Die Leine, die alles ordnende Leine, wo finde ich sie? Nehmen wir nach wie vor an, das Urteil sei einhellig – dann entdecken wir eine Vielzahl von Leinen, eine offene Vielzahl, um genau zu sein, denn jedes Stochern erhöht doch die Zahl der Aspekte, die so ein Urteil zu bündeln sich anmaßt… Ich sage ›anmaßt‹, denn wenden wir uns jetzt dem Urteil zu, der Urteilsseite, um genau zu sein, dann entdecken wir, was wir bereits wussten: dass es sich, genau betrachtet, auch bei ihm nicht um ein einziges handelt, sondern um viele, die sich aus gegebenem Anlass ungefähr zur gleichen Zeit in vielerlei Köpfen bilden. Ich sage ›vielerlei Köpfe‹, denn es handelt sich dabei nicht um eine unqualifizierte Vielheit, sondern um eine qualifizierte Vielzahl, um harte Köpfe, jeder mit eigener Füllung. Bei dieser … Füllung spricht, nach Herkunft und Ausbildung, doch auch das Denken ein entscheidendes Wörtchen mit, also die Routine in der täglichen Verfertigung der Gedanken, das aufs eigenste Bedürfnis ausgerichtete Spinnennetz aus Vorder‑ und Hinter‑, aus Ober‑ und Untergedanken. Dieses ganz persönliche Gedankengespinst, für das jeder, der sein Urteil öffentlich in die Waagschale wirft, zu Recht oder Unrecht berühmt ist, bietet keine Stelle, die bei jedem von ihnen gleich wäre – wohlgemerkt: keine einzige. Und diese kantigen Köpfe, so unterschiedlich sie sind, sie leben nicht auf unterschiedlichen Sternen, sie schreiben auch nicht an ein und demselben Tag zur selben Stunde denselben Gedanken nieder. Ihr Geschäft besteht darin, sich mit ihresgleichen auseinanderzusetzen – ›auseinander‹, das ist das Wort, daran sollten wir beide uns einen Moment lang halten. Wenn also die kritischen Geister dieses Landes zur gleichen Zeit in der gleichen Sache in gleicher Weise Laut geben, dann… Wollen Sie wirklich wissen, was ich davon halte? Nichts. Ich erkenne in ihnen eine Bande von Heuchlern, gleichgültig, ob sie sich selbst, der Öffentlichkeit oder ihren Auftraggebern etwas vormachen. Es läuft ohnehin auf dasselbe hinaus.
