Josefine, die Mäusekönigin, hat sich aufs Warten verlegt. Mit ihr wartet der Hofstaat, mit ihr warten alle Mäuse, die guten Willens sind, und ebenso warten die Mäuse, in deren Herzen die Arglist kauert und deren Blicke, vor allem, wenn sie sich ungesehen wähnen, einen metallischen Glanz bekommen, sobald sie von den herrschenden Verhältnissen sprechen, als gäbe es darunter oder darüber ganz andere Verhältnisse, ebenso reell und ebenso kompakt, nur eben nicht herrschend, wie der Ausdruck schon sagt. Vor Josefines Dienstantritt, berichten die Älteren, befand sich die Mäusenation in Bewegung. Josefine verwandelte sie im Handumdrehen in eine Wartenation, eine, wie es im dazugehörigen Jargon heißt, ›Nation der Wartenden‹, in der selbst notwendige Wartungsarbeiten einstweilen eingestellt wurden, ganz zu schweigen von all den immer dringlicher werdenden Reparaturen an Stegen und Wegen draußen im Stubenfliegen-Revier.
»Wir können nicht länger warten«: Sobald Josefine, mit wattiertem Gesichtsausdruck, diesen Satz in die bereitgehaltenen Aufnahmebatterien narratiert – »Wir müssen ein Narrativ entwickeln, mit dem Führung wieder möglich wird«, betonen ihre Berater und das hier ist eins –, fällt ihr vor den Bildschirmen versammeltes Volk in einen unerwarteten Tiefschlaf, der dann und wann das ansonsten nicht auszuhaltende Warten unterbricht.
Im Warten ist Josefine ganz eins mit der Nation. Es ist ihr Trick, die revolutionären Kräfte zu binden, die sich an den Rändern der Gesellschaft ballen wie die sprichwörtlichen Gewitterwolken am Horizont. Radikale Kritiker behaupten, sie ballten sich in den Taschen der Mittelschichtler, also der zweiten Garnitur der Besitzenden. Aber die Taschen der Mäuse sind winzig und vertragen nichts Wolkiges. Das einzige, was sich darin zu ballen vermöchte, sind die von findigen Jungmäusen aus veralteten Fallen entwendeten Speckkrümel, und selbst dieser Lebensstoff aller Aufbegehrenden wird langsam rar.
Josefines Lieblingsgericht ist Coq au vin – à la mousse wohlgemerkt, denn etwas anderes würde ihr empfindlicher Magen nicht vertragen. Sie braucht diesen Duft um die Nase, um ihren Regierungsgeschäften nachzugehen – »anders wäre es nicht zum Aushalten« –: das unterscheidet sie von den im Kohlenkeller nächtigenden Koksern ihrer Umgebung und ergäbe schon fast so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal, wären da nicht die vielen Mäusinnen draußen im Lande, die an ihren Lippen hängen und jede ihrer Gesten huschhusch ins eigene Leben zu übertragen versuchen.
»Ich rate nur: Coq au vin!«
Mit solchen Sprüchen, von Zeit zu Zeit beiläufig abgesondert, gewinnt sie die Herzen der Mäusedamen in Grün und Blau, die von ihrem angestammten Masochismus nicht lassen können, stets aufs Neue zurück, sobald es ihr nötig erscheint.