II. Die Neuordnung des Westens in einer multipolaren Weltordnung
Jenseits der Grenzen des Westens geht es nicht mehr primär um die Demokratie, sondern um die Bewahrung einer zivilisierten Ordnung. Eine internationale Ordnung beruht auf Hegemonie oder Gleichgewicht. Da die Hegemonie einer einzigen Weltmacht heute weder wünschenswert noch möglich ist, ist das Ziel eines Gleichgewichts zwischen den multipolaren Mächten alternativlos.
Wer den Iran und Nord-Korea in Schach halten will, braucht tragfähige Beziehungen zu Russland und China. Eine neue Weltordnung kann nicht gegen Russland und China entstehen. In einer multipolaren Welt würden China und die USA, Russland und die EU zu ›Frenemies‹, die trotz aller politischen Differenzen und ökonomischen Konkurrenz aufeinander angewiesen sind. Russland und China sind Sphären des privilegierten Einflusses zuzugestehen, frei nach dem Motto: ›Jedem sein Mittelamerika‹. Welche Gefahren drohen, wenn dies nicht geschieht, zeigte schon die Kubakrise.
Keine Macht darf die Alleinherrschaft anstreben oder auch nur die Legitimität der anderen Mächte in Frage stellen. Dies erfordert zwar nicht die völkerrechtliche, aber die faktische Anerkennung der faktischen Hemisphären, auf die es auch im Fall der Krim hinauslaufen wird – wie zuvor im Fall Tibet.
Die Chancen für eine solche Ordnung erwachsen allein aus ihrer Notwendigkeit. Auch die großen Mächte sind mit einer Vielzahl von derzeit kaum kontrollierbaren transnationalen Prozessen konfrontiert: global agierendem Kapital, asymmetrisch kämpfenden Terroristen, Schleppern, Drogen- und Menschenhändlern. Gegen sie müssen sich die Staaten – unabhängig von ihren Strukturen und Werten – gemeinsam wehren.