Ezra F. Vogel: Deng Xiaoping and the Transformation of China, Cambridge, Mass., and London, England (The Belknap Press of Harvard University Press) 2013 (erstmals 2011), xxii + 876 Seiten
Mit einer Mischung aus Bewunderung und Unsicherheit verfolgt die Welt den noch beim Tode Mao Zedongs (9.9.1976) für kaum denkbar gehaltenen Aufstieg Chinas zur Weltmacht, die im 21. Jahrhundert die USA überflügeln dürfte. Ähnlich wie Japan nach der Meiji-Restauration (1868) nur eine Generation benötigte, um zu den ökonomisch-technisch überlegenen Mächten Europas und den USA aufzuschließen, gelang hundert Jahre später dem seit dem ersten Opiumkrieg (1839-1842) gedemütigten, in Agonie liegenden alten Reich der Mitte der Wiederaufstieg zu Macht und weltweitem Einfluss.
Als Urheber und Stratege dieser welthistorischen Leistung gilt Deng Xiaoping (1904-1997). Dessen Name kam in dem – ehedem die Wahrnehmung Chinas von vielen Liberalen in den USA prägenden – Buch von Edgar Snow über die chinesischen Revolutionäre (1938/1944) überhaupt noch nicht vor. (Snow; Fairbank, 83-90). Dem Protagonisten der Modernisierung Chinas hat der bis 2000 als Asienspezialist in Harvard lehrende Ezra Vogel eine voluminöse Biographie gewidmet, akribisch recherchiert und gestützt auf eine stupende Quellenbasis, mit einer Fülle an Daten, Namen und Details zur Geschichte des 20. Jahrhunderts.
KAI ROGUSCH, THILO SPAHL, SABINE BEPPLER-SPAHL, JOHANNES RICHARDT, KOLJA ZYDATISS, ERIK LINDHORST, ALEXANDER HORN: Experimente statt Experten. Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie, Frankfurt (novo Argumente Verlag) 2019, 229 Seiten
Ein Riss geht durch die westliche Welt und es sieht nicht danach aus, als ließe er sich so bald schließen. Folgt man seinen leidenschaftlichen Deutern, dann stehen sich Freiheit und Unfreiheit gegenüber, und zwar in doppelter Symmetrie: In diesem Konflikt gibt es nur Verteidiger der Freiheit. Wirft man einen Blick auf die subjektive Verfassung der Kontrahenten, so gilt das keineswegs bloß verbal. Die Mehrzahl derer, die sich am Kampf beteiligen, scheint von der eigenen Sache völlig überzeugt zu sein – ›Wir sind die Guten‹. Natürlich lässt sich so ein Satz nicht ohne eine Prise Zynismus äußern. Kein Wunder also, dass als Verräter gilt, wer ihn in den Mund nimmt, und unverzüglich in den Verdacht der Zugehörigkeit zu einem der beiden Lager gerät. Distanz zum Gutsein, auch analytische, scheint nicht länger erlaubt, weder verbal noch in der Sache. Die einzige angesichts der Weltlage erlaubte Distanz ist die zum Bösen. Und erneut scheint, wer so denkt, sich zu einem der beiden Lager zu bekennen und bekennen zu müssen.
DOUGLAS MURRAY: Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften, München (FBV, Edition Tichys Einblick) 2019, 346 Seiten
»Wir leben in einer verrückten Zeit«… Mit diesem täglich gehörten Seufzer oder Aufschrei beginnt Douglas Murray sein Folgewerk zu Der Selbstmord Europas (deutsche Ausgabe 2018). Der Autor, Jahrgang 1979, Eton-Absolvent, Schriftsteller, investigativer Journalist, Mitherausgeber des bekannten Spectator, hat sich stets streitlustig mit kritischen Themen befasst, seien es die legendären ›Troubles‹ (der Nordirland-Konflikt), der expandierende Islamismus in Großbritannien (›a creed of Islamic fascism‹) oder die traurige Gestalt der EU und das Brexit Desaster.
»Verrückt« erscheint Murray, dass sich Menschen »wie im Fieberwahn, vom Herdentrieb gesteuert«, in einen »Dauerkrieg gegen jeden« begeben hätten, »der auf der falschen Seite zu stehen scheint« ( 11f.). Über die Symptome dieses bitteren Kampfes sei viel geschrieben und es seien Erklärungen angeboten worden, die jedoch alle zu kurz griffen, weil sie die Ursachen des herrschenden Wahnsinns nicht herauspräparierten. Dies zu tun schickt sich der Autor in seinem sehr gut geschriebenen und leicht zu lesenden Buch an.