Sowohl Links als auch Rechts. Zur Neuordnung der Ideologien
Mit den Globalisierungsprozessen haben erhebliche Teile der Weltbevölkerung aus der Armut herausgefunden. Allerdings gibt es im Wettbewerb immer auch zumindest relative Verlierer. Bei ihnen braucht man keine Ängste zu schüren. Ihre – in vielerlei Hinsicht – begrenzten Möglichkeiten reichen oft nicht, um sich im unbegrenzten Wettbewerb zu behaupten. Die Local Player haben Angst vor den Projekten der Global Player.
Die ökologischen Belastungen zerstören wiederum die Hoffnungen auf ›den Fortschritt‹, der im 20. Jahrhundert ersatzreligiöse Dimensionen angenommen hatte. Die grüne Bewegung zehrt umgekehrt von der Beschwörung einer drohenden Apokalypse, die nur bei Änderungen unseres Systems und unseres Lebensstils abwendbar sei. Aber auch diese westlichen Ängste sind nicht universalisierbar, weil große Teile der Weltjugend diesem Lebensstil nacheifern und viele von ihnen in dieses System hinein streben.
Die alte Globalisierung, die keine Grenzen, Zölle und Nationen mehr kannte, scheitert an der Komplexität von lokaler Diversität, regionaler Integration und internationaler Multipolarität. Sie alle stehen dem Streben nach globaler Kohäsion, nach einheitlichen Prozessen und Rahmenbedingungen zuwider. (Herve Juvin, Das Chinesische Jahrhundert, in: Cato. Magazin für Sachlichkeit, Nr. 4. 2019, S.35ff.)
Von der Finanzkrise 2007/2008 haben sich die meisten europäischen Länder bis heute nicht erholt. Die Entgrenzungen der Globalisierung werden von vielen als Gefährdung der Demokratie begriffen. Die Lager der Global und Local Player mauern sich ein, grenzen die anderen als Populisten, neuerdings sogar als Nazis und Rassisten oder umgekehrt als Volksverräter aus dem Diskurs aus, sie isolieren und radikalisieren sich gegenseitig.
Mit der Polarisierung nach Globalisten und Nationalisten ist nicht nur der gesellschaftliche Konsens verloren gegangen, sondern auch die Dialektik von Verändern und Bewahren. Dieser verdanken wir aber die großen abendländischen Synthesen wie die säkulare Trennung von Religion und Politik, die Soziale Marktwirtschaft, die rechtsstaatliche Demokratie oder auch die ideelle Gegenseitigkeit von individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung.
Während grüne Globalisten und regressive Nationalisten ihre Einseitigkeiten pflegen und darüber Zulauf gewinnen können, wäre es insbesondere die Aufgabe von Volksparteien, eine solche Synthese auch zwischen dem Fernen und dem Nahen zu suchen. Die SPD ist daran gescheitert.
Sie hat das Dilemma zwischen einer Nahraumsolidarität und der globalen Solidarität nicht einmal thematisiert. Der CDU droht ein ähnliches Schicksal, wenn sie keine Kompromisse zwischen kultureller Weltoffenheit und bürgerlicher Selbstbewahrung, zwischen den Entwicklungsinteressen anderer Mächte und der Selbstbehauptung lokal gebundener Mittelschichten zustandebringt. Mehr sozialer und kultureller Protektionismus wäre sowohl Links als auch Rechts. Die in der Globalisierung veraltete Entgegensetzung der ideologischen Kategorien von einst lenkt von der gemeinsamen Aufgabe einer Suche nach neuen Synthesen ab.
In den heutigen Konflikten zwischen Global und Local Player helfen die als Frontlinien aufgebauten Begriffe Links und Rechts nicht mehr zu begreifen. Diese neuen Gegensätze lassen sich eher schon nach Globalisten und Nationalisten zuspitzen. Wenn wir nicht den inneren Frieden der demokratischen Gesellschaften aufs Spiel setzen wollen, kann es aber nicht bei dieser Polarisierung bleiben. Auch diese Gegensätze müssen zu dritten Wegen oder idealerweise zu Gegenseitigkeiten transformiert werden, die sich dann gegenseitig zu ergänzen vermögen.