Zurück zum Beispiel SPD
1989/90 war ›Fahrprüfung‹ für die SPD. Die Fahrbahnverhältnisse hatten sich entgegen dem Zehnjahrplan der ›Gemeinsamen Gespräche von SPD und SED‹ scheinbar unerwartet drastisch geändert. Allen SPD-SED-Vorschriften zum Trotz formierte sich sogar eine Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP).
Umsteuern war angesagt! Wer nicht auf die bedeutenden Mitfahrer und Pensionäre Brandt und Schmidt auf der SPD-Hinterbank hörte, wer die ostdeutsche Volksbewegung hin zur Freiheit in der Sicherheit der Deutschen Einheit nicht sehen wollte, das war ausgerechnet die im Kommen befindliche sozialdemokratische Enkelgeneration um Lafontaine.
Dabei konnte der Konflikt Internationalismus versus Selbstbestimmungsrecht der Ostdeutschen für den deklamatorisch überhöhten Internationalismus nur haushoch verloren werden. Das ist nun mal die Krux freier Wahlen, die für die SPD immer unabdingbar waren und bleiben werden. Hinzu kam – für Ostdeutsche klar erkennbar – Lafontaines Unwille, die Arme für uns auszubreiten. Wo waren die Sehenden in der ältesten demokratischen Partei Deutschlands? Es gab davon viele. Leider waren die meisten just zu der Zeit auf dem Weg in den politischen Abschied oder standen vor einer größer werdenden Wand die da hieß: ›postindustrielle Mainstreampartei in Regierungsverantwortung mit den Grünen‹. Irgendwie und dann doch nicht eins zu eins umgesetzt kam es so dann ja auch ab 1998 und inzwischen erleben wir den umgekehrten Pendelausschlag, jedenfalls dessen Vorboten.
2013 entschied die SPD ausgerechnet in Leipzig, der Stadt der Friedlichen Revolution, jeglichen Anstand bezüglich der Linksaußenpartei fallen zu lassen. Damit verzichtete die SPD nicht nur auf ein großes Stück ihrer eigenen Freiheitswurzel und machte sich damit im Bereich der ehemaligen DDR-Opposition auf weiten Strecken schlicht unwählbar. Sie rückte sich damit deutlich erkennbar in die Nähe der Linksaußenpartei, die in ihrem Grundverständnis immer noch weitgehend den realen Sozialismus verkörpert. Bis 1989 standen die Feinde DDR und SED vor der Tür, seit 1990 sind sie inmitten der bundesdeutschen Gesellschaft – was den Sozialismus/Kommunismus angeht: noch immer ungeläutert. Frage einen Linksaußenpolitiker, was er von Lenin hält und du weißt, was er von Freiheit und Demokratie hält! – Diesen dringlichen Rat möchte ich allen SPD-Mitgliedern unter das Kopfkissen legen. Ganz am Ende geht es darum, dass auch Sozialdemokraten niemandem den ›Strick um den Hals‹ legen können, den man bei Sozialdemokraten billig kaufen konnte.
Frau Merkel zog der SPD nach 2013 im Bestreben nach Schwarz-Grün links hinterher. Im Zusammenhang mit dem Ausfall der FDP 2013 ergab sich damit eine große repräsentative Lücke im mitte-rechten demokratischen Spektrum.
In Diktaturen kann eine solche Lücke mit Gewalt längere Zeit verheimlicht werden, in einer Demokratie folgt die Strafe auf dem Fuße. Seit dem Linksrutsch von SPD und CDU ›tanzen die Affen‹ in Gestalt der (putinaffinen) AfD und Pegida ›auf dem Tisch‹ und feiern fröhliche Urstände. Die ›Belämmerten‹ sind die bisherige Bundesrepublik und die diese Republik tragenden Parteien. SPD und CDU haben in den vergangenen Jahren die Statik der Bundesrepublik ungesund nach links verzogen. Beide großen Parteien werden diese Statikquetschung schwer bezahlen.
Meine Sorge gilt dabei in erster Linie der SPD, die ich für das Wohlergehen der Bundesrepublik für genauso wichtig erachte, wie dies CDU/CSU- und FDP-Mitglieder für ihre Parteien berechtigt in Anspruch nehmen. Eine Sonderstellung schufen sich die Grünen, denen ›Deutschland, Du mieses Stück Scheiße‹ schnell mal zwischendurch ein wichtiges Statement zu sein scheint. Die sind mir daher herzlich schnurz und piepe.
Für die SPD konstatiere ich aktuell ein zweites Versagen nach den historischen Pannen 1989/90:
Niemand braucht Umfragen. Bodenständige, verwurzelte Menschen spüren, was los ist! Der Politiker, der erst in Umfragen erkennt, dass er nicht nur dabei ist, sich ›wegwählen‹ zu lassen, sondern auch die Abwahl der bisherigen Bundesrepublik klaren Auges riskiert, ist sein Mandat schlicht nicht wert.
Seit Merkels Ignorieren der institutionellen Zusammenhänge am 4. September 2015 und dem grandios hilflosen Eingeständnis, das eigene Staatsgebiet nicht kontrollieren zu können, erodiert das Grundvertrauen der Staatsbürger in ihren Staat inflationär. Das Bild einer Mure in den Alpen drängt sich mir dabei auf. Wie kann es sein, dass die SPD, die ihre Fundamente vor allem in der Facharbeiterschaft, in der technischen Intelligenz hatte, die Interessen gerade dieser bevölkerungsstarken Gruppen faktisch nicht mehr ernst nimmt? Das ist nicht einfach so dahin gesagt. Die Rigorosität, mit der die Verlierer der sogenannten Energiewende und der Massenzuwanderung ›friss oder stirb‹ hören und lesen, macht ja nicht nur die SPD-Basis kaputt. Nein, sie betoniert die SPD näher an der Zwanzig-Prozentmarke denn in der Nähe zu dreißig und mehr Prozent fest. Dabei brauchen wir gerade jetzt eine starke SPD, die dieses Gemeinwesen zusammen hält.
Die SPD fragt aber weder die Bevölkerung, noch die eigenen Wähler, ob diese maßlose und intensiv arbeitsplatzvernichtende, euphemistisch Energiewende genannte Umverteilungsorgie und die Massenzuwanderung gewollt sind. Auch kümmert die SPD sich nicht um ihr großes Erbe auf dem Gebiet der Emanzipation der Frauen, wenn es um Burka und Niqab geht. Sie kümmert sich ebenso wenig um das ›Kindeswohl‹, wenn es um Kinder-›Ehen‹ geht.
Ja, glaubt die SPD-Führung denn wirklich, dass diese Blindheit von der Bevölkerung oder gar von vielen bisherigen SPD-Wählern goutiert würde? Wie blind muss man sein, sich besseren Erkenntnissen zu verweigern? Es ist absehbar, dass sowohl Burka als auch Kinder-›Ehe‹ geächtet werden. Warum nicht gleich vernünftig in Vorleistung gehen und das Thema federführend mitbestimmen? So bleibt ein Bild von der SPD wie 1989/90 : Die SPD muss zum Jagen getragen werden.
Es gab eine Zeit vor der extremen Radikalisierung von Pegida in Dresden. Damals hätten SPD und CDU noch viele dieser Spaziergänger ›abholen‹ können. Damals hofften dort noch viele, dass die großen vermeintlich handlungsfähigen Parteien die Probleme noch selbst lösen könnten. Spätestens mit der hedonistisch-überheblichen Abfuhr, die Sigmar Gabriel sich wegen seiner Stippvisite in Dresden Januar 2014 vom Feuilleton abholte, war diese Chance für immer vertan.
Sie war zum zweiten Mal von der SPD vertan. Die erste Chance gab es in den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ganze zehn Jahre thematisierten die PDS-Jünger in der SPD-Sachsen die Völkerfreundschaft zur SED. Ganze zehn Jahre gab es deshalb diese unnütze und abstoßende öffentliche Diskussion. Sachsens Wähler nahmen die Sachsen-SPD fast nur als eine Partei wahr, die sich um die Rest-SED statt um die Probleme der Bevölkerung kümmerte.
In Leipzig hielten wir das ganz anders. Uns glaubte man, dass wir nicht mit den SED-Nachfolgern kumpanieren würden, es war einfach kein Thema. So konnten die Leute sehen, was alles mit der SPD in der Region Leipzig aufwärts gehen konnte. Inzwischen wurde diese Bastion innerhalb der sächsischen Sozialdemokratie auf sächsisches SPD-Normalmaß geschliffen und Höhenflüge sind am Horizont nicht einmal zu ahnen. Das schmerzt.
Im Folgenden gehe ich auf die Abläufe und Prozesse innerhalb und nach der Friedlichen Revolution 1989/90 mit Blickwinkel Leipzig und SDP näher ein. Mein Archiv ist prall gefüllt.