Zusammenfassung

In dem Tagungsabeitrag wurde die These »Medialität generiert Realität« einer Prüfung unterzogen, indem

  1. geprüft wird, was für die These spricht,
  2. Gegenargumente aufgeboten werden
  3. eine modifizierte Version verteidigt wird

Die Pro-Argumente werden zunächst gemäß einer in der Medientheorie geläufigen Unterscheidung geprüft:

  • Wahrnehmungsmedien,
  • Kommunikationsmedien,
  • Verbreitungsmedien,

wobei der Begriff des Mediums als Mitte nicht als Mittel (zu Zwecken) verstanden werden muß.

  • Daß wir die Realität nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern vermittelt durch ein Medium, ist eine seit Aristoteles geläufige philosophische Überzeugung.
  • Daß wir auch in Kommunikation nicht unmittelbar Alterität im Verstehen aufbrechen, ist zwar eine von einer Minderheit von Konsenstheoretikern, Dialogisten und Verstehensemphatikern bestrittene, aber doch wohl hinreichend plausible These.
  • Daß die Verbreitung medial (d.h. in einer Mitte und durch sie) geschieht, kann ebenfalls verdeutlicht werden, wobei sich abschließend zeigt, daß die Unterscheidung von Wahrnehmung, Kommunikation und Verbreitung nur aspektive Schwerpunktsetzungen darstellen, keineswegs aber auf die Ontologie verschiedener Medien hinführt. In der relationalen Mitte (Röttgers nennt das den »kommunikativen Text«) kann eben verschiedenes geschehen, ohne daß dadurch oder sogar unabhängig davon die Mitte/das Medium verschiedenes ist.

Gegen die These spricht,

  • daß sich das funktionierende Medium in seinem Fungieren in die Unsichtbarkeit zurückzieht;
  • daß die Vermittlung im Medium etwas anderes (und weniger) ist als die Generalthese behauptet;
  • daß die Emphatisierung der Relation nicht die Existenz der Relata bestreitet, sondern nur ihre Relevanz einklammern muß;
  • daß daher vieles für einen moderaten Realismus spricht, der die Erzeugung von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit als komplementäre Prozesse begreifen lehrt.

Die Neuen Medien, insbesondere das Internet, leiten dazu an, auch die alten Medien neu zu begreifen, d. h. die Netzstruktur und das Labyrinth als Wissensorganisationsformen der Postmoderne zu verstehen.

Die Neuen Medien – und das ist jetzt die modifizierte Form der zu prüfenden These – generieren neue Realitäten sui generis, z. B. »Second Life«, und verwandeln damit auch die alte Realität, z. B. die Identitätskonzepte.

Die Neuen Medien reihen sich ein in eine neue Immanenzphilosophie, die den Repräsentationsbegriff der klassischen Ontologie und Erkenntnistheorie hinter sich läßt und stattdessen mit der labyrinthischen Netzstruktur einer nomadologischen Erkenntnisstruktur folgt.

Das sei nun im folgenden an einigen Beispielen erläutert.

 

Kurt Röttgers

Philosoph