(54) Zensohr
Nun also beginnen wieder die alten Spiele. Der gemeine Yagirit/die gemeine Yagiritin hatte sie ein paar Jahrzehnte lang nicht gekannt, er/sie war ihrer entwöhnt und ein bisschen eifersüchtig auf die Bewohner der Zeiten, die sie gekannt und frisch vom Baum der Erkenntnis genossen hatten. Warum nicht wir? Die Frage stand quer über dem Friedhof der Organe, die sich selbst die publizistischen nannten, teils, bevor sie das Zeitliche gesegnet, teils auf den protzigen Grabsteinen, die ihre Nachlassverwalter auf sie gewälzt hatten, um das Tagesgeschehen besser überblicken und kujonieren zu können. Natürlich kommt die moderne Zensur nicht über die Mitte, sondern über die Ränder. Der Haarschnitt, den sie der Gesellschaft der Schwätzer verpasst, ist militärisch kurz und beschränkt sich aufs Wesentliche, die Blöße über dem Hirn. Keiner soll hineinschauen können, das wäre gegen die Regel, es wäre das Verkehrteste überhaupt und lockte zu falschen Schlüssen. Wo Schluss ist, weiß der Schließende allein: So lautet der Wahlspruch aller, die vom Schlussmachen leben und ihre Rendite, gut versteckt zwischen zwei Zuwendungen wegen guter Führung, von den Behörden kassieren. »Handle so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung dienen könnte«: ein Minister im Amt, der nach diesem soliden Grundsatz verfahren wollte, könnte die wirkliche Gesetzgebung für verzichtbar halten, sie ist ja virtualiter bereits in seine Entscheidungen eingebaut und schlägt sich in der Überkorrektheit seiner Erlasse nieder. Überkorrektheit kommt bekanntlich vor der Korrektheit und macht sie überflüssig, weil niemand mehr da ist, der ihrer bedürfte. »Alle sind weg«, sagt so einer, »Auftrag ausgeführt!« Welcher Auftrag? Und wer sind ›alle‹? Da öffnet sich ein weites Feld, die Hasenjagd ist eröffnet und der/die mit der längsten Flinte erbt, was von der lästigen Meinung bleibt/blieb.