Ulrich Schödlbauer

1

In diesem Sommer
steigen die Temperaturen
sommerlich.
Kommt der Winter, dann sinken sie
winterlich.

Forscher haben berechnet:
Die Temperatur der Erde
steigt.
Seither legen sie Kurven an
und spielen das Spiel
Was wäre wenn.

2

Was wäre wenn
wir zusammenwürfen:
wir das Spiel mit dem Wissen,
ihr das Spiel mit der Macht.
Macht zusammen:
Eins fünfzig.

Hundertfünfzig Prozent
Überzeugung, das macht,
dass keiner uns aufhält.
Euch nicht und uns nicht.
Vorausgesetzt, ihr funktioniert,
versprechen wir euch:
Wir liefern.

3

An der Schwelle zur guten Tat
wirkt alles Tun böse.
Gut, dass es das Böse
weiterhin gibt.

An der Schwelle zur schlimmen Tat,
Zukunft im Herzen,
freut sich das Gute.
Zu früh, wie es scheint.

4

Niedergegangen
im Land der Verheißungen.
Aufgefallen
im Land der Extreme.

Krass
Gesicht gegen Gesicht.

Zeige dein Gesicht
heißt die Parole.
Wer da pariert, spürt schon
die Faust in der Fresse.

Besser redet es sich
abgewandten Gesichts
in Erwartung der Nackenschläge,
der unausweichlichen.

5

Der Hetzer im Garten pflückt
die Äpfel der Hesperiden,
als seien es Brandpfeile.
Schnell verschossen
mit braunem Kern
spritzen sie Unflat.

6

Steigt der Druck im Kessel,
steigt auch die Temperatur.
Das ist normal.
Steigt die Temperatur,
steigt der Gegendruck, denn
wer den Kessel kennt, weiß:
Auch er kann nicht anders.

7

Gleich den Hetzern, deren Mühlen mahlen.
Gleich den Jungen, die mit Wissen prahlen.
Gleich den Alten, die die Tickets zahlen.
Gleich den Tölpeln, die sich übermalen.
Gleich Betrügern, die den Einsatz stahlen.
Den Verführten, die mit Todesqualen
für die Prahlsucht ihrer Helfer zahlen.
Den Besorgten, die sich auf die nächsten Wahlen
freuen, um es denen heimzuzahlen.
Gleich den Helfern in den Wahllokalen,
die sich ihre eigenen Voten malen.
Gleich den Machtbesessenen in ihren kahlen
vollklimatisierten Kathedralen,
die sich schon den nächsten Chefs empfahlen.
Gleich den Unbedarften, die mit ihren schalen
Sprüchen unser aller Welt verstrahlen.

Chor der Älteren

Wir, die wir die Zukunft hinter uns
haben, die Hoffnung auf ein paar ruhige
Lebensjahre mit vereinzelten
Glücksmomenten und möglichst schmerzfrei
nicht ganz aufgeben wollen,
aber beim Lesen der Zeitung
die Signale nicht übersehen können, dass etwas
schief läuft im Lande, wir Sechzig-plus-Leute
(nicht gerechnet die allzu jung gebliebenen Ostler,
die, dreißig Jahre danach, sich wieder auskennen,
nicht die allzu jung gebliebenen Westler,
die sich, fünfzig Jahre danach, jetzt endlich
wie Popstars gebärden) – wir,
die wir diesen Glauben verpassten und jenen
einst teilten und wieder verloren,
denen das Leben zweimal anbot, was ihr ergreift,
als sei es der Anker zur letzten Rettung,
glaubt uns:

Zu viel Glaube an allzu vieles
zerstört die Welt. Seid sparsam
mit diesem Stoff, genießt ihn maßvoll.
Haltet die Tasse ruhig.
Lasst euch nicht zu sehr einschenken,
bevor ihr den Bodensatz kennt.
Denkt: es verschüttet sich leicht,
wenn die Hand bebt.

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