(11) Nachtrüber
Der Yagir verfügt, wie jedes gesittete Gemeinwesen, über eine Reihe Gelehrter, denen auf Kongressen langweilig wird und die deshalb bereits über ihrem nächsten Zeitungsartikel brüten. Eine Handvoll von ihnen hat auch das Brüten hinter sich gelassen und teilt freihändig aus. »Wozu gibt es Medien?« fragen sie sich und in der Tat: Wozu gibt es Medien? Cooler wäre nur die Frage: Gibt es Medien? Leider gilt sie als beantwortet und fällt daher aus. Medien gibt es, weil sich immer etwas dazwischenschiebt. Einer hat Durst und er greift nach dem Glas: da haben wir das Ur-Medium, wie es aus dem Regal kommt, sauber, durchsichtig, handlich, im Zweifel stellt man es in den Abwasch und holt sich ein anderes. Ein gutes Medium kommt nie allein, es gestattet Auswahl, das erste ergreift man gedankenlos, das zweite wird sorgsam geprüft, das dritte, falls es Spuren eines früheren Gebrauchs aufweist, erweckt Zweifel am Etablissement. Das wissen die Gelehrten. Sie vertrauen sich nicht jedem Medium an, sondern nur den geprüften. »Wenn nicht hier, wo sonst?« fragen sie scheinheilig in die Runde und der Erfolg, dieser alte Windhund, gibt ihnen recht. Medien mit Gütesiegel gibt es an jedem Kiosk zu kaufen, sie betteln förmlich darum, aber die besten kommen ins Haus und sind bereits abgebucht, bevor der erste Eindruck zu Buche schlägt. In ihnen plaudert der Staat mit sich selbst und schiebt, damit ihm nicht langweilig wird, immer Gäste nach, darunter auch einige handverlesene Gelehrte, die sich ihrer Rolle bewusst sind. »Ich weiß, was mich da draußen erwartet«, sagt so einer, den Spiegel in der Hand und Misstrauen im Gesicht. »Wenn ich in den Ring steige, muss ich austeilen, sonst fallen alle über mich her. Auch so fallen alle über mich her, aber damit kann ich leben.« Ohne ihn, so glaubt er, sähe das Medium trüb aus, dabei ist es von Haus aus trübe und man füllt ihn als Spülmittel ein, es ist aber das falsche und kein Mensch weiß nach seinem Auftritt, ob er lachen oder weinen soll. Die Verwandlung von Angstschweiß in rhetorische Brillanz erzeugt beim Publikum Fluchtwünsche: »Stell’ den Schwätzer ab!« brüllt der Bierselige, doch einer sitzt am Tisch und will immer zuhören, er glaubt kein Wort von dem, was er hört, er kramt nach Argumenten, die es widerlegen, er fühlt sich intellektuell und schimpft auf die Intellektuellen.