebens in ihrer Zeit.
Solbach:
Die Verfügbarkeit der Welt in Symbolen, ihr zweites
Vorhandensein im Bild, in der literarischen Fiktion und in den
musikalisch-lyrischen Harmonien hat eine lange Tradition magischer
Auslegung der Kunst bewirkt, deren Folgen sich noch heute bemerkbar
machen. Wenn, um eher triviale Beispiele zu erwähnen,
Rockmusiker eine bessere Welt herbeizuspielen behaupten oder
Künstler magische Praktiken zu Befreiungszwecken imitieren,
dann stellen sie sich, meist mit antiwissenschaftlichem und
antiökonomischem Gestus, wissentlich oder unwissentlich in
diese Tradition. Welche Mittel bietet die nachidealistische
Philosophie, diese Seite der Kunst zu denken?
Henrich:
Kunst in unserem Sinn, also eine Kunst, die nicht in einen Mythos oder
einen Ritus integriert war, von der auch kein Zauber im vollen Sinn
dieses Wortes ausging, hat es in der frühen
Menschheitsgeschichte überhaupt nicht gegeben. Selbst einfache
Ornamente waren Bedeutungsträger und bewirkten eine
Gruppenbindung, im Tanz wurden Gottheiten zur Erscheinung gebracht,
Darstellungen waren Machtmittel, indem sie das, dem sie galten, in das
Bild bannten.
Auch moderne Künstler waren
immer wieder dazu versucht, ihre Kunst in diese
wirkungsmächtige Tradition zurückzuführen.
Wagners Weihespiel, in dem die Einheit des Volkes verwirklicht werden
sollte, ist mit seiner langen Nachgeschichte der wohl bekannteste unter
ihnen. Aber Hegel hat schließlich doch überall dort
Recht behalten, wo die Moderne sich als Welt ausgebildet hat:
Vermittelt durch das Kunstwerk schließt sich das Leben nicht
mehr mit der Wirklichkeit als ganzer zusammen. Nichts
Übermenschliches und Übernatürliches wirkt
in dem Werk und geht von ihm als solchem aus.
Doch
jene mächtige Menschheitstradition ist wirklich in einer tief
liegenden Zuordnung begründet gewesen. Wir können sie
uns mit dem verständlich machen, was unsere eigene
Kunsttheorie von der Verfassung des Kunstgebildes zu sagen hat: Es hebt
sich, schon als ästhetischer Gegenstand, aus seiner Umgebung
mit seiner internen Stimmigkeit ab, zieht damit die Aufmerksamkeit in
sich hinein und nimmt zugleich das Selbstverhältnis des
Menschen in Anspruch, das sich seinerseits immer in dem Ganzen einer
Welt selbst positionieren muss. Solange das magische
Verhältnis zur Welt nicht aufgebrochen ist, ist es darum ganz
unumgänglich, dass zwischen dem Kunstprodukt und dem Vollzug
von Praktiken, die sich aus diesem Weltverhältnis herleiten,
ein Zusammenhang unterstellt wird und dass die Kunstproduktion und der
Umgang mit den Kunstprodukten durchgängig darauf eingespielt
sind. Gelungene Bildungen erhalten so ganz von selbst die Kraft von
Idolen. Den schwarzen Madonnen und den Ikonen der orthodoxen
Kirche wird noch immer eine solche Wirkung zugetraut.
Ein
wenig anders, aber letztlich doch im selben Zusammenhang,
erklärt sich die Funktion des Kunstwerks als Schmuck und als
Erhöhung der Sphären, in denen
Herrschaftsmacht und Göttliches präsent
werden. Je selbstverständlicher die Trägerschaft
magischer Kraft dem Kunstgebilde zugeschrieben ist, desto enger wird
die künstlerische Gestaltung mit dem Heiligen verbunden sein
und der Markierung seiner Gegenwart dienen können. In der
sakralen Musik besteht diese Verbindung bis in die Gegenwart fort.
Wir
aber wissen doch, dass von dem Kunstwerk in seiner materialen
Beschaffenheit keinerlei Macht ausgeht und dass es, rein für
sich genommen, keiner höheren Ordnung zugehört oder
den Eingang in sie aufschließt. Wo immer ihm ein solcher
Status eingeräumt war, da ergab sich der eigentliche Grund
dafür in Wahrheit einzig aufgrund dessen, was das Kunstwerk in
der Subjektivität des Menschen bewirkt und was es in ihr
freikommen lässt. Und wenn denn, wie auch ich meine, ein
Zusammenhang zwischen dem Grund alles Wirklichen und der Wirklichkeit
der Kunst angenommen und verstanden werden muss, dann bildet sich
dieser Zusammenhang nicht direkt zwischen diesem Grund und dem
materialen Bestand des Werkes aus, sondern zwischen ihm und dem
Schaffensprozess, aus dem das Werk hervorgeht, der seinerseits in der
Subjektivität des Künstlers entspringt und
von ihr durchgängig getragen wird.
Bedeutende
Künstler sind in ihrer Selbstverständigung meist
sensibel und aufgeschlossen für eben diesen Zusammenhang. Kaum
einer von ihnen versteht sich einfachhin als der findige Ingenieur
seiner Werke. Sie erfahren sich vielmehr als ergriffen und
erfüllt von ihrer Aufgabe und oft auch als Werkzeuge oder
Vollzugsorgane eines Geschehens der Gestaltwerdung. Dem entspricht,
dass ihr Werk für sie nicht ein von ihnen frei erdachtes und
entworfenes Geschöpf sein kann, sondern ebensosehr etwas, das
ihnen zuwuchs und in dem sie einen Auftrag erfüllen.
