Mäusetherapeutin
Tina hat vergessen, wie sehr sie gewachsen ist, sie zwängt sich in ihre alten Sachen und knallt mit dem Kopf gegen den Türstock, dass es nur so wackelt. Das ist nicht normal und die Mutter rät ihr, eine Therapeutin aufzusuchen, die gleich um die Ecke wohnt und normalerweise Kinder behandelt, die sich für erwachsen halten. Für Tina hat sie nur ein müdes Lächeln übrig. »Geh nach Hause, Kind«, seufzt sie leise, »was willst du denn? Schau hier, die Maus im Käfig, sie probiert alles aus, von morgens bis abends, um heraus zu kommen, ich seh mir das an und sage nichts dazu, aber ich denke mir: Da kannst du lange warten. Ich bin sicher, dass sie einmal herauskommt, aber von mir darf sie nicht erwarten, dass ich ihr dabei helfe. Warum? Weil ich mir sonst eine neue Maus kaufen müsste und das ganze Spiel von vorne losginge, daran habe ich kein Interesse. Überhaupt kann ich allen Kindern, die nicht erwachsen werden wollen, nur raten, es einfach zu lassen. In dieser Welt gibt es so wenig Kinder, da kommt es auf jedes an. Schau die Erwachsenen: wie viele es davon gibt! Entsetzlich viele, du hast ja keine Ahnung, wieviele Erwachsene auf dieser Welt eine Tretmühle suchen. Manche sagen, wir haben zu viele Erwachsene, davon verstehe ich nichts und verstünde ich etwas, dann würde ich mich raushalten. Aber ich weiß, wenn sie erst erwachsen sind, wollen sie alle ein eigenes Leben, davon gibts nicht so viele. Ich sage dir, lass die Finger davon. Nicht wahr, mein Mäuschen?«