Der Jaksch-Bericht
Die Bundestagsfraktion der SPD ging schließlich dazu über, im Rahmen der Politik der Gemeinsamkeit mit der Bundesregierung, die Diskussion außen- und deutschlandpolitischer Probleme in zunehmendem Maße in die entsprechenden Bundestagsausschüsse zu verweisen. Als erstes und bekanntestes Beispiel für diese Methode des »In-die-Ausschüsse-Verweisens« steht unbestritten der Bericht eines Unterausschusses des Bundestagsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, der nach dem Berichterstatter, dem SPD-Vertriebenenpolitiker Wenzel Jaksch, benannte Jaksch-Bericht. (Jaksch 1963, S.9-41)
Dieses Dokument über die »Internationale Lage, die Sicherung Berlins und die Wiedervereinigung Deutschlands« wurde in der Bundestagssitzung vom 14. Juni 1961 einstimmig angenommen. Es bildete damit die Grundlage für die Politik der außenpolitischen Gemeinsamkeit.
Jaksch rühmte in seinem Vorwort zu dem Bericht, daß mit dessen einstimmiger Annahme durch den Deutschen Bundestag »eine überparteiliche Ausgangsbasis für eine künftige deutsche Osteuropapolitik geschaffen worden« sei. Eine deutsche Verweigerungshaltung hinsichtlich verschiedenartiger Kontakte mit den Staaten Osteuropas (Hallstein-Doktrin) berge »Gefahren der Selbstisolierung in sich«; vielmehr müsse die Politik der Amerikaner, die »Osteuropa als die ›weiche Stelle‹ des Ostblocks« betrachteten, unterstützt werden. Die aus dem Jaksch-Bericht hervorgegangenen Forderungen an die Bundesregierung wurden in handelspolitischer Hinsicht von Außenminister Schröder (CDU) verwaltet. Die von ihm mit Polen (7. März 196), mit Rumänien (17. Oktober 1963), mit Ungarn (9. November 1963) und mit Bulgarien (6. März 1964) abgeschlossenen Handelsabkommen stellten allerdings den Versuch dar, die DDR innerhalb der osteuropäischen Staatenwelt zu isolieren. Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag konnte das Zustandekommen des Jaksch-Berichtes zuallererst als Beweis für die Aufrichtigkeit ihrer Politik der Gemeinsamkeit anführen. Gleichzeitig wertete er die Oppositionspartei aber auch insofern auf, indem er über die bisherige Ostpolitik der Bundesregierung hinauswies.
Auch sonst paßte das Verhalten der SPD-Redner im Parlament in das neue Bild der Gemeinsamkeit, gleichzeitig mit dem Drängen auf Fortschritte in der Ost- und Deutschlandpolitik. Mit Kritik an der Regierungspolitik hielten sie sich im Bereich der Außenpolitik deutlich zurück. Die offene Diskussion, vor allem deutschlandpolitischer Fragen, wurde selbst auf den Parteitagen bis 1964, wie Dittberner aufgezeigt hat (Dittberner 1969, S.54), nicht mehr sonderlich praktiziert. Es war auf diesen Foren Willy Brandt überlassen, neue Wege in der Deutschlandpolitik in programmatischen Reden aufzuzeigen.