(50) Lügengymnastik
Im Jahr der bestialischen Lügen regnet es Schatten und andere toxische Substanzen vom Himmel und alle Straßen färben sich blau: ein Vorgang, physikalisch nahezu unerklärlich, aber den Ideologen von Haus aus vertraut. Ja, es gibt sie im Yagir – eine alte Sekte, vermutlich spätantik infiltriert, aber mit starker Westbindung, daher katarrh-resistent. Oder heißt es Katar? Wie auch immer, die Ferne lockt, sie lockt mit Geld und anderen goodies, manches Logo blutet da aus und fällt unter das Reizmittelverbot, das ursprünglich dazu diente, den Handel mit Unterwäsche zu regulieren. Jeder Handel braucht Regulierung, ebenso sämtliche Händel, weshalb sie meist vor Gericht oder unter der Schweigedecke ausgetragen werden. Die Händel der Ideologen sind, wie die Abkömmlinge des Bösen, Legion, sie vermüllen den erdnahen Raum und erzeugen den weißen Starrsinn, dem keiner entkommt, der sich ihnen mehr als drei Stunden täglich widmet. Die Ideologen warten darauf, dass etwas geschieht, dann zählen sie bis drei und schießen drauflos. Eigentlich ist ihnen egal, was geschieht. Das kommt, weil sie den zureichenden Grund allen Geschehens bereits vorher kennen und deshalb niemals überrascht werden können. Daran kann man erkennen, wie zuverlässig sie ihre Arbeit verrichten. Oder auch nicht: Da sie nur gegen Bezahlung arbeiten, machen sie jede Maskerade mit und arbeiten, geringfügig zeitversetzt, an allen Fronten. Heute Aleppo, morgen Wien, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind – ein Schlager, ein wirklicher Schlager, die Schatten kringeln sich und die islamische Front verzeichnet Platzwunden. Ein rechter Ideologe wiegt zwei linke auf, der Grund liegt daran, dass bei ihnen immer zwei auf einen anlegen, dessen Job sie gern hätten, aber die Chefin sagt njet. Sie sagt ja nicht viel, aber ihr njet kommt an. Im Grunde verbietet sie ihrer Partei, Partei zu sein, weil ihr das beim Regieren hinderlich wäre. Sie hat ihr versprochen, wieder Partei sein zu dürfen, wenn sie nicht mehr regieren muss und im Großen Gedenk-Sandkasten ihre Feldzüge nachstellt. Im Gegenzug verspricht die Partei, ›das Maul zu halten‹ und es nur zum Gähnen zu öffnen. Ein großes Maul, es zu halten verlangt nach Kräften, die stets verfügbar sind, eine parteiinterne Immobilitätsreserve bei hoher Fluktuationsrate. Die Partei nässt gleichsam zur Industrieseite aus, das unterscheidet sie letztlich doch von den anderen, die sich einnässen, während sie auf den warmen Regen warten, der ihre Träume wahr werden lässt. Der Regen kommt, wie immer im Yagir, zu früh und zu spät, als Kinderprogramm und für die Erwachsenen, die am Morgen nicht aufstehen müssen und deshalb auf Empfang bleiben.