Besuch bei Scharfgoschen
Ich hasse sie, sie hat mir die Note versaut und jetzt gehe ich zu ihr. Ich klingle, die Tür geht auf und ich drücke ihr einen Blumenstrauß in die Hand. Sie zuckt zusammen, als hätte sie Herzklabaster. Aber so kommt sie mir nicht davon. In ihrem Wohnzimmer strecke ich mich aus und lasse mich von ihr bedienen. Ein Schlückchen hier, ein Näschchen dort. Kind, sagt sie zu mir, du bist jetzt erwachsen. So kann nur eine Lehrerin reden. Ich stelle mir vor, wie sie sich nachts heimlich in eine der Schulbänke setzt und sich vorstellt, ich stünde jetzt vor ihr. Buch auf! Sie gehorcht zögernd und ich werde ungehalten. »Scharfgoschen«, sage ich, »so geht das nicht. Ich habe schon mit deiner Mutter geredet. Eine üble Person ist das, unter uns, aber für das, was dich erwartet, ist sie wie geschaffen. Geh nur hin, du wirst sehen, wie sie mir hilft.« Die Scharfgoschen verkriecht sich unter die Bank und sucht nach dem Pausebrot, mit dessen Hülle ich sonst immer knistere, aber sie findet nichts. So ein Luder, höre ich sie flüstern, hält das verborgen. Was sie damit meint, weiß ich nicht, es ist mir aber egal, denn ich höre meine eigene Stimme: »Das wirst du schon ausbaden müssen, die Wanne ist gerichtet.« Schon plumpst sie vor mir ins heiße Wasser und ich halte die Luft an. Warum, weiß ich nicht, aber ist das wichtig? Wenn ich den Stöpsel zöge... Nein, so etwas tut man nicht. Sie will jetzt essen, es hungert sie auf dem Grunde des Meeres. Ich grüße wohlerzogen und entferne mich aus dem Speiseplan. An der Tür lächelt sie mir huldvoll zu und der Gedanke schießt mir zu Kopf: Eins.