Eine Ansichtskarte aus Bargfeld

anlässlich des 95. Geburtstages des Schriftstellers
mitgeteilt von Thomas Körner
 
Lieber U.,

meine November!
Mit kA in Bargfeld Kreis Celle.
Wir klauen einen Fichtenzweig
aus Schmidt' sein‘m Garten
zum Advent
und stoßen im Gasthof Bangemann
mit Bier und Hühnerbrühe auf
AS an.

Oh Arno
Du
Mein D. Q.

Dass dies der erste und vielleicht einzige Besuch bei einem Schriftsteller ist, macht mich de-mütig.
Eine Art bukolischer De-Mut.

Im Hause selbst sind zwei Fotos zu sehen. Die zeigen die Nacht- und die Tagseite des haidnischen Fauns. Das eine: der Körper ganz schwarz gekleidet, die Schulter hochgezogen, weißes Gesicht, ein gespenstisches Abbild der Besessenheit, knöchern, kalt, neblig, windig, spökenkiekerig...
Das andere: im neuen Pullover mit schwungvollem Schal, da sieht man den jungen Artisten, ufafilmschön, liebhaberisch eitel-sympathisch, mit gebügelten Hosen, in Sandalen, vor dem Holzhaus, ein Jux auf den Fototermin – und unüberbietbar deutsch.

Die Hütte ist längst durch den Nachlass geordnet.
Gedenkstätte einer Ein-Mann-Diktatur.
Aber immer noch voller intellektueller Magie und virtuos gehandhabter Vorurteile.

Gruß!
Th.

P.S.: Den RINGKLIB (aus dem Steinernen Herzen) haben wir an der von Dir angegebenen Stelle gefunden und wieder mitgenommen – erzähl das bloß nicht weiter!
 
 
 

Thomas Körner

Schriftsteller