Der fliegende Robert muss in ihr Leben gelangt sein wie die Schlange ins Paradies: Man weiß nichts Genaues, aber das mit Verve. Denn schließlich: Was wäre das Paradies ohne die Schlange? Was wäre ein Paradies der Werktätigen ohne ihre Beschatter? Was wäre, wenn… Was wäre wenn, flüsterte Robert und schlug sich an die Stirn: »Die Gedanken sind frei!« Dann blickte er sich, benommen ob der ungewohnten Freiheit, vorsichtig um und begann seinen Flug, den Flug der Fledermaus in den Sonnenaufgang, denn einmal sollte es doch Tag werden in seinem Leben wie in dem aller Mausender.
Josefine und Robert … man muss sich die beiden zusammen vorstellen: die junge, beinahe jugendlich wirkende Sängerin auf der Suche nach einer Stimme und den erfahrenen, fast schon gesetzt wirkenden Trapezkünstler mit dem sorgsam am Körper verborgenen, nur für Artenkundler erkennbaren Flügelpaar, von dem er hofft, im Ernstfall werde es ihn schon tragen – eine eitle Hoffnung, wie wir heute wissen, denn seine Enttarnung sollte nur eine Frage von Wochen sein … Wochen voll fiebriger Lust und Schaffensfreude, in denen sie beide … nun, wir wollen nichts übertreiben, es finden sich viele Helfer, willige und schweigsame, auch ahnungslose, alles in allem vielleicht die wichtigsten, weil sie den Prozess der Tagwerdung, den Tagungsprozess der zur Selbstbestimmung gereiften Mäuseschaft ohne falsche Rücksichtnahme vorantreiben. Auch Josefine, nüchtern betrachtet, ist nur eine Helferin, eine von vielen, unauffällig bis in die DNA hinein, wäre da nicht … dieser zauberhafte, scheinbar aus Stille gebildete, mäusebewegende Gesang.
Ein Rätsel? Gewiss. Die maßgebliche Studie, Josefines Gesang betreffend, verdankt die literarische Welt einem Autor, der es eigentlich hätte wissen können. Leider übersah auch er den sprichwörtlichen weißen Elefanten im Raum, nämlich Robert und seine den Schatten geschuldeten Künste. Wie jede Fledermaus verfügt Robäär (wie er sich ausspricht) über die Fähigkeit, sich durch Ultraschall-Schreie im Dunkeln zu orientieren. Das wäre, an sich betrachtet, nichts Ungewöhnliches. Bedenkt man jedoch, dass im Helldunkel des beginnenden Tages – Robäärs frisch erobertem Lebensraum – das angeborene Steuerorgan seine alltagspraktische Funktion verliert, dann strömt plötzlich Licht ins Dunkel des emsig gehüteten Geheimnisses. Forschungen belegen, dass Fledermausschreie, im Finstern ausgestoßen, das Mäusegehör auf diffuse Weise affizieren und damit sowohl zukunftsträumerische als auch durch Lethargie gemilderte Panikzustände hervorrufen können. Sie bedienen also, prosaisch gesprochen, just das Gefühlsspektrum, in dem die Sängerin Josefine zu brillieren sich anschickt. Dahinter verbirgt sich, unter Göttern gesprochen, nichts als der reine Zufall. Doch auch wenn der genaue Nachweis noch aussteht (und vielleicht niemals erbracht werden wird): der offenbare Fehlschluss, im gegebenen Fall könnte jenes Organ, seiner ursprünglichen Aufgabe ledig, zu einem beliebig programmierbaren Instrument der Kunst mutiert sein, einsetzbar beispielsweise – sprechen wir’s mutig aus! – zum Zweck verdeckter Massenbeeinflussung, ist, sagen wir … nicht ganz von der Hand zu weisen.