Ulrich Schödlbauer

Ergreift die Macht von einem Menschen Besitz, so spricht sie: »Erschrick nicht. Es gibt keinen Grund zu erschrecken. Ich bin nicht annähernd so finster, wie die Menschen glauben. Ich liebe das Licht und die Helligkeit. Darin gleiche ich dir. Pass auf, ich erkläre dir das Szenario. Wir befinden uns in einem geschlossenen Raum. Es ist stickig in diesem Raum – wenn ich dich jetzt bäte, das Fenster dort drüben zu öffnen: Würdest du meiner Bitte nachkommen? Das Fenster liegt ein wenig hoch, zu hoch für dich, um hinaufzureichen, du müsstest die Anwesenden um Hilfe angehen. Vielleicht krümmt einer den Rücken, damit du hinaufklettern kannst: Das wäre hilfreich. Hilfreich für wen? Für dich? Für alle? Für ihn? Wärst du verpflichtet, ihn für seine Tat zu entlohnen? Nicht wirklich, denn er hilft ja allen und damit sich selbst. Andererseits wäre er der eine, der zu helfen gewillt ist, im Unterschied zu den Gaffern, die euch beide umstehen, da ist ein Zeichen der Ermunterung schon angebracht. Wenn du jetzt hingehst und sprichst: ›Krümm den Rücken, Alter! Da hast du zehn Cent‹ – was wird geschehen? Ganz recht: nichts. Also gehst du hin und erklärst allen Umstehenden – und damit nolens volens auch ihm, auf den du es abgesehen hast –, was es mit dem Fenster auf sich hat und welche gesundheitlichen Schäden euch alle erwarten, sollte es nur eine Stunde länger geschlossen bleiben: ›Klar‹, wird er sagen, ›kein Problem. Ich drück dir die Daumen. Hoffentlich schaffst du es.‹ Und du kletterst auf seinen Rücken. Hockst du dich dort nieder? Nein, du öffnest, wie versprochen, das Fenster und selbst wenn du jetzt die Gelegenheit benütztest, um zu türmen, hättest du doch dein Wort gehalten. Wo steckt der Betrug? Erkennst du einen Betrug? Ich habe dich gebeten und ich betrüge nie. Warum ich nie betrüge? Das will ich dir erklären. ›Der will an die Macht‹ – so schwätzen die Leute und es klingt verächtlich, wie sie es sagen. Lass sie reden. Macht ist die unabweisbare Anwesenheit dessen, was getan werden muss. Wird es nicht getan, dann verfällt sie und wird zur Fratze. Macht haben und sie wegwerfen, weil man nichts wollte als die Macht, ist ein Widerspruch in sich. Macht besteht nun einmal in ihrer Ausübung. Sie kann schlecht oder falsch, aber nicht um ihrer selbst willen nicht ausgeübt werden. Schau mich nicht so entgeistert an: So steht es um die Macht. Und jetzt mach mal Platz.«

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