Die Weltbühne, Fortsetzung

Nr. 10 2. Mai-Heft 1947

Joachim Wenzel Die »Schwarze Reichswehr« 1947

S. 423 »Was ist die ›Schwarze Reichswehr‹?«
»Die meisten der ›Entwaffneten Verbände der ehemaligen Wehrmacht‹ entstanden im Laufe des Jahres 1945 in Belgien, Frankreich, Norwegen und zu einem geringen Teil in Deutschland.« »Mir ist … bekannt, dass im Frühjahr 1946 in Detmold, Lage oder einem Nachbarstädtchen … das neu aufgestellte Düsenjägergeschwader 377/IV Waffen trug. Zumindest sah ich diese Einheit … als sie, munter singend voran ein deutscher Offizier mit umgeschnallter Pistole, durch die Straßen zog.«
»… es wurde selbst den Engländern zuviel, wenn noch im Sommer 1946 z.B. Herr Oblt. Höcker vom Verbindungsstab 346, ein Advokat aus Berlin, in voller deutscher Panzeruniform, mit Extra-Stiefeln, braunem Koppelzeug, Schulterstücken und Kordelmütze sich … bestaunen (ließ)…«

Romain Rolland   Zum 10. Mai 1933   Offener Brief an die »Kölnische Zeitung«

S. 429   »Das Deutschland…, das ich liebe und das meinen Geist bereichert hat, ist das seiner großen Weltbürger, – derer, ›die (nach Goethe) Glück und Unglück anderer Völker wie ihr eigenes empfunden haben‹ – derer, die an der Kommunion der Rassen und Geister gearbeitet haben.« »Leugnet ihr die Scheiterhaufen der freien Gedanken, die … von der ganzen Welt verlachten Bücherverbrennungen?«…
»Merkt Ihr denn nicht, dass die großen Verbannten der Wissenschaft und Kunst auf der Waage der Weltmeinung schwerer wiegen als die lächerlichen Bannflüche ihrer Verfolger?«

Edgar Morin   Ein Zuschauer des Weltgeschehens

S. 443/444 »Alles, was du sagst, spricht von dir selbst, insbesondere, wenn du von einem anderen sprichst«, sagt Paul Valery.
»Das Zeugnis, das Malaparte in seinem Buche ›Kaputt‹ ablegt, ist … besonders doppelsinnig…« »Er beobachtet die Pogrome, die Massaker und die Zerstörungen … schließlich aber weiß man nicht mehr genau, was das Grauenhafteste war: die Massaker und die Pogrome selbst, oder das ruhige Gewissen, der Seelenfrieden der Henker…«

A.Demal   Ein Spiegel der Sowjetunion

S. 448   »Es ist allgemein bekannt, dass die Völker der Sowjetunion sehr musikalisch sind…«
»Da erfahren wir, wie der Sowjetmensch singt, wenn er zur Jagd geht, wenn er Boot fährt oder in der Troika sitzt. Er singt in Lust und in Leid. Ein solches Volk hat naturgemäß auch eine große Anzahl hervorragender Komponisten.«

Nr. 13   1. Juli-Heft 1947

Albert Norden   Die Bedeutung des 20. Juli (Germany’s Underground, New York 1947)
S. 553 »… weniger verwunderlich dürfte sein, dass der amerikanische Historiker des 20. Juli Allen W. Dulles ist … Während der ganzen Hitler-Ära bis zur Beteiligung der USA am 2. Weltkrieg war Allen W. Dulles Direktor der amerikanischen und englischen Schroeder-Bank, der ausländischen Finanzagentur des deutschen Stahl-Trusts, die auch direkte Aufträge von der Hitler-Regierung erhielt und deren englischer Zweig mit Dulles’ Zustimmung sich der ›Anglo German Fellowship‹ anschloß, der politischen Propagandaorganisation für das ›dritte Reich‹ in England, deren Fäden Ribbentrop zog.«

