Als die Kaulquappen siegen lernten, zogen sie unter Wasser von Ort zu Ort und hielten Transparente hoch, auf denen zu lesen stand: »Wir sind es nicht, wir sind es nicht«. Das las ein alter Stör, der seinen Wohnsitz in einer verfaulten Baumwurzel aufgeschlagen hatte und wunderte sich, denn sie sahen aus wie jedes Jahr und deshalb fragte er diejenigen, die ihm am nächsten kamen: Wer sagt euch, dass ihr nicht die seid, die ihr immer wart? Wer hat euch so verwandelt, dass ihr nicht aufhören könnt, dummes Zeug über euch zu verbreiten, so dass sich einem ehrlichen Fisch die Blase im Leib umdreht?

Die Kaulquappen konnten sich nicht genug großtun, dass einer so mit ihnen sprach, da sie selbst stumm waren und nur durch ein Vibrieren ihrer durchsichtigen Kehlchen andeuten konnten, was in ihnen vorging, und so vibrierten sie heftig und entgegneten: Großer alter Fisch, weißt du nicht, dass dieses Jahr ein besonderes Jahr ist und dass wir bald das Wasser verlassen und uns die Erde untertan machen werden?

Da lachte der alte Stör, so dass die Kaulquappen zusammenzuckten und einen halben Meter vor ihm davonstoben.

– Warum lachst du, vibrierten sie stolz, du verstehst nichts von dieser Sache und kannst froh sein, wenn wir dich am Leben lassen.

– Das mag sein, entgegnete der Stör, denn ihr seid so viele, dass bald kein Wasser mehr zwischen euch passt, und wie will einer dann noch schwimmen? Es kann schon vorkommen, dass ihr bald das Wasser verlasst, aber dann werdet ihr andere sein und nichts mehr von den Streichen wissen, die euch jetzt durch den Kopf gehen. Aber seid gewiss: Ihr seid schneller zurück im Wasser als ihr glaubt, wenn eines der großen Waldtiere hustet, die ihr jetzt zu besiegen gedenkt.

– Du traust uns nicht zu, dass wir siegen?

– Doch, natürlich, aber vorher werdet ihr euch verwandeln und was euch heute wie ein Sieg vorkommt, wird euch dann vorkommen wie ein Schmetterling, von dem ihr geträumt habt, während eine Raupe das Blatt abfraß, auf dem ihr euch wiegen wolltet.

– Alter Charmeur, vibrierten die Kaulquappen, deren Kehlen sich während dieser Rede rosa verfärbt hatten, deine Zeit ist um, halt ein. Wir sind viele, wir brauchen keinen wie du, der uns unangenehme Wahrheiten sagt. Die Wahrheit ist, dass deine Wahrheit nie unsere sein wird, und was wir Wahrheit nennen wollen, das wissen wir heute noch nicht. Vielleicht verzichten wir ganz darauf, schließlich heißt es »Sei kein Frosch« und wir wollen uns schon in Acht nehmen.

– In Acht und Bann, murmelte der Stör und verschwand so plötzlich wie er aufgetaucht war, während der Schwarm weiter schwärmte, so dass das Wasser brodelte und hier und da Blasen schlug.

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