(22) Mappa Mundi
Viele wissen es nicht oder gestehen es sich nicht ein: der Yagir, in all seiner natürlichen Pracht und Größe, ist eine Weltkarte. Alles, was hier geschieht, steht in einer festen Beziehung zur äußeren Welt, und alles, was draußen geschieht, bewegt den Yagir. »Wir sollten endlich damit anfangen, unsere Konflikte anders zu lösen.« So hört man bedächtige Yagiriten reden, findet irgendwo in der Welt ein Gemetzel statt. »Der Yagir kann sich seiner Schuld nicht entziehen!« steht auf Plakaten, mit denen die jüngeren unter den Yagiriten auf die Straße gehen, um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, kein Unrecht auf dieser Welt zu dulden. »Aber wenn er einmal nicht schuld ist«, murmelt ein Passant zwischen den Zähnen, nachdem er sich versichert hat, dass sie gut schließen und nichts herauskommt. Mag sein, mag nicht sein. Schuld ist eine Verrechnungseinheit, die auf vielen Skalen zum Einsatz kommt. Gelegentlich reicht der bloße Bezug. »Der Zusammenhang ist mit Händen zu greifen.« Mit welchen? Mit deinen? Mit meinen? Lässt sich Schuld abgreifen? Eher nicht. Oder doch? Keinesfalls! »Umso schlimmer für dieses Land.« Mit dem betont flachen Ausdruck ›dieses Land‹ bezeichnen Yagiriten, die sich auskennen und viel herumkommen, ihr Land, sie vermeiden es, seinen Namen zu gebrauchen, als könnte daraus irgendein Schaden entstehen, sie wollen Schlimmeres verhüten und geben dem Unbestimmten den Vorzug, da sie es für politisch halten. Im Yagir ist Politik immer Weltpolitik, das beginnt beim Frühstück und endet nie. Die Politik des Yagir, soviel muss einer wissen, um ihr folgen zu können, folgt dem allgemeinen Gleichheitsprinzip, zum Beispiel kämpft sie für gleiche Schulden und gleiche Fußabdrücke. Das erstaunt jeden, der einmal die enorme Fußgröße eines Yagiriten kennenlernen durfte und mit dem Leben davonkam. Die Politik der Schuldengleichheit folgt dem Grundsatz »Jeder trage an seiner Schuld.« Man könnte sie eine Politik der Schuldzuweisungen nennen. Doch wird dieser Ausdruck nicht gern gehört, man hält ihn bereits für die Sache selbst. Letzteres, nebenbei gesagt, gilt als eine der häufigsten Quellen von Politikversagen in diesem ansonsten so reizend regierten Land: Eine sagt etwas und schon gilt es als getan.