Aber
auch wenn man dies alles sieht und einräumt, ist das Werk doch
kein Weltbestand mit extraordinären Potenzen und Ladungen. Es
ist nur ein Gebilde, das angelegt ist darauf, verstehend aufgenommen zu
werden. Als Kunstwerk existiert es nur für Subjekte und in der
Erfahrung von Subjekten, zu denen in ausgezeichneter Weise auch sein
Schöpfer selbst gehört. Es ist sowohl in seinem
Hervorgang wie auch in denen, für die es sich als Kunstwerk
erschließt, ganz und gar von der Subjektivität des
Menschen bedingt. In ihr hat es darum seine eigentliche Wirklichkeit,
wie sehr diese dann auch, zumindest auf Seiten des Künstlers,
eine Ingeniosität im Umgang mit den Materialien voraussetzt,
in denen sich das Werk als Gebilde aufbaut.
Hegel
ist dieser Tatsache nicht durchgängig gerecht geworden. Er hat
zwar, um den Hervorgang des Kunstwerks zu begreifen, den
Künstler als solchen berücksichtigt und das, was ihn
konstituiert, in den Gedanken von der Manifestation des Absoluten
eingeschlossen – samt seiner Verwurzelung in der Zeit und in
der für sie eigentümlichen Weise des
Sich-Manifestierens. Gleichwohl hat Hegel die Wirklichkeit dieses
Absoluten doch im Werk, und primär im Werk als solchem
inkorporiert gesehen, und dieser Aspekt ist in der von ihm
vorgetragenen Kunstphilosophie überall der primäre.
Insoweit gehört auch seine Kunsttheorie der Vorstellungswelt
an, an die Ihre Frage erinnert.
Nun ist Hegel mit
dieser Vorstellungswelt gewiss auch wieder nur von ferne verbunden.
Insoweit er ihr aber doch noch zugehört, ist er innerhalb
ihrer zudem reiner Kognitivist und schon deshalb aller Magie abhold:
Nach ihm geht im Kunstwerk einzig die Wahrheit
über das Ganze dessen auf, was wirklich ist. Diese Wahrheit
soll zwar auch nach Hegel frei machen, also in das gesamte
Selbstverhältnis eingreifen. Aber die Kunst hat keine
performative Bedeutung, die über die Wirkung der
kontemplativen Erkenntnis hinausgeht. Das Kunstwerk bewirkt nicht nur
keinen Zauber; es stellt in sich selbst auch keine Forderung auf, die
darauf geht, sein Leben zu ändern, und setzt keinen Impuls,
der daraufhin geht. Ich selbst denke allerdings, dass Kunstwerke doch
nicht allein Aufschluss geben, und dass es für sie wesentlich
ist, in den Prozess der Subjektivität nicht nur vermittels der
Erkenntnis dessen einzuwirken, was eigentlich wirklich ist. Sie
vermögen im bewussten Leben noch anderes auszulösen.
Denn in ihnen ist die Dynamik möglicher Weisen des Lebens
inkorporiert. Darum können sie das Leben, das der Mensch zu
führen hat, vor sich selbst bringen, ihm
Möglichkeiten verdeutlichen und es im Verstehen solcher
Möglichkeiten sogar erschüttern und zu einem Aufbruch
inspirieren. Doch auch dies alles ist durchaus nicht die Wirkung
physischer Gebilde, sondern der Auslotung von Verläufen des
Erfahrens, denen in den Gebilden der Kunst die Gestalt einer
wahrnehmbaren Wirklichkeit zugewachsen ist.
Freilich
ist das noch immer nicht das Ende aller Nachfragen. Denn aus ihm ergibt
sich ein guter philosophischer Grund dafür, auch wissen zu
wollen, wieso denn die Übersetzung von Erfahrungsweisen in
Gebilde überhaupt möglich ist und in welcher Weise
sie sich in den verschiedenen Medien vollzieht.
Solbach:
Einen zentralen Begriff der europäischen Kunsttheorie haben
wir bisher nicht berührt – den der Mimesis. Reden
wir nicht von ›Nachahmung‹, sondern von
›modellhafter Nachbildung‹, etwa einer Praxis,
was den Gedanken einer Versuchsanordnung mit einschließt: Ist
der aristotelische Begriff wirklich so tot, wie man es vor einigen
Jahrzehnten vermuten konnte? Nelson Goodman und andere haben zwar den
Realismus in der Kunst als eine – nicht besonders
intelligente – Konvention enttarnt, aber rechtfertigt das
auch die angenommene historische Zäsur zwischen mimetischer
und nicht-mimetischer Kunst? Oder ist vielleicht überall dort,
wo Kunst entsteht, auch eine mimetische Bewegung zu registrieren, die
eventuell dem entspricht, was Sie die ݆bersetzung
von Erfahrungsweisen in Gebilde‹ nennen?
Henrich:
Mimesis von Wirklichkeit ist ein vieldeutiges Wort. Wird Wirklichkeit
mit wahrnehmbaren Weltgehalten identifiziert, so scheint, was es
besagen will, auf die Meisterung der Darstellung von
Gegenständen in Raum und Zeit hinauszulaufen. Das ist eine
wichtige, niemals ganz zu erschöpfende Aufgabe insbesondere
der Malerei, aber nicht deren einzige und gewiss keine Definition von
Kunst überhaupt. Im Übrigen kann Wirkliches im
Kunstwerk repräsentiert sein, ohne dass die eigentliche
Bemühung der Kunst darauf konzentriert ist, solches zu
erreichen. Dafür ist das Phänomen des Ausdrucks ein
prominentes Beispiel. Eine Ausdrucksqualität kann auch ein
Werk haben, das rein nur als formales Ensemble komponiert worden ist.
