Krystyna Krzemień-Ojak war eine produktive, hochbegabte Philologin und Vermittlerin in den polnisch-deutschen Kulturbeziehungen. Sie hat mit ihren vielfältigen Übersetzungen deutscher Literatur in die polnische Sprache beigetragen zum Übergang von der Konfrontation beider Kulturen hin zu viel neuem Verständnis füreinander in europäischer Gemeinsamkeit.
Sie studierte in Warschau Polonistik und Germanistik, u.a. bei dem berühmten Philosophiehistoriker und Germanisten Emil Adler (1906-1997). In seinen Herder-Vorlesungen lernte sie ihr zukünftiges wissenschaftliches Arbeitsgebiet lieben: die deutsche Sprache und ihre verschlungene Architektur sowie den widerspruchsvollen deutschen Geist im Ganzen. Hieran schulte sie ihren schriftstellerischen Stil, ihren Sprach-Witz und ihre befreiende Heiterkeit auch gerade angesichts der vielen Geheimnisse von Sprachen. Sie hat sich als Sprachanalytikerin allen Versuchen widersetzt, zwischen ›Geist‹, ›Begriff‹, ›Metapher‹ oder ›Bild‹ einen unüberwindlichen Gegensatz zu konstruieren. Sprache war ihr nie bloßes Mittel der Kommunikation, sondern eine Praxis der Gestalt.
Sie promovierte mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit über den polnischen Romantiker Maurycy Mochnacki (1803-1834). Die Arbeit wurde 1975 in Warschau publiziert (Maurycy Mochnacki - program kulturalny i myśl krytycznoliteracka, Państwowy Instytut Wydawniczy Warszawa). 1984 schrieb sie auch den Artikel Maurycy Mochnacki für die große polnische Literatur-Enzyklopädie (in: Literatura polska. Przewodnik encyklopedyczny, t. I Warszawa 1984, S. 680). – Der polnischen und deutschen Romantik blieb Dr. Krzemień ein Leben lang treu. Sie hat seit den siebziger Jahren viele philosophische und literarische Werke dieser bedeutenden Kulturepoche (zwischen 1800 und 1840) für polnische Verlage übersetzt, so z.B. Schellings Identitäts- und Offenbarungsphilosophie, aber auch Fichte, Hegel, Jean Paul oder Goethe (gerade eben, 2015, hat sie sein Märchen [Baśń] in Bialystok in einer deutsch-polnischen Edition publiziert). Besonders seit dem letzten Jahrzehnt hat sie für das große Projekt »Czarny Romantyzm« (Schwarze Romantik) am Katedra Badań Filologicznych ›Wschȯd – Zachȯd‹ mehrere Übersetzungen deutscher Romantiker vorgelegt. So 2006 Nachtwachen [Straze Nocne] von Bonaventura, und 2013 Faust von August Klingemann (zweisprachig). In Kürze erscheint dort – ebenfalls zweisprachig – ihre Übersetzung von Gotthilf Heinrich Schuberts Nachtseiten der Naturwissenschaft.
Eine ihrer philologisch und kulturpolitisch herausragenden Übersetzungsleistungen aber bleibt die textkritische Publikation von Theodor W. Adornos Dialektyka Negatywna, die 1986 bei Państwowe Wydawnictwo Naukowe in Warschau erschienen ist.
Ihre großen Verdienste bei der Übersetzung von Hauptwerken der Klassischen Deutschen Philosophie (namentlich Schellings) wurden auch international anerkannt; so wurde sie Mitglied im Beirat der Internationalen Schelling-Gesellschaft.
Frau Dr. Krystyna Krzemień-Ojak hat sich um die moderne Sprachkultur verdient gemacht. Sie hat ›Übersetzen‹ immer als fröhliche Wissenschaft praktiziert. Wie begeistert und anerkennend konnte sie lachen, wenn es galt, manche heute ganz ungewohnten Wort- und Satzkonstruktionen zu begreifen, beispielsweise die Königsberger Amtssprache des 18. Jahrhunderts (bei der Übersetzung einer Kantbiographie 2005) oder Jean-Paul-Sentenzen (aus dem Hesperus, ihre letzte Übersetzung!).
Am Mittwoch, den 16. März 2016 ist sie in Warschau gestorben.