Ulrich Schödlbauer

Sie hätten also, die klugen und fachlich versierten Kommentatoren, sich – und ihn – fragen können: Was ist unabweisbar? Was ist aus Sicht dieses T unabweisbar? Wo liegen die Schnittmengen mit dem, was wir für unabweisbar erachten? Schließlich haben auch wir ein Verhältnis zur Macht. Was an dem, was er vorträgt, ist politisch? Was an dem, was er will, ist politisch? Was anti-, was metapolitisch? Womit verbindet es sich? Womit lässt es sich verbinden, wenn wir es wollen? Ist sein Thema, der Verfall der Macht, nicht unser ureigenes Thema? Enthält seine beißende Kritik am blutigen Illusionismus der letzten Jahre nicht einen wahren Kern? Ist dieses Land tatsächlich so blendend aufgestellt? Birgt die Politikwende, die er fordert, nicht vielleicht doch eine rationale Herausforderung, der man nachgehen sollte?

Sie hätten eine Menge Fragen an ihn stellen können, hätten sie es nur gewollt. Sie wären sogar, in früheren Interviews blätternd, fündig geworden, jedenfalls fündig genug, um weiter zu fragen. Im übrigen hätten sie ihm nur zuhören müssen. Es ist nicht besonders schwierig, T zuzuhören. Stattdessen zogen sie es vor, seine Tonspur, um es so zu sagen, konsequent und hartnäckig zu übersprechen. Eine Menge Obertöne müssen in ihren Köpfen zu schwirren beginnen, sobald diese Stimme sich in ihr Ohr schiebt. T wie Tinnitus cerebri: Es gibt viele Ts, die bei diesem Namen lebendig werden. Die Dolmetscher der Politik für den Hausgebrauch erweckten den Eindruck, als kämen sie widerwillig der Pflicht nach, ein privatsprachliches, ihnen kaum verständliches Gestammel in ein gepflegtes Allerweltsidiom zu überführen. »Unsäglich, was dieser Mensch von sich gibt! Plattitüden, Plattitüden! Sie wollen wissen, was er so sagt? Hören Sie bloß nicht hin.«

Nichts ist praktischer am Unsäglichen als der Umstand, dass es nicht gesagt werden darf. Stattdessen lässt es nur nebulöse Umschreibungen zu, die stets auf die Bekräftigung ein und derselben Formel hinauslaufen: ›Unsäglich!‹ Auf diese Weise lässt sich die Entmündigung des Publikums als Aufklärung verkaufen. Man sollte die Bedeutung solcher ›windfall profits‹ nicht unterschätzen. Das Kommunikationswunder der Leitmedien vollzog sich vor den Augen und Ohren einer Welt, die gleich nebenan, auf anderen Kanälen, die ungeschnittenen Auftritte des Zensierten verfolgen konnte – so sie denn Lust dazu verspürte. Diese verbotene Lust musste ihr abgeknöpft werden. Dazu bedurfte es längst bewährter Reize. Und es kamen die vor einem halben Jahrhundert, von wem auch immer, begrabschten und traumatisierten Schönen, die einflussreichen Wortführer aller auf dem Emanzipationspfad befindlichen Minderheiten samt ihren selten hinterfragten Alleinvertretungsansprüchen, Stein und Bein schwörend, dass der alte weiße Mann, durch sein bloßes Dasein, ihrer Klientel den Platz an der Sonne verweigere, die Vertreterinnen dieser und jener Sparte, die Beinund Kopfvertreter, die Vertreter der Unbedürftigen und der Unbedarften, selbst die Friseurinnung meldete Bedenken an – teils der inkorrekten Haarfarbe des Delinquenten, teils seines üppig wogenden Haarschopfes wegen. Sie alle schleuderten ihm ihr »Schuldig!« entgegen und »Nicht schuldig!« scholl es aus dem Publikum zurück, das inzwischen einen Schutzwall um seinen flachsblonden Abgott gebildet hatte und seinerseits vom Leder zog, was das Zeug hielt.

Was immer T privat von dieser Klientel halten mochte, in diesen Tagen wurde aus ihr eine Art Fünfter Kolonne: die Riege der Schwulenund Feministinnenhasser, der Genderismus-Gekränkten, die ewig vom Abstieg bedrohte untere Mittelklasse mit dem gut funktionierenden Abwehrreflex gegenüber Fremden, die Patrioten mit der breiten Brust, die Waffennarren mit den erlesenen Handsammlungen vom indischen Khanjar bis zur halbautomatischen Knarre neuester Bauart, plus jede Menge Extra-Narren, an denen in keinem Lande Mangel besteht, und selbstverständlich – die bekennenden Suprematisten. Es ist nicht leicht, über Verantwortung zu reden in einem Land, in dem jedem, der es versucht, als erstes die Verantwortung für die Wortmeldungen gewisser Zeitgenossen auf die Schultern gewälzt wird.

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