Es ist schwer, eine allseits akzeptierte Definition von Demokratie zu finden. Abraham Lincoln sprach 1863 bei der Einweihung des Nationalfriedhofs von Gettysburg von »the government of the people, by the people, and for the people« (Nagler, 2009, 361 ff.). Nun ist offensichtlich, dass auch undemokratische, sogar eindeutig diktatorische Regierungen ›aus dem Volk‹ (›of‹) hervorgegangen sein können. ›For the people‹ beschreibt einen Staatszweck, der im Konsens kaum zu objektivieren ist. Letztlich bleibt unbestritten nur ›by the people‹, ein wenig konkreter: Rechtsgleichheit aller Bürger, Volkssouveränität und Mehrheitsregierung, und das ist problematisch genug. Das Wort Demokratie als Herrschaft des Volkes, des Demos, und deren historisch erste Gestalt stammen bekanntlich aus dem antiken Athen. Kleisthenes gilt als ihr Urvater. Die politische Macht wurde in mehreren Reformschüben in die Hände der Gemeinschaft aller Bürger (anstelle eines Alleinherrschers oder einer beschränkten Gruppe) gelegt, was im direkten Sinn nur im Rahmen eines überschaubaren Stadtstaates denkbar war. Als Bürger galten die waffenfähigen, stimmberechtigten Männer über dreißig, eine Minderheit, doch eine große Minderheit der erwachsenen Einwohnerschaft, zu der, außer den Frauen, ansonsten auch Sklaven, Halbfreie, Schutzverwandte, Klienten und Fremde gehörten. Trotz der demokratischen Gestaltung der Regierungsform blieb die sozial ohnehin weiter dominierende Aristokratie mit ihren Leitbildern kulturell prägend; der Kern des politisch berechtigten Staatsbürgertums bestand darüber hinaus aus Land- und Manufakturbesitzern, Schiffsunternehmern und Handwerksmeistern. Heute mit der Demokratie assoziierte Vorstellungen von universellen Menschenrechten waren den alten Griechen völlig fremd; selbst auf ein Mindestmaß ›humanen‹ Verhaltens gegenüber Feinden oder Unterworfenen war nicht zu zählen.
Als die Gründer der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 über die Refiguration eines staatlichen Systems debattierten, entschieden sie sich für den Aufbau einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Als Referenz für die Staatsgründung (als positive wie negative Folie) stand die Weimarer Republik mit ihren Stärken und Schwächen als »erste parlamentarische Demokratie auf deutschem Boden« (Kost 2008: 20) als Vorbild sowie als Vorläufer des Nationalsozialismus zur Abgrenzung. So basierte die staatliche Ordnung zwar weitgehend auf den Prinzipien der Weimarer Verfassung, enthielt aber gleichzeitig bedeutsame Änderungen in dem Bestreben, dessen Schwachstellen und damit eine erneute Entwicklung zu vermeiden, die seinerzeit zur Außerkraftsetzung der rechtstaatlichen Demokratie geführt hatten. (Fraenkel; Bracher 1959: 316) Mit dem Grundgesetz entstand im Westen Deutschlands eine repräsentative Demokratie.
Vom 6. bis 8. April 1917 tagte in Gotha die zweite Reichskonferenz der innersozialdemokratischen Opposition, hauptsächlich Delegierte aus 91 Wahlkreisen, daneben 15 SPD-Reichstagsabgeordnete und vier sonstige Teilnehmer, um die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) zu gründen. In Absetzung von der Mehrheitssozialdemokratie erneuerte dieser Gründungsparteitag (der auf Anordnung der Militärbehörden unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand) die grundsätzliche Gegnerschaft der Vorkriegs-SPD zum bestehenden politischen und sozialen Herrschaftssystem, ergänzt um den Krieg und die Kriegspolitik der kaiserlichen Regierung. Das alte Statut der SPD wurde fast unverändert ebenso wie das Erfurter Programm von 1891 bis auf weiteres beibehalten.