(66) Starrhans
Vieles läuft sich tot im Yagir, manches geht allein zu Ende. Zu den Totläufern, die nichts merken, da sie im Pulk unterwegs sind und sich gegenseitig die Sicht versperren, zählt ein junger Mann, dem die Auguren eine glänzende Zukunft prophezeien, während der restliche Yagir sich über ihn totlacht. Wie viele solcher junger Männer hat der Yagir hervorgebracht und wieder zurückgenommen, ganz nach Belieben der bleichen Chefin, die dazu lächelt? Dieser hier treibt die Anstelligkeit weiter als jeder zuvor. Ist das Stärke? Ist es Schwäche? Er hat eine Überdosis Ehrgeiz im Leib und will schön sein; nun wächst der Hals, er schraubt sich höher und höher, fast könnte man meinen, man schaue einer Giraffe bei ihrer Selbstwerdung zu. Weit gefehlt! Im Yagir gibt’s keine Giraffen, und Tiervergleiche sind streng verpönt. Sie fallen unter die Rubrik ›Evolutionsverleumdung‹ und können mit Punkte-Abzug geahndet werden, einer gestaffelten Form der Ehrabschneidung bis auf die Haut und darunter. Lupus in fabula? Undenkbar, im Yagir eine solche Frage auch nur zu erwägen. Allein die Kinderbücher sind voll davon, teils aus Einfalt, teils aus Einfallslosigkeit, weil es wegen der paar Kinder nicht lohnt, sich eine andere Kindheit auszudenken. Oder doch? Der junge Mann mit dem exorbitanten Hals jedenfalls kommt, auf der Suche nach verwandten Hälsen, aus dem Nachdenken nicht mehr heraus, das Vordenken überlässt er Mietprofis, die nichts davon verstehen außer der Abzocke. Neuerdings sollen Hasssauger beschäftigt werden, ihr Auftrag lautet, alles Gift aus der Gesellschaft herauszusaugen – unter ihnen findet man alte Hasser, die den unverhofft aufgetanen Jungbrunnen zu schätzen wissen und sich mit Feuereifer in die Sache stürzen, man könnte argwöhnen, sie werden mit jedem Tag kindischer. Wann sie der Gesellschaft zum Hals heraushängen werden, ist noch nicht abzusehen. Nur dass die Partei, an deren Gängelband sie laufen, sie am Hals hat, wenn erst wieder gewählt wird, merken einige Öffentlichkeitsarbeiter schon. Sie sind Merker, die jungen Herren des Yagir, sie merken viel, aber sie bemerken nichts. Sobald sie Bemerkungen tätigen, bekommen sie Gegenwind. Spötter, die es immer gibt, behaupten, sie hätten keinen Biss, da fragt man sich schon, warum sie dann mit den Wölfen heulen. Nun ja, es sind Wölfinnen, die ihren Lieblingen gern einen Bissen zuschieben. So zerlegt sich der Yagir in seinen Bürschchen, die nicht wissen, wie sie dem Kindergarten entrinnen sollen und ihn deshalb verordnen.