Renate Solbach: Camera Inversa

 

Unfeministische Aufzeichnungen

 

Petronia, eine Dame von satter Selbstzufriedenheit, die unübersehbar aus ihrer Körperfülle hervortrat, klatschte in die Hände. Sogleich kehrte Ruhe ein unter denen, die gekommen waren. Eine illustre Gesellschaft, die an der langen Tafel zu Füßen des Gehäuteten Platz gefunden hatte. Es wurde aufgetragen. Kaum jedoch hatte die Gesellschaft sich kauend und schmatzend zurückgelehnt, als Petronia erneut in die Hände klatschte. Eine fleischbergige Göttin inmitten von Tand. Speckig und glänzend dem Einverleiben ergeben. Sie wies mit rosigem Händchen die Richtung. Alle Blicke folgten.

 

Camera inversa invertiert – manche wird sagen: unterminiert – das ›starke‹ Frauenbild, das die westlichen Gesellschaften der vergangenen Jahrzehnte dominierte und nun rapide im Schwinden begriffen ist. Die Erzählerin bewirkt dies mit genuin ›weiblichen‹ Mitteln. Sie verbreitert die Lücken in den öffentlich gehandelten Texten und füllt sie mit Konterbande. Daraus ergibt sich ein ganz eigenes Sprachmuster aus durcheinanderlaufenden Referenzen mit wechselndem Richtungssinn. Der Text liefert dafür das Bild des Wollknäuels, das sich im Spiel der Katze in ein lebendiges Gegenüber verwandelt und immer neue Überraschungen produziert. Nein, es ist nicht die verkehrte Welt, die hier gezeigt wird, sondern die perspektivisch angereicherte. Das Bild der Frau zersplittert und in der Zersplitterung erscheint der weibliche Mensch.
Ursel Mangan

 

 

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