In den Bereich eines Ausdrucks ohne jenen Gegenstandsbezug
gehört weiterhin schließlich auch, dass
Subjektivität im Kunstwerk vergegenwärtigt sein kann.
Solche Beispiele zeigen, dass Mimesis, verstanden
als Bemühung um Gegenstandstreue, als Kriterium für
die Kunstproduktion offenbar viel zu eng gefasst wäre.
Andererseits ist die alternative Erklärung der Mimesis als das
spontane Sich-Angleichen der künstlerischen Produktion an die
Kreativität des generativen Naturprozesses, aus der dann
Kreationen jeglicher, auch ungegenständlicher Art hervorgehen,
zu weit und zu vage. Ihre eigene Anregung, die Kunst in der
Nähe zu einer Versuchsanordnung zu verstehen, könnte
vielleicht eine Erklärung ergeben, welche die
begründeten Elemente in diesen beiden
Mimesis-Erklärungen der Tradition miteinander verbindet. Sie
kommt zudem meiner These entgegen, dass selbständig
geschaffene und vorbildgebende Kunstwerke immer aus einer Erkundung
hervorgehen. Wie sich Mimesis als Verfahren der Modellbildung
erklären lassen könnte, ist mir aber noch nicht
deutlich genug geworden.
Zum
Grundsätzlichen ist zu sagen, dass Komponenten von Bezugnahme
für die Kunstproduktion ganz sicher konstitutiv sind. Man kann
sich das mit Nelson Goodman und also innerhalb der Semiotik deutlich
machen – und das, obwohl die Semiotik nicht als
erschöpfende Theorie der ästhetischen Tatsachen
gelten kann. Denn sie gerät letztlich, wie ich im Versuch
über Kunst und Leben zu zeigen versuchte, in einen
Zirkel. Goodman sieht in der Ausdrucksbeziehung eines der für
das Ästhetische konstitutiven Momente und definiert Ausdruck
als metaphorische Exemplifikation – als einen Zeichenprozess
nämlich, in dem das Zeichen mit dem, was es bezeichnet, etwas
gemeinsam hat, aufgrund dessen es dies andere bezeichnet, aber nicht
buchstäblich und durch Deckungsgleichheit (wie im Falle einer
Stoffprobe), sondern in einer nur metaphorisch zu verstehenden
Gemeinsamkeit. In diesem Sinne kann die Verlaufsform eines Kunstwerks
die Dynamik der Subjektivität
›bezeichnen‹. Doch schon für den
Formaufbau innerhalb des Kunstwerkes selbst sind solche
Ausdrucksverweisungen konstitutiv. So drückt die
Wiederaufnahme eines Themas dessen ersten Auftritt im Sonatensatz
simpliciter aus, während man seine Umformung als
metaphorischen Ausdruck verstehen kann.
Solche
Weisen des Ausdrucks müssen aus der kompositorischen Intention
des Werkes hervorgehen. Doch sind auch natürliche
Ausdrucksbeziehungen wesentliche Komponenten von Kunstwerken. So sind
bereits Tonarten und Farben auf natürliche und also auf
letztlich nicht eliminierbare Weise mit Emotionen assoziiert, und es
gibt zudem kein Kunstwerk, das nicht als Ganzes in eine Gestimmtheit
versetzen kann. Doch sind diese Verhältnisse Voraussetzungen
der Kunstproduktion, die auch zur Dichte der Komposition beitragen
– nicht aber deren Ziel. Sie sind im künstlerischen
Kalkül des Entwurfs und der Komposition zu
berücksichtigen. Aber dieses Kalkül ist selbst nicht
auf sie, sondern auf Formbildung angelegt. Die Formbildung ist
ihrerseits allerdings, wie gesagt, wiederum mehr als ein in sich selbst
differenziertes Bezugsystem, das rein nur auf sich selbst, nicht aber
auf das Leben verweist, aus dem es hervorgeht und in dem es
Bedeutung gewinnt.
Mit all dem habe ich nur ein
wenig zu differenzieren versucht, was Sie in dem letzten Satz Ihrer
Frage selbst schon nahegelegt haben und dem ich ganz zustimme. Das
Verhältnis von Kognitivität und
Emotionalität in der Beziehung zur Formgebung wird noch lange
weiterer Aufklärung bedürfen.
