Literarischer Stadtführer

Viele Ansätze sind möglich bei der Gestaltung eines literarischen Stadtführers. Viele Wege stehen einem dabei offen, viele werden immer wieder eingeschlagen. Sie lassen sich aber unterm Strich so zusammenfassen: Literatur durch die Stadt zu zeigen oder eine Stadt durch Literatur. Oder auch beides, in immer wieder alternierenden und komplementären Wechselwirkungen.

Immer muss dabei aber auch die Frage nach der (Un)Vollständigkeit oder nach dem Exemplarischen auf irgendeine Weise beantwortet werden: soll der Reiseführer nun einen Kanon, eine Auswahl, eine Übersicht oder ein Kompendium sein, sei es in Hinblick auf die Stadtsubstanz oder das Literatursubstrat.

Da ist zum einen die Möglichkeit, sich die Totalität einer Stadtliteratur auch in ihrer historischen, diachronischen Dimension vorzunehmen. Im Falle von solchen Städten wie Lemberg ist es eine fast nicht zu bewältigende, größenwahnsinnige und doch immer wieder verlockende Herkulesaufgabe. Denn diese Stadt ist voller literarische Bezüge, in jeder Hinsicht. Dann verwandeln sich die Gänge durch die Stadt in ein permanentes Dozieren und Zitieren. Die Stadtsubstanz wird sekundär, wird zur Illustration der literarischen Verläufe, verschwindet unter der schieren Masse der Literatur.

Man kann auch anders verfahren, indem man das Massiv dessen, was nicht in der Stadt, sondern über die Stadt literarisch vorliegt, verarbeitet. Dabei werden nur Texte oder Textfragmente zur Kenntnis genommen, die über diese Stadt direkt etwas aussagen, natürlich vor allem die Werke, in denen die entsprechende Stadt der Handlungsort ist oder welche zahlreiche Beschreibungen der Stadt beinhalten.

Ein dritter Weg bestünde darin, gezielte literarische Streifzüge durch die Stadt vorzunehmen, wobei man sich auch hier unweigerlich mindestens zweier Hauptschwierigkeiten gleich gewahr werden muss: nicht notwendig stimmt die Topographie nämlich mit der Logik der Literatur überein, und zweitens: auch die Fragen der Bedeutungshierarchie müssen einzeln – und meist sehr subjektiv – beantwortet werden.

Die vierte Option: man geht die vorgenommenen Gänge durch die Stadt nach und nimmt »das Literarische« sozusagen als eine willkommene Zugabe wahr, die die Wahrnehmung noch zusätzlich bereichert.

Fünftens stehen einem immer auch thematische Literaturstreifzüge durch die Stadt frei: je nach Schwerpunkt, von Ort zu Ort, von Objekt zu Objekt, von Autor zu Autor, Epoche zu Epoche. Im Falle von Städten wie Lemberg können es auch »national-sprachliche« Literaturexkurse sein: ukrainisch, polnisch, deutsch, jüdisch…

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