Büchertagebuch
Gunnar Heinsohn: Die Sumerer gibt es nicht. Von den Phantom-Imperien der Lehrbücher zur wirklichen Epochenabfolge in der »Zivilisationswiege« Südmesopotamien, 2007
Nichts bewegt die Menschheit so wie Datierungsfragen. Was wann geschah, darauf kommt es an. Radikale Umdatierer halten das Schicksal der Welt in Händen und ordnen es neu. Zum Beispiel weiß das gebildete Publikum relativ gut über das Jahr 1984 Bescheid, über das detaillierte Aufzeichnungen existieren (1984, 1949). Eine Person der Zeitgeschichte, die in diesem Standardwerk nicht vorkommt, hat schlechte Karten und wir können nicht mit Gewissheit sagen, ob sie je existierte.
Der Sozialpädagoge Gunnar Heinsohn zum Beispiel gilt als Autor eines 1988 erschienenen, 2007 in korrigierter Fassung zum zweiten Mal aufgelegten Buches mit dem herausfordernden Titel Die Sumerer gibt es nicht. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Heinsohn als Schöpfer des ›Kriegsindex‹ bekannt geworden, einer Art Treibhaustheorie der menschlichen Aggressionsgeschichte, die mit dem steilen Anstieg der Massenproduktion junger Männer im 21. Jahrhundert neuen kriegerischen Höhepunkten zustrebt. Dahinter scheint irgendein Fake der Historiker zu stecken. Was haben der radikale Vereinfacher der früh- und altgeschichtlichen Chronologie und der Aggressionsforscher des dritten Jahrtausends P.C. miteinander gemein?