Besondere
Probleme ergeben sich dann weiter noch, wenn man sich die Weise
verständlich machen will, in der Kunstwerke die Verfassung und
eine historische Form der Selbstverständigung von
Subjektivität, mit Goodman gesprochen,
›metaphorisch exemplifizieren‹, also
vergegenwärtigen, wie wir, terminologisch lockerer, gesagt
haben. Diese ihre Leistung kann kaum aus einer kompositorischen
Intention und der Erkundungsleistung hervorgehen, die sie nach sich
zieht. Die Weise der Selbsterfahrung der Subjekte in einer Epoche muss
sich wohl als Rahmenbedingung für die künstlerische
Erkundung geltend machen. So wie das Selbstbewusstsein in allem Denken
immer schon vorausgesetzt wird, aber dennoch selbst als ein Denken sui
generis begriffen werden muss, so sind auch mit der Selbsterfahrung in
einem Zeitalter Grenzlinien für ohne Vorbehalt rezipierbare
Werkformen, und für Fluchtlinien in der Erkundung von Gebilden
ausgezogen, die in der Tiefe Zustimmung auf sich ziehen
können. Die Vergleichsbasis für die metaphorische
Exemplifikation einer Selbsterfahrung durch eine Kunstgestalt ist
dabei, wie gesagt, in der Dynamik der Selbstentfaltung von Werkform
einerseits und von bewusstem Leben andererseits zu suchen. Solche
Ausdrucksleistung kann offensichtlich nicht als naturhafter Ausdruck,
aber ebensowenig als Ausdruck kraft kompositorischer Maßnahme
und Gesetzlichkeit verstanden werden. Denn sie geht unmittelbar aus der
Grundlage jeglichen Zusammenhangs zwischen selbstbewusstem Leben und
Kunstproduktion hervor. Sie kann keinem Künstler, der
große Kunst in seiner Zeit wirklich werden lässt,
irgendwie zur Disposition stehen. Er kann sich dieses Zusammenhangs nur
bewusst werden und seine Erkundung sich aus ihm heraus vollziehen
lassen. Aber auch diese seine aufmerksame Rücksicht wird sich
noch im Hintergrund seiner Überlegungen vollziehen, die der
Lage des Mediums seiner Kunst und dessen
Entwicklungsmöglichkeiten gelten. Nur dann, wenn eine
Situation eintritt, in der neue produktive Möglichkeiten in
der Entwicklung des jeweiligen Mediums offenstehen, kann eine Wandlung
in der Selbstverständigung des Menschen auch eine Epoche
höchster Kunstleistungen einleiten – so wie es in
der Musik der Wiener Klassik oder in der Malerei der Renaissance des
15. Jahrhunderts der Fall gewesen ist.
Solbach:
Um bei der Musik zu bleiben: Auf den Werken der Wiener Klassik, in
denen sich die ästhetische Repräsentation des
Subjekts vollendet, liegt, schreiben Sie, etwas wie ein Schleier, eine
Distanz, eine Art Entrücktsein, das fehlt, wenn man
zeitgenössische Musik hört, in denen das Subjekt nur
stückweise, kontaminiert und fragmentiert mit heterogenem
Weltstoff, zu vernehmen ist. Das wäre doch paradox: wenn Kunst
eine, vielleicht die einzige Weise ist, in der Subjektivität
vergegenwärtigt werden kann, woher dann die Distanz? Woher die
Scheu, sich diesen Gestaltungen hinzugeben? Sehen Sie hier eine
historische Differenzierung oder Entdifferenzierung des
ästhetischen Sinns?
Henrich:
Paradox scheint mir der Befund, auf den Sie sich beziehen, allenfalls
auf den ersten Blick zu sein. Ich will versuchen, ihn etwas weiter
ausgreifend zu erläutern.
In einem
ästhetisch gegliederten Gebilde auf sich selbst
zurückkommen, heißt für das Subjekt
anderes, als in einem Prozess zu stehen und sich in ihm selbst zu
vollziehen. Seiner Dynamik im Kunstwerk inne zu werden kann zwar
für diesen Vollzug große Bedeutung haben. Aber das,
dessen das Subjekt da innewird, ist doch nicht es selbst in der
Aktualität dieses seines jeweiligen Lebens – sei es
dem, in dem es gerade jetzt steht, sei es das einer
zurückliegenden Phase seines eigenen bewussten Lebens, die
nunmehr in seine ebenfalls gelebte Erinnerung eintreten kann. In seinem
wirklichen und verwirklichten Selbstsein versammelt es sich einzig in
dieser seiner Erinnerung. Im Kunstwerk ist es sich dagegen im Modus der
Möglichkeit gegenwärtig. Was es in
diesem Modus erfährt, ist zum einen eine mögliche
Weise, in einer Welt, die es selbst einbegreift, Subjekt zu sein und in
der Dynamik der Subjektivität zu stehen. Zum anderen ist es
die Erfahrung eines möglichen Ganzwerdens des bewussten
Lebens, sei es im Gelingen einer Zusammenführung der Tendenzen
seines Leben, sei es im Scheitern jeglichen Zusammenschlusses als dem
letzten Resümee, zu dem es gelangen kann.
Für
das Kunstwerk ist allerdings weiterhin noch charakteristisch, dass es
zwar nur eine Möglichkeit der Erfahrung von Selbstsein
vergegenwärtigt, dass dies im Kunstwerk aber auf eine sehr
besondere Weise geschieht, nämlich so, als wäre sie
gerade wirklich zur eigenen geworden. Die Möglichkeit ist also
nicht eine in abstracto erwogene, sondern eine in concreto vorgestellte
und angemutete. Was als Möglichkeit erfahren wird, vollzieht
sich zugleich in klarer Gegenwärtigkeit, Artikulation und
Plastizität, so dass es für die Zeit, in der die
Erfahrung andauert, das eigene Leben in seiner Aktualität der
Phase, die es gerade durchläuft, sogar noch zu
übersteigen scheint. Von der Möglichkeit, wiewohl nur
als einer solchen, wird die ganze Aufmerksamkeit absorbiert. Das Leben
ist in einer Erfahrung dieser besonderen Art von einem Kunstwerk nicht
einzig in der verstehenden Betrachtung der Komposition des Werkes
versunken. Das Subjekt kann auch von der Dynamik, die sich im Werk
aufbaut, so weit gefangen genommen sein, dass die Kunsterfahrung dem
ganz persönlichen Vollzug dieser Dynamik so nahe kommt, wie es
denn unter der Voraussetzung überhaupt möglich ist,
dass die Differenz zwischen Kunsterfahrung und Lebensvollzug doch nicht
aufgehoben werden kann und dass sie deshalb grundsätzlich
immer auch als solche bewusst ist. Der Verlust dieses Bewusstseins
würde die Kunsterfahrung als solche geradezu aufheben und in
etwas ganz anderes (etwa eine magische Transsubstantiation) verwandeln.
