Nach einer verschwitzten und erschöpfenden Fahrt erreichte man endlich die Grenze. Die Formalitäten an der jordanischen Grenze wurden relativ schnell erledigt. Auf der irakischen Seite schien eine Überquerung der Grenzsperren fast unmöglich zu sein.
Wo man auch hinschaute: überladene Lastwagen, Busse, Taxen, Trauben von Menschen und unterschiedlichste Waren. Nach Stunden des Wartens mussten, unter der prallen Sonne, die Koffer vollständig ausgepackt werden. Der gestrenge Grenzbeamte, mit allen Waffen der Welt bestückt, begutachtete jedes einzelne Teil. Wenn man Glück hatte, wurde das Observieren nicht unterbrochen, denn die minutenlangen Gespräche mit einem zufällig vorbei kommenden Kollegen oder Bekannten schienen ein permanentes Unterfangen zu sein. Keine Macht der Welt konnte die Beamten auf ihre eigentlichen Aufgaben aufmerksam machen. Sie glaubten, sie wären omnipotent und könnten die Vorschriften nach eigener Laune interpretieren und anwenden. Ein Hauch eines Protestes konnte schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Diese unangenehme Pause, in der Hitze genervt vor dem geöffneten Koffer stehend, zwang einen, ungewollt, das Schicksal anderer Betroffener zu beobachten.
Wenn einige der Architekten der so genannten »Klassischen Modernen« meinten, eine Wohnung sei ähnlich rational und funktional zu gestalten wie ein Koffer, so kann man davon ausgehen, dass sie die Dimensionen eines orientalischen Koffers nicht kannten. Diese, jegliche Normen sprengende Koffer, wurden auf den langgestreckten Ablagen zur Durchsuchung geöffnet. Wehe jenen, die, weder des Lesens noch des Schreibens kundig, aus entfernten Ländern wie Ägypten und Marokko kommend diese Reise angetreten hatten, um im Irak Arbeit zu finden. Hatte der Beamte bei der Durchsuchung etwas Verbotenes entdeckt, wurde im Kontext des sozialen Standes und des Herkunftslandes entsprechend seiner Laune gehandelt. Koffer wurden vor allen Augen ausgeschüttet, Inhalte landeten auf dem Boden, wurden mutwillig zerstört, die Besitzer gepeinigt, öffentlich geschlagen oder abgeführt. Die Atmosphäre der Grenzstation war von Chaos, Willkür, Angst und Unwirtlichkeit erfüllt. Nach den Torturen dieser entwürdigenden Grenzkontrolle durfte man endlich neben allgegenwärtigen überdimensionalen Präsidenten-Porträts in großen arabischen und englischen Buchstaben lesen: »Willkommen im Irak«. Unter den gegebenen Umständen ein zynischer Gruß.