(10) Lagerausschluss
Im Yagir werden die Dinge des täglichen Lebens durch Lager geregelt: Wer es nicht schafft, in ein vorhandenes eingewiesen zu werden, sich friedlich oder gewaltsam Zutritt zu ihm zu verschaffen, der gründet eines. Gelegentlich nimmt die Gründung von Lagern solche Ausmaße an, dass die Behauptung kursiert, die ganze Gesellschaft befinde sich im Lagerkoller. Doch betrifft das Übel vor allem diejenigen, die es nicht rechtzeitig schafften, in einem Lager ihrer Wahl unterzukommen, und sich deshalb gezwungen sehen, provisorisch zu überleben. Das kann, vor allem bei Kälte, schmerzhaft werden und Folgeschäden verursachen. Überhaupt ist das hervorstechende Merkmal der Lagerlosigkeit soziale Kälte. Wer zum Beispiel erst überzeugt werden will, bevor er sich bereit zeigt, für eine gute Sache zu spenden oder seinen Arbeitsplatz aufzugeben, der strahlt eine Kälte aus, die denen, die im sicheren Lager am Ofen sitzen, das Blut in den Adern gefrieren lässt. »Ist das ein Mensch?« fragen sie und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Natürlich ist das ein Mensch. Aber weiß er es auch? Weiß er, was es bedeutet, ein Mensch zu sein? Offenbar nicht, sonst brächte er die Überzeugung schon mit und müsste nicht erst überzeugt werden. Überzeugungarbeit ist schwer, manchen überschwemmt sie, manchem gräbt sie das Wasser ab. Andererseits: Warum überzeugt er nicht selbst? Kann er es nicht? Will er nicht? Sollte er Gründe für seine Weigerung haben? So zu fragen ist gefährlich und kann mit Lagerausschluss nicht unter zwei Jahren bestraft werden, in schweren Fällen mit anschließender Einweisung ohne Wahlmöglichkeit. Das trifft den einfachen Yagiriten ins Mark, denn die Freiheit der Lagerwahl ist ihm heilig, sie ist, alles in allem, sein höchstes Gut. Das stört die Lager, sie würden sie ihm gern verweigern, aber seltsamerweise bockt er an dieser Stelle. Lieber häng’ ich mich auf, sagt so einer und schon gehört er ins Lager der Abgehängten.