Aus dieser besonderen Weise, in dem Kunstwerke eine
Lebensmöglichkeit nicht nur in abstrakter Erwägung zu
vergegenwärtigen, erklärt sich sowohl die
Intensität der Erfahrung von bedeutenden Kunstwerken wie auch
die Fähigkeit, in das jeweils eigene Leben hineinzuwirken,
welche solchen Werken innewohnt – sogar
auf Dauer und dies Leben verwandelnd – und das gerade auch
deshalb, weil die Werkerfahrung vom Lebensvollzug selbst immer auch
klar unterschieden geblieben ist.
Dass von
Kunstwerken, zumal den musikalischen, eine solche Wirkung ausgehen
kann, erklärt sich weiter noch daraus, dass sie
Lebensmöglichkeiten nicht in diskursiver Sprache und
über Abstraktionen ausgearbeitet vorstellen, sondern dass sie
diese Möglichkeiten in ihrer eigenen dynamischen Verfassung
und damit zugleich über den Ausdruck der Emotionen
vergegenwärtigen, die in ihrem Vollzug aufkommen und die ihn
charakterisieren. Das heißt nun nicht etwa, dass die
Emotionen vom Kunstwerk im Leben dessen, der sich auf es
einlässt, auch wirklich induziert und ausgelöst
werden, so dass sie sein eigenes Leben und Erleben
durchtränken und einfärben. Die Distanz, welche
für die Betrachtung und also für jegliche
Kunsterfahrung konstitutiv ist, bleibt ohne Verkürzung
erhalten. Aber der Umstand, dass im Nachvollzug des Werkes die in ihm
inkorporierten Emotionen zum Gehalt der Betrachtung werden, bringt das
Werk ganz unangesehen des Fortbestehens der Distanz der Betrachtung
doch näher an die Subjektivität als solche heran, als
dies würde geschehen können im Sicheinlassen auf die
Kalkulation von Werkformen oder auch auf bloße
Mitteilungsarten, die anderen Medien, zumal dem sprachlichen,
zugehören.
Alle diese Tatsachen kommen nur
dann in anderer Weise zur Auswirkung, wenn eine in einer Werkform
inkorporierte Weise des Vollzugs von Subjektivität in den
Subjekten selbst auf veränderte Rezeptionsbedingungen trifft.
Solche mögen einem historischen Wandel und können
insbesondere einer vertieften oder auch nur verschobenen
Verständigungsart über Subjektivität
entspringen. Dann kann die Anmutung einer möglichen
Lebensweise, die von der Werkform ausgeht und die aufgenommen werden
muss, sofern das Werk auch nur adäquat nachvollzogen wird,
insofern von der Erfahrung einer Entfernung überlagert werden,
als die Grundausrichtung der Subjektivität einer wirklichen
Ausnahme der Anmutung in den eigenen Lebensvollzug entgegengeht und
damit, wenigstens zunächst einmal, einer erfahrenen Anmutung
auch widerstrebt. Wenn man von einigen späten Werken der
Meister absieht, kann man von der Kompositionsform der Wiener Klassik
sagen, sie sei in ihrer Anlage, der Architektur ihres Satzbaus nach,
mit der Erfahrung der Entfaltung von Gegensätzen verbunden,
die über ihren Entwicklungsgang stets zu einer
Auflösung der Kontraste in einen harmonischen Zusammenklang
führt. Wenn nun die Subjektivität einmal dahin
gelangt ist, in ihrer Selbstverständigung, allem anderen
voran, auf den dunklen Grund zu achten, der sich in der Dynamik ihrer
Selbstentfaltung auswirkt, dann wird sie die Anmutung einer Werkgestalt
als ihr selbst näher kommend erfahren, in der die Entfaltung
von Kontrasten mit der jederzeit mithörbaren Anlage auf
schlussendlichen Einklang hin nicht die offenkundige Dominanz innehat.
Sie wird in den Anmutungen einer Kompositionsart, deren Verlaufsform
auch auf ein Stocken, auf Abbrüche und Abgründe
zuzugehen vermag, eine größere Nähe zur
eigenen Befindlichkeit erfahren.
Der Unterschied,
den wir bei solchen Überlegungen beachten, ist ein solcher in
der Architektonik der Werkform insgesamt, im Formverlauf eines
musikalischen Satzes als eines ganzen. Seiner bewusst zu sein, nimmt
die Fähigkeit zur wahrnehmenden Übersicht
über die gesamte Entwicklung einer Komposition in Anspruch,
also das, was man als ›Fernhören‹
bezeichnet hat. Diese Fähigkeit hat eine solide musikalische
Erfahrung zur Voraussetzung, wenn auch nicht die Spezialkenntnisse
eines Analytikers von Partituren. Musik baut sich dagegen in kleinen
Perioden, Phrasen und Taktfolgen auf. Sie sind es, die in der
Präsenzphase des Bewusstseins das eigentlich und im
buchstäblichen Sinn Gehörte ausmachen. Aber die
Weise, wie diese Phasen strukturiert sind, ist doch von der viel
größeren Einheit der Werkform der Komposition her
bestimmt. Ohne dass die gehörten Phasen auf die Einheit der
Satzform und die mit ihr verbundenen Anmutungen ausgerichtet werden,
würden die Entwurfsprinzipien der größeren
Einheit gar nicht zur wirklich durchgeführten und im Gewahren
überzeugenden Gestalt geführt werden können.
Die Verständigung über diese
Zusammenhänge ist während der letzten Jahre in den
kontroversen Debatten zwischen den amerikanischen Musiktheoretikern
Peter Kivy und Jerrold Levinson um ein gutes Stück
vorangebracht worden. Aufgrund ihrer wird es auch
verständlich, dass der Hörer schon von wenigen Takten
klassischer Musik in den Bereich von deren Anmutungen hineingezogen
wird. So können sich gänzlich unmusikalische
Personen, die sich mit klassischer Musik nur als Hintergrund ihrer
Arbeit berieseln lassen, dennoch in ihrem Anmutungsbereich aufhalten
– und ihn womöglich gerade wegen der Ferne von deren
Anmutungsart zum eigenen Erleben als beruhigend empfinden.
Ich
sollte noch hinzufügen, dass die moderate Ferne, die
über der klassischen Musik für den von der
entfalteten Modernität bestimmten Hörer liegt, nicht
den geringsten Abstrich an derjenigen Ergriffenheit zur Folge hat,
welche aus der Einsicht in die kompositorische Größe
ihrer Werkes im erfahrenen Hörer hervorgehen wird. Sie ist
dann rein nur eine immanente und als solche sogar notwendige Folge der
vertieften ästhetischen Betrachtung. Auch diese Betrachtung
als solche muss sich zwar der Anmutungen des Werkes bewusst sein, wird
ihnen gegenüber aber in der Distanz der reinen Betrachtung
verharren, also in der ästhetischen Einstellung das
Insspielkommen der Subjektivität des eigenen bewussten Lebens
beiseitegesetzt halten. Jedenfalls ist jene Ergriffenheit keine Folge
von persönlichem Engagiertsein, sondern des Verstehens und der
Bewunderung großer Kunst. Die Wirklichkeit kann allerdings in
ganz anderer Weise das eigene Leben betreffen und ergreifen. Und so
kann eine in dieser Gegenwart wurzelnde Musik oder auch eine
historische Musik, die gegenwärtigen Erfahrungen
näher zu kommen scheint, auch ästhetisch auf eine
Weise berühren, über die jener Schleier, von dem wir
sprachen, nicht ausgebreitet ist.
Schließlich
sollte gesagt sein, dass damit, dass in einer Phase ihrer Entfaltung
andere Momente der Subjektivität zur Prominenz gekommen sind,
deren Ausgriff auf Ausgleich nicht etwa schlechtweg abgewiesen und zur
Fiktion abgewertet wird. Es wird nur darauf insistiert werden, dass die
Möglichkeit dieses Ausgleichs nicht als fraglose
Prämisse im Spiel gehalten wird, so dass zusammen mit der
Kompositionsform von Werken auch diese Anmutung immer im Modus der
Fraglosigkeit mit ins Spiel kommt. In der Phase einer ersten
Freisetzung von Subjektivität, die sich über sich
selbst in einem Ganzen verständigt weiß, wird das
verstehbar, wahrscheinlich sogar notwendig und also mehr als nur
legitim sein. Nach den Erfahrungen der weiter entfalteten
Subjektivität in der Moderne kann aber wohl ein Ausgleich im
Leben nur noch unter der Voraussetzung der Ungewissheit über
seine Möglichkeit – für mein eigenes Leben
oder für bewusstes Leben überhaupt – Inhalt
einer Vergewisserung werden.
Solbach:
Sie haben zu Beginn dieses Gesprächs gesagt: »Kunst
ist immer erkundend.« Sie haben diese These in mehrfacher
Hinsicht präzisiert: in Abwehr gegen eine bestimmte Lesart der
These vom Ende der Kunst, gegen vergangene Versuche, eine gleichsam
orthodoxe Moderne zu schaffen, gegen das magische
Missverständnis sowie zur Erklärung dessen, dass es
möglich bleibt, große Kunst zu bewundern, die ihre
Zeit hatte, aber aufgrund von Veränderungen im Bereich des
bewussten Lebens neuen Erkundungsgängen Platz machen musste
und deshalb die motivierende und lebensändernde Kraft
einbüßen konnte, die Kunst auch in der Moderne
innewohnt. Wenn ich vorhin von Mimesis als Versuchsanordnung sprach, so
dachte ich, vielleicht durch die Literatur verführt, weniger
an Gegenstandsdarstellung als an modellhafte Bezugnahme auf Handlungen
(wobei das ganze Spektrum von der klassischen Bühnenhandlung
über die verschiedenen Formen selbstbezüglichen
Agierens bis hin zum leisesten gestisch-emotionalen Aufruf in der
Musik, im Ballett oder in einem gegenständlichen Gebilde
gemeint wäre). Eine solcher starker Bezug
auf das Konzept eines zwar nicht verantwortlichen, aber im Modus
imaginativen Erprobens verantworteten Handelns könnte es der
Kunst auch ohne den Rückgriff auf Tragödientheorie
und Gesamtkunstwerk erlauben, Belastungsszenerien und
Freiheitsräume unter den Vorzeichen jeweils neuer und jeweils
dominanter Gegenwartserfahrungen zu entfalten und damit der Rezeption
durch die Zeitgenossen zuzuarbeiten. Sie selbst sprechen vom
Zusammentreffen zwischen Wandlungen in der Selbsterfahrung der Subjekte
und ›neuen produktiven Möglichkeiten in der
Entwicklung des jeweiligen Mediums‹, das notwendig sei,
damit höchste Kunstleistungen entstehen können. Das
legt die Frage an den Philosophen nahe, welche Arten von Erkundung uns
in der Kunst – nicht in ferner Zukunft, sondern im Horizont
gegenwärtiger Erwartung – ins Haus stehen
mögen. In welchen Versuchen kann sich das
ästhetische Weltverhältnis aktuell erkennen, ohne
sich sagen zu müssen, dass in dieser Hinsicht bereits alles
gesagt und getan sei? Gibt es in Ihren Augen ein ungestilltes
Explikationsbedürfnis, dessen Artikulation sich hier und heute
regt oder regen könnte, einen Anlauf zu neuen
Aufschlüssen, zu neuen Konkretisationen, zu neuen Erfahrungs-
und Verständigungsweisen des Subjekts, für die eine
adäquate Kunst erst gefunden werden müsste?
Henrich:
Was Sie jetzt zur Erläuterung Ihrer Anregung innerhalb der
letzten Frage sagen, könnte uns in ein weiteres
Gespräch hineinziehen. In ihm müssten wir
über den Zusammenhang zwischen Dynamik, Emotion und Handlung
und diesem allem mit Bewusstsein, Leben und Kunst eingehender
nachdenken. Kunst und Philosophie sind beide selber
Aktivitäten. In ihrer Frühzeit gab es gar keine
Kunstbetrachtung, sondern alles Gewahren war eingebunden in ein
kollektives Tun, das selbst wieder als einbegriffen in ein noch
größeres, meist kosmisches Geschehen verstanden war.
Auch das spricht für den Ansatzpunkt Ihrer
Überlegungen. Ich meine allerdings, dass die große
Kunst seit ihrer Lösung aus dem Ritus, ebenso wie die
Philosophie, letztlich der Aufgabe nachgeht, den Rahmen zu
vergegenwärtigen, in dem Leben sich vollzieht und in Beziehung
auf den es sich verstehen kann. Zwischen dieser
Vergegenwärtigung und der betrachtenden Distanz, die schon in
der Situation der elementarästhetischen Wahrnehmung
vorausgesetzt wird, besteht ein Zusammenhang. Dieser Rahmen
könnte der eines Prozedierens sein, und er könnte
über ein Geschehen oder ein paradigmatisches Handeln zur
Deutlichkeit kommen. Aber er selbst und auch das Wissen von ihm lassen
sich nicht ihrerseits wiederum als Vollzug eines Handelns beschreiben.
Das alles ist auch von Interesse für die Philosophie. Denn
seit Kant und dann wieder seit Wittgenstein ist ja die Frage nach dem
Verfahren ihrer Grundaufklärung mit der Frage nach dem
Verhältnis zwischen (mentalen oder sprachlichen) Handlungen
und dem Wissen von nicht mehr hinterfragbaren Prinzipien verbunden.
Dann
ist da weiter auch noch die Frage, wie tief jener Rahmen in die
Bewusstseinslage einer Zeit und deren Untergrund eingebettet ist.
Einiges von dem, was Sie sagen, erinnert mich an John Dewey. Er
verstand die Kunst aus der Aufgabe, die Menschen vorab in neue
Gestaltungen gesellschaftlichen Lebens Eingang finden zu lassen. Von da
her könnte man nun einwenden, solches leisteten heute die
Reklameindustrie und die vielen Varianten von Popular Musik am besten.
Daraus ergäbe sich, zusammen mit einer kritischen Pointe zur
Medien- und Massengesellschaft, leicht die Möglichkeit zu
einer neuen Begründung der These vom Ende der Kunst im
bisherigen hohen Anspruchssinn. Solches wollen Sie aber vermutlich
gerade nicht nahelegen. Also, es scheint: wir können
für diesmal Ihrem Faden nicht so nachgehen, wie er es verdient.
Der
andere Teil Ihrer Frage nimmt alles Vorausgehende zusammen,
könnte mich aber auch in die undankbare Rolle hineinbringen,
eine Prognose geben zu müssen. Der Soziologe Daniel Bell, mein
Kollege in Harvard, bemerkte Mitte der Siebziger Jahre aus Anlass
meiner Frage, wie er die Vereinigten Staaten nach der Jahrtausendwende
sehe, es werde wohl eine Präsidentenwahl stattfinden. Auf
meine enttäuschte Reaktion, dass diese Prognose doch recht
wenig Gehalt habe, erwiderte er, auch dies sei doch nicht
selbstverständlich und man könne froh sein, wenn man
in einem Land wenigstens so viel ziemlich sicher voraussagen
könne. Man sollte also der These, die Kunst sei am Ende,
besser nicht damit entgegentreten, dass man eine Geschichte von ihrer
Zukunft erzählt. Da jedoch diese These, wo sie seriös
begründet war, eigentlich auf eine Diagnose der Gegenwart
hinauslief, kann man es immerhin riskieren, Faktoren zu benennen, die
in jeden Ansatz zu einer künftigen Kunst mit einem Tiefgang
ins Leben werden eingehen müssen.
(1)
Diese Kunst wird reflektiert sein. Das heißt nunmehr auch,
dass sie nicht als selbstverständlich unterstellen wird, was
Kunst ausmacht. Sie wird sich darum als die Kunst, die sie ist oder
sein will, eigens herausstellen – mit wahrscheinlich
hintersinnigen Mitteln. Es versteht sich, dass dies auch dadurch
geschehen kann, dass sie eingewurzelte oder inzwischen naheliegende
Erwartungen dementiert oder ins Leere gehen lässt. (2) Aus
demselben Grunde wird solche Kunst sich mit keiner Lebensform
assoziieren, ohne die Grenzen und Abstürze, die ein solches
Leben mit einschließt, gleichfalls in den Blick zu bringen.
(3) Solche Kunst wird sich in den Prozess der Ausweitung von Kunst in
neue Medien und Techniken eingliedern und sich innerhalb seiner, so
oder so, ganz explizit positionieren – auch wenn sie die
Medien der bisherigen Kunst explizit wieder privilegieren sollte.
Deshalb wird es wohl auch so bald keine länger andauernden, in
sich kohärenten Entwicklungen in einem einzigen Medium mehr
geben, wie in der Malerei vom Beginn des Impressionismus über
Cézanne bis hin zum Kubismus. 4) Sie wird das Ganze des
Lebens nicht unmittelbar vergegenwärtigen wollen und auch
darum in ihrer Partialität wiederum hintersinnig sein.
Vielmehr wird sie davon ausgehen, dass der Prozess des Lebens durch
einen Wechsel von Distanzen zu sich selbst, zur Welt und zu den eigenen
Lebensphasen hindurchführt, die sich als solche im Kunstwerk
nicht wiederholen lassen. Denn das Kunstwerk ist, wie gesagt, auf der
stabilen Distanzform der ästhetischen Betrachtung fundiert
– auch dann, wenn es sich gegen sie sperrt und stemmt und mit
eigenen Distanzbildungen experimentiert. (5) Solche Kunst
könnte deshalb dazu tendieren, multidimensional und auch
multimedial zu sein, eben deshalb, weil es für sie keinen Weg
zurück zur Vergegenwärtigung des ganzen Lebens in
einem Medium oder in der plumpen Koppelung von Medien zu einem
Gesamtkunstwerk geben kann. Dann wird es ihr aber zum Problem werden,
unter solchen Bedingungen schließlich doch Prägnanz
und Transparenz zu erreichen.
Nimmt man nur diese
wenigen Momente zusammen, dann ergibt sich schon das Profil einer
komplexen Aufgabe. Eine Lösung mit zwingender Kraft kann nur
durch die Erkundungskraft von Künstlern zustandekommen.
Immerhin kann man aber an Künstler der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts erinnern, von denen man denken kann, sie
hätten bereits im Gravitationsbereich dieser Aufgabe
gearbeitet. Für mich gehören zu ihnen Josef Beuys und
Samuel Beckett.
Beuys’
überanstrengtes Freistil-Theoretisieren konnte ich ignorieren
angesichts der evozierenden Kraft seiner immer neu entworfenen
Werkformen, deren ästhetische Qualität und Anmutung
zwar verhohlen, aber doch eindrucksvoll war. So hat er mich
überzeugt, als noch die Bewunderer der informellen Malerei, zu
denen ich auch gehörte und gehöre, ziemlich unisono
über ihn entrüstet waren.
Auf
ganz andere Weise fasziniert Becketts Technik der Reduktion der
Subjektivität und der Selbstaufhebung der sprachlichen
Mitteilung. Er vollzieht sie offenbar in der Absicht, hinter den
Oberflächen von Leben und Sprache etwas Unerfasstes und
Unformulierbares hervortreten zu lassen. Und das alles lässt
er sich in einer geradezu klassisch zu nennenden Kompositionstechnik
vollziehen. Wie dies zusammengehen kann, ist, wie ich meine, nicht nur
unbegriffen. In ihm könnte sich auch ein Potential
für künftige Kunst großen Zuschnitts
anzeigen.
Dem entspricht übrigens, was
ich für eine offene und somit künftige Aufgabe der
Philosophie halte: Die Endlichkeit und die Hinfälligkeit des
Lebens als definitiv begreifen zu lassen, und doch nicht der Folgerung
nachgeben zu müssen, die unter solchen Voraussetzungen
unwidersprechlich scheinen könnte: dass dies Leben nichts
anderes sei als ein, wie immer bemerkenswert subtiles, Produkt der
sogenannten Evolution. Ich denke und wünsche mir, dass eine
Philosophie, welche diese Aufgabe tief genug ansetzt und auch nicht
hinter unübersehbar vielen Problemen professioneller
Feinmechanik versteckt, und eine Kunst der Zukunft in einem Bund
miteinander stehen werden und sich wechselseitig etwas zu sagen haben
und bedeuten können – natürlich ohne
jegliche Koordination, aber eben doch im Gleichklang ihrer Bedeutung
für Menschheitsaufgaben und also für die Menschheit.
Die
ökonomische Globalisierung und wohl auch eine politische
Weltordnung für die Menschheit vollziehen sich unter dem
Vorzeichen des zwar schon geläufigen, im Leben selbst vorerst
aber doch nur untergründigen Wissens von der endlichen
Lebensgeschichte dieses kleinen blauen Planeten in einem Kosmos, der
mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis immer
unverständlicher wird. Zu diesem Grundfaktum werden Kunst und
Philosophie in ein sicheres Verhältnis kommen müssen.
Nur dann sind sie anderes als ein mitgezogenes Beiwerk und Funktions-
und Kompensationsmittel der Selbstorganisation des Lebens der Art homo
sapiens – in einem Prozess, der das vermutlich einzige
bewusste Leben in diesem riesigen Kosmos aufkommen lässt, mit
sich zieht und schließlich wegsaugt, ohne dass dies Leben
sich selbst zu begreifen und über sich selbst irgendeine
schlüssige Rechenschaft zu geben vermöchte. Schon
allein um profund bleiben zu können, werden aber Kunst und
Philosophie in allem Bemühen um ein solches Verstehen, auch
ein Verstehen ihrer selbst, wohl immer von dem Gedanken begleitet und
beunruhigt bleiben, dass dies am Ende doch die ganze Wahrheit gewesen
sein könnte.
Solbach: Ich
danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch.