(42) Kriegsbörse
Im Yagir werden Passanten auf offener Straße getötet. Das soll, so das Kalkül der Mörder, die Bevölkerung spalten und das Land in den Bürgerkrieg treiben. Die Regierung hingegen erkennt die Tötung von Zivilisten nicht als Kriegshandlung an. So verbannt sie den Krieg vom eigenen Territorium und lässt den Feind dumm dastehen. Ein weiser Entschluss und ein folgenreicher dazu: Auf dem Weg durch die Bürokratie verwandelt er sich nach und nach in Gesetze, Verordnungen, Handreichungen, Verhaltensregeln, Anweisungen, Denkweisen, Verhaltensweisen, Abweichungen, Proteste, Glaubenskriege, Hassreden, Fassungslosigkeit und Denunziantentum. Um jeder Einmischung von außen wirksam zuvorzukommen, beschließt die Regierung, die Spaltung der Bevölkerung in die eigenen Hände zu nehmen. Der Feind, verdutzt ob des plötzlichen Publicity-Mangels, richtet virtuelle Plattformen ein, auf denen er rund um die Uhr die Verantwortung für die von ihm angerichteten Gräuel übernimmt. Vergebens: Polizei und Bevölkerung sind angewiesen, solchen Verlautbarungen keinen Glauben zu schenken, und die Wirkung verpufft. Andererseits regt sich in der Bevölkerung Widerstand gegen den Kurs der Regierung. Die Bevölkerung findet es erklärungsbedürftig, in einem Krieg ohne Kombattanten ermordet und verstümmelt zu werden. Umgehend ruft die Regierung die Priester des Landes zusammen und lässt sie erklären, das Unerklärliche sei das Böse. Im gemeinsamen Gebet werde man es besiegen. Wie weiter? Der Rest ist rasch erzählt. Die älteren Yagiriten gehen in die Knie und bitten den Herrn um Vergebung. Die jüngeren halten die älteren für übergeschnappt und planen die Ausreise. Ein Häuflein Widerständler findet es unerhört, das Land kampflos den Heuchlern zu überlassen. Sie versammeln sich hinter dem Moderne-Museum und schmoren im Kessel. Keine Gewalt! Der Feind zeigt sich, wird aber nicht erkannt. Er legt die Waffen ins Gepäckfach und lässt nach sich suchen. Unter dem Druck der Obrigkeit entsagen die letzten Galgenvögel dem Untergrund und nehmen hohe Staatsämter ein. Dann lässt der Albtraum nach und die Sonne lässt Brillengläser erblinden, hinter denen kein Auge auf Dauer trocken bleibt.