Die kognitiven Voraussetzungen der theoretischen Tätigkeit
Die Analyse der Kriegstheorie von Clausewitz wird durch die Erläuterung des Begriffs vom Kriege »in anthropologischer und kulturphilosophischer Sicht« verallgemeinernd eingeleitet. (Theorie des Krieges (TdK) S.11) Das Voranstellen des ›philosophischen‹ oder ›reinen‹ Kriegsbegriffs hat nicht nur mit möglichen Erklärungsvorzügen einer logischen vor einer genetischen Darstellung der begrifflichen Inhalte zu tun. Es ist Ausdruck einer Überzeugung, die Aufbau und Struktur jedes wissenschaftlichen Versuchs bestimmt, nämlich die Überzeugung, jede Behandlung eines sozialen Phänomens, hier das des Krieges, setze ein bewusstes oder unbewusstes Welt- und Menschenbild voraus, außerdem bewusste oder unbewusste Annahmen über die Beschaffenheit der geschichtlich-sozialen Wirklichkeit als Ganzer. Diese jenseits der Rationalität liegende Überzeugung von der (sinnlich nicht wahrnehmbaren) Struktur der sozialen Wirklichkeit bestimmt von Anfang an die Richtung jeder theoretischen Bemühung, und sie beeinflusst entsprechend ihre substantiellen Resultate. Dabei sind für den Theoretiker die Umrisse des sozialen Ganzen auf der anthropologischen und kulturphilosophischen oder, wie Kondylis sagt, auf der sozialontologischen Ebene präsent. Es ist die Ebene der anthropologisch-sozialontologischen Konstanten, die die notwendigen Bedingungen jedes menschlichen Verhaltens und jedes sozialen Phänomens beschreiben. Diese Umrisse des sozialen Ganzen liefern den ideellen Entfaltungsrahmen des theoretischen Bemühens, das sich dann in der Forschungspraxis in engem Kontakt mit dem Gegenstand der Untersuchung und in den theoretischen Auseinandersetzungen zunehmend konkretisiert und verfeinert. Dabei wird der Blick auf die einzelnen Phänomene – bewusst oder unbewusst – im Hinblick auf die Notwendigkeiten einer aus den Beobachtungen abzuleitenden Theorie gelenkt; »die Induktion wird zu einer verkleideten Deduktion.« (Kondylis, Machtfragen (Mf) S.143 )
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