Horst Lommer   Berliner Theaterabende

S. 574   »Für die Inszenierung der ›Hose‹ von Carl Sternheim stand dem Regisseur Willi Schmidt eine ausgezeichnete Besetzung zur Verfügung … Aribert Wäscher bot als Maske eine seiner reifsten Leistungen. Er war das Urbild des deutschen Spießers, jenes Spießers, aus dessen Mund, als die Zeit erfüllet war, der arteigene Schrei ›Führer befiehl, wir folgen‹ laut geworden ist … Selbstgerechtigkeit, Denkfaulheit und Verlogenheit waren es, die den deutschen Untertan von Wilhelm bis Hitler auszeichneten, nicht aber ›Dämonie‹. Wer im deutschen Spießer ›Dämonie‹ sieht…, der verwechselt Verblödung mit luciferischem Glanz … Nicht Millionen ›Dämonen‹ folgten dem Hakenkreuzbanner, sondern Millionen Maskes… Dämonische Menschen waren Lord Byron, E.T.A. Hoffmann, Baudelaire, Herr Maske nicht. Der war ein grauenvolles Rindvieh…«

Heinz Kraschutzki   Sind Sie deutschen Stammes?

S. 578   »Ein Freund von mir wollte in den ›Alpen-Club Augsburg e.V.‹ eintreten… nach einigen Fragen über Namen, Alter, Beruf usw. heißt es: »Sind Sie deutschen Stammes? ... Wenn nicht, welchen?...«

S. 581   J.K.   Aus einem alten Dokument

»In der Zeit vom 18. Dezember 1931 bis 10. Februar 1932 führte der amerikanische Senat eine Reihe von Vernehmungen von Bankiers aus Wall-Street über Methoden des Verkaufs ausländischer Anleihen in den Vereinigten Staaten durch … Unter den Bankiers, die verhört wurden, befand sich auch Frederick Strauß, Teilhaber von J. & W. Seligman & Co., aus dessen Zwiegespräch über die Begebung von Anleihen in Deutschland mit dem ausfragenden Senator Johnson wir zitieren:
Senator Johnson: War es so, dass internationale Bankiers nach Deutschland gingen und Regierungen, Länder, Gemeinden, industrielle Unternehmen, Gesellschaften und dergleichen zu Anleihenachfragen anregten, um diese dann in Amerika aufzulegen; ist das richtig?
Strauß: Ja, wir animierten; aber die Geldnehmer waren natürlich sehr darauf aus, animiert zu werden.
Senator Johnson: Aber Sie kehrten das … bei der Führung eines Bankgeschäftes sonst übliche Verfahren um; Sie brachten es dahin, dass in den letzten paar Jahren die Geldgeber zu den Geldnehmern gingen, um die Geldnehmer zu veranlassen, bei den Geldgebern zu borgen.
War es nicht so?
Strauß: Jawohl.
Senator Johnson: Und auf diese Weise beschleunigten Sie, ermunterten, vermehrten Sie die Anleihenachfrage der verschiedenen politischen Körperschaften, Regierungen, industriellen Unternehmen und dergleichen; ist das nicht richtig?
Strauß: Das war die Wirkung davon; ja: …«

Nr. 18   2. September-Heft 1947

Wolfgang Harich   Pg. Tod als Herrenmensch

S. 796   »›Orpheus und Eurydike‹ von Jean Anouilh: Um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, wird wieder einmal anachronistisches Puzzlespiel veranstaltet. Einmal macht das Spaß. Aber da es sich auf den Berliner Bühnen zu konstanter Gewohnheit auswächst, ist es längst nicht mehr originell. Schließlich kann man nicht ganze Theaterepochen damit ausfüllen, dass man Buddha in den Smoking und Wotan in den Rolls Royce steckt und die Nofretete aufs elektrisch geheizte Bidet setzt! Wir haben vergangenes Jahr Antigone mit Lippenstift und Puderdose über uns ergehen lassen, die Jungfrau Maria als kuchenbackende amerikanische Hausfrau, den trojanischen Hektor als pazifistischen Leitartikler und die Dinosaurier nebst Moses und Homer in der guten Stube des Mr. Antrobus. Wir haben die Psychoanalyse und den angelsächsischen Common Sense und die desperaten Weisheiten unserer existenzialistischen Kathedergelehrten mühselig aus antiken Mythen und die antiken Mythen wieder aus ihren neuzeitlichen Umhüllungen auswickeln müssen. Und nun Orpheus und Eurydike im Bahnhofssaal dritter Klasse, ihr Liebesleben mit Heidegger kommentierend, und dazu der personifizierte Tod (diesmal im Trenchcoat), der uns schließlich auch nicht mehr so ganz neu ist. Es war entschieden zuviel!«