Schnitt: Der Raum ist groß, ebenerdig passierbar, im Sinne einer Guckkastenbühne. Regungslosigkeit – Liegenbleiben. Es wird dunkel. Jetzt sind nur schlurfende Geräusche zu hören, wie von Schritten, als ob ein Bein nachgezogen würde.
Es ist gar nicht lange her, als Michel und ich nach Wien fuhren, um die Eltern zu besuchen. Seine Mutter Maria de Villa empfing uns hoheitsvoll auf der Terrasse in Lainz, einen extravaganten Schalhut auf dem Kopf, welcher ihr höchst lebendiges Wesen ausdrucksstark zur Geltung brachte. Nach einem großen Braunen auf zugiger Terrasse, erzählte sie mir interessante Anekdoten aus der Dritten Republik: »Wir hatten zwei so hübsche Schiele-Zeichnungen, wissen Sie, und als mein Mann Fritz mir eines Tages erzählte, man hätte ihm 18000 Schilling geboten, da fiel ich vor Überraschung fast vom Stuhl und dachte nur schockiert, um Gottes Willen, soviel Geld für eine Zeichnung!« Den Besuch bei meinen Eltern in Sievering absolvierte ich danach alleine. Es war das letzte Mal, dass ich meinen Vater vor dem Operationsmarathon der nächsten Jahre in seinem geliebten grünen Samtsessel im mittleren Salon antraf. Als Maria wenig später in Lainz verstarb – mein Vater lag zu diesem Zeitpunkt schon auf der Krebsstation im AKH – blieb ich im Cafe Museum sitzen und ließ Michel alleine die elterliche Wohnung am Karlsplatz zum letzten Mal betreten. Ein Jahr später verglühte Michels Frau Katarina geradezu atemlos im mykenischen Lächeln und ließ uns allein. Ich sehe sie leise Luft aus der anregenden Zahnlücke destillieren, wie sie akribisch mit feinstem Pinsel stundenlang an einigen Zentimetern Detail herumstrichelt. Sorgfältige kleine Alltagsbilder! »…es ist der Tod, die Ruhelosigkeit oder die Ruhe als die Phänomene der Schwäche, des Scheiterns, wenn wir vom Leben sprechen…« höre ich Thomas Bernhard in seiner »Wahrheit auf der Spur« – Beschimpfung und wende